Am 24. März dieses Jahres
ist Hans Hermann Kardinal Groër aus diesem Leben geschieden – „frühmorgens, als
es noch dunkel war“ (vgl. Joh 20,1). Es sollte nicht übersehen werden, dass es
sich dabei um genau den achten Jahrestag handelte, nachdem 1995 die öffentliche
Kampagne gegen ihn ihren Anfang genommen hatte.
Hans Groër, geboren
am 13. Oktober 1919 in Wien, entstammte einer altösterreichischen
Offiziersfamilie. So war sein Denken und Fühlen auch stets seiner Heimatstadt
und den geistigen Werten der österreichischen Tradition verbunden. Als er nach
seiner Matura 1937 am Hollabrunner Gymnasium in das Wiener Priesterseminar
eintrat, begegnete er hier jener großen Priestergestalt, die ihm Zeit seines Lebens
Vorbild blieb, dem Spiritual und Univ.Prof. DDr. Friedrich Wessely. In diesen
Jahren formte sich endgültig die Struktur seiner Frömmigkeit. Wessely war es
auch gewesen, der ihm am 19. April 1942 die Primizpredigt in St. Stephan
gehalten hatte.
Nach wenigen Kaplansjahren in Petronell und Bad
Vöslau, wurde Groër Präfekt am Hollabrunner Knabenseminar, dann
Religionsprofessor am dortigen Bundesgymnasium: ein Mann der Disziplin und der
Lehre, aber auch bald ein geschätzter und unermüdlicher Beichtvater und Freund
der Jugend. Kaum ein Jahr, in dem er nicht in der Liste der Primizprediger
präsent gewesen wäre. Außerschulisch widmete er sich unter vielen Opfern dem
Aufbau der Pfadfinderbewegung im katholischen Geist, dann immer mehr jenem der
Legion Mariens in ganz Österreich, besonders nachdem er mit der diesbezüglichen
Nachfolge Professor Wesselys betraut worden war. Er schien für Maria zu leben,
und es war innerlich folgerichtig, dass er sich ab 1969 ganz der Wiederbelebung
der Roggendorfer Marienwallfahrt hingab. Der Dienst an Maria verschmolz mit dem
Dienst an der Kirche zu untrennbarer Einheit.
„Ich habe drei Berufe“, sagte er einmal scherzhaft,
und wies mit dieser Bemerkung auch auf sein fortgesetztes Wirken als „Mann der
Schule“ hin; 1974 wurde er zum Direktor des von ihm gegründeten
Aufbaugymnasiums in Hollabrunn ernannt, eine Aufgabe, die er einmal als sein
„Lebenswerk“ bezeichnet hat. Und als kostbare Frucht der Marienwallfahrt
erwuchs die Gründung des Klosters Marienfeld – eingeweiht 1982 – mit heute 16
Zisterzienserinnen. 1974 trat er selbst (und 8 Gefährten mit ihm) in das Stift
Göttweig ein, und im Zusammenhang mit der Einzelseelsorge durch ihn bzw. mit
der Monatswallfahrt in Maria Roggendorf fanden an die 30 andere junge Männer
die Kraft, die Gnade ihrer Berufung zum benediktinischen Ordensleben
anzunehmen.
1986 überraschte ihn die Berufung auf den Stuhl des
Erzbistums Wien; er wurde nicht nur mit Blumen empfangen. Dem
kirchenpolitischen Dissens suchte er im Gesprächsvorgang des „Diözesanforums“
zu begegnen. Im Marianischen Jahr offenbarte sich erneut sein Eifer für die
Ehre der Gottesmutter, und am 28. Juni 1988 überreichte ihm der Heilige Vater
die Kardinalsinsignien, nachdem er kurz zuvor den Nachfolger Petri in Wien
begrüßt hatte. Am 13. März 1989 wählte ihn der österreichische Episkopat zum
Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Sein Tagewerk begann unverändert um 4 Uhr
früh; kein Brief blieb unbeantwortet, kein Detail vielfältiger Aufgaben
unberücksichtigt. Das ihm von der Mehrheit der Medien auferlegte
„Erfolgsverbot“ hat er tapfer getragen.
Die Kampagne, die 1995 und 1998 in der Öffentlichkeit
gegen ihn geführt worden ist, kann in ihren Hintergründen und Zusammenhängen
hier nicht dargestellt werden. Nur eines: Der Kardinal hat Verleumdungen,
Schmähung und Erniedrigung in beharrlichem Schweigen auf sich genommen, und
vieles an seinem Schicksal erinnert an die Leidensgeschichte Christi. Sein
Wirken blieb in diesen Jahren eingeschränkt auf seine umfangreiche,
gewissenhaft geführte Korrespondenz, auf den Empfang zahlreicher Besucher und
auf seine Spiritualstätigkeit in der Abtei Marienfeld.
Hier feierte er mit den Schwestern noch die
Aschermittwochliturgie, um dann am kommenden Tag in jene gesundheitliche Krise
zu geraten, die mit seinem Tod im St. Pöltener Krankenhaus enden sollte.
Lungenentzündung, ein akut gewordenes Krebsleiden, aber auch ein gebrochenes
Herz haben ihn zu jenem dunklen Tor geführt, hinter dem, wie wir glauben und
hoffen, der Glanz der jenseitigen Welt ihn erwartete.
P.
Dr. Ildefons Fux OSB ist Hausgeistlicher bei den Schwestern am Liebfrauenhof der
Kreuzschwestern in Neulengbach, Lehrbeauftragter für Spirituelle Theologie
an der Philosophisch-Theologischen
Hochschule St. Pölten. P. Ildefons Fux war bis 1995 Bischofsvikar für die
Frauenorden in der Erzdiözese Wien. Er ist auch Schriftleiter der Zeitschrift „Gottgeweiht“.