„Im Sterben wird es offenbar“

Persönliche Überlegungen zu einem „Priesterbegräbnis“ besonderer Art

 

Von P. Lic. theol. Robert Bösner OSB, Maria Dreieichen

 

Beim Begräbnis eines Priesters oder Bischofs trifft man meistens die ältere Generation der Mitbrüder, die sich von dem Verstorbenen verabschiedet. Es war für den Verfasser als schon zur Altersgruppe der „Senioren“ gehörigen Priester auffällig, wie viele junge und jüngere Priester und Spätberufene sich bei der Verabschiedung des Alterzbischofs von Wien, Kardinal Dr. Hans Hermann Groër, zu Gebet und Konzelebration einfanden.

Wenn man vor dem offenen Grab steht und in Kreuzesform mit dem Weihwasser die sterbliche Hülle segnet, kommt einem manches ins Gemüt. Vor allem die Überlegung: was wird in der kirchlichen Gemeinschaft bleiben von dem, was der verstorbene Bischof einer großen Diözese getan, eingeführt und bezeugt hat.

 

Es wird vorläufig die Erinnerung an die „dunkle Wolke“ bleiben, wie Kardinal  Meisner  bei der tief empfundenen Predigt beim Begräbnisgottesdienst die „erfolgreich“ aufgebauschte Kampagne gegen den Verstorbenen genannt hatte. Die Erinnerung daran wird bleiben, aber schon das „timing“ seiner Sterbestunde lässt den nachdenklichen Zeitgenossen aufhorchen:

am 24. März 1995 wurde in einer Wochenzeitschrift jener rufschädigende Artikel veröffentlicht, dessen erste Hälfte der jetzt Verstorbene am Abend des Hochfestes des „Heimganges des Hl. Benedikt“ (21. März) von der Redaktion erpresserisch  fax-vor zugesandt bekommen hat. Und am frühen Morgen des 24. März 2003, also genau acht Jahre später, wurde der mit „Erfolgsverbot“ belegte Kirchenmann heimberufen.

 

Dem Beginn der Kampagne ging etwas voraus, was der Verstorbene als Vorsitzender der Österr. Bischofskonferenz mit gutem Geschick daran war zu meistern. Es ging um die Frage der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur heiligen Kommunion: ein Thema, das leicht die Beratungen der Herbst-Bischofskonferenz 94 in Verwirrung hätte bringen können . So beschloss man zu dem Thema einen Studientag mit bekannten Moraltheologen noch  vor  Weihnachten abzuhalten,  und um - auf gut österreichisch - den Weihnachtsfrieden nicht zu gefährden, wollte man zur Frühjahrskonferenz eine Stellungnahme der Bischofskonferenz zu diesen Beratungen herausgeben.

 

Gleichsam als „Probegalopp“ griff der Vorsitzende als Erzbischof von Wien das Thema in seinem Fastenhirtenbrief 1995 auf. Neben dem Thema hat er in vielen lehrhaften Aussagen und Bibelzitaten die - auf dem Glauben der Kirche aufruhende - Lehre über die ganze Ordnung des rechten Verhaltens im Bereich der menschlichen Geschlechtlichkeit für den Bereich seiner Erzdiözese zum Thema gemacht. Ein Hirte spricht zu seiner Herde, um sie zu schützen vor den relativierenden Einflüssen des Zeitgeistes, der nicht gelten lassen will, dass der Apostel vor der  Sündhaftigkeit  menschlichen Fehlverhaltens warnt, auch was die gleichgeschlechtlichen Beziehungen betrifft.

 

Als Reaktion auf diesen Hirtenbrief wurde dann die Person (nicht die Aussagen!) des Erzbischofs (von wem?) so dargestellt, als wolle sich der Erzbischof selbst heuchlerisch nicht an diese Weisungen halten oder hätte er sich früher vorsätzlich nicht daran gehalten. Und mit diesem Artikel und seinen Aussagen ganz unklarer Art wurde eine Lawine der Schmähungen gegen ihn losgetreten. Die Aussagen im Hirtenbrief über das Thema: Zulassung der geschiedenen Wiederverheirateten  zur heiligen Kommunion  sind dadurch  „erfolgreich“ in der Abblendung versunken. Eigenartig: am 24. März d.J. ist der Geschmähte heimgegangen  und die „dunkle Wolke“ schwebt jetzt nur mehr kirchenschädigend im gesellschaftlichen Gefüge der katholischen Kirche unserer Heimat herum. Viele weichen ihr betreten aus und lassen sie ihr - das öffentliche Zeugnis der Kirche lähmende – Gift unwidersprochen auswirken. 

 

Wer sich ein wenig Erinnerungsvermögen bewahrt hat, wird vielleicht noch wissen, dass fast zur gleichen Zeit der Vorsitzende der viel größeren  deutschen Bischofskonferenz und zwei andere am gleichen deutschen Fluss residierende Bischöfe sich in Rom rechtfertigen mussten. Sie meinten nämlich in „pastoraler“ Güte in einem gemeinsamen Hirtenbrief, dass jeder Pfarrer im Beichtstuhl - unter Verzicht auf seinen richterlichen Dienst und gegen die Erkenntnis und das Urteil des zuständigen kirchlichen Ehegerichtes in der Auseinandersetzung zwischen einem Ehepaar - einfach durch Anerkennung ihres selbst formulierten „Gewissensurteils“ - sie zum Empfang der heiligen Kommunion zulassen könne.

 

Und im Kielwasser dieser Schmählawine wurde unkontrolliert in der täglichen  Nachmittags-Sendung von Schijok das sogenannte „Kirchen-Volksbegehren“ aus der „Taufe“ gehoben. Verfasser sieht noch, wie auf einmal die Kamera in jener Sendung von der Fernsehbühne ins Publikum schwenkte und sich auf einmal die Sendung im Zuschauerraum abspielte und dort die Initiatoren des „Kirchenvolksbegehren“ von der Regie das Gesetz des Handelns willig bekamen. Eine meterlange Faxpapierlawine illustrierte die „Wichtigkeit“ ihres Vorhabens.

Der auf der Bühne sitzende Therapeut, der referieren sollte über die pädagogischen Fehler der „Sexualmoral“ der Kirchenleute, zu denen er auch einmal gehörte, war auf einmal nicht mehr wichtig und hat sich gar nicht gegen diesen Untergriff der Regie gewehrt.

Es wird vielleicht noch einige Zeit dauern, bis die -  die „dunkle Wolke“ nährenden – Schicksale unglücklicher Kandidaten für das Priestertum frei genug sind, um über ihre Verzweckung sprechen zu können. Aber je länger die Zeit dahingeht, desto unzerstörbarer werden sich viele Initiativen erweisen, die der verstorbene Herr Erzbischof von Wien, Kardinal Hans Hermann Groër ins Leben gerufen hat.

 

„Was einer ist, was einer war, im Sterben wird es offenbar.“