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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

 

Hirtenbrief zur Fastenzeit 2001

Teil I

1. Das Heilige Jahr 2000 ist vergangen. Die Zeit der Feste und Wallfahrten hat aufgehört; die Zeit der Gnade ist aber nicht vergangen, denn Gott hat Geduld mit den Menschen bis zum Tag der Wiederkunft und des Gerichtes Jesu Christi. Weil Gott Geduld und Erbarmen mit den Menschen hat, wird es immer wieder heilige Zeiten geben, die uns zur Liebe zu Gott und zur Bekehrung unseres Lebens drängen.

2. Die Fastenzeit und österliche Bußzeit 2001 hat begonnen. Es gehört zu den pastoralen Aufgaben des Bischofs, das Volk Gottes in der Diözese zur Vorbereitung auf das Osterfest zu rufen. Liebe Brüder und Schwestern, wenn ihr mit Christus zum Leben auferstehen wollt, dann folgt in der heiligen Fastenzeit dem Gekreuzigten nach: bringt Opfer; tut Gutes; haltet der Sünde entgegen eure Bereitschaft zur Bekehrung. Christus ruft alle zur Nachfolge. Die Nachfolge Christi ist der konkrete Beweis dafür, daß uns die Liebe zu Christus und zu seiner Kirche drängt. Feiert jeden Sonntag die Eucharistie mit; erforscht, bekennt und bereut eure Sünden, die euer Gewissen belasten. Gebt der Osterbeichte ihre besondere Bedeutung und kehrt zurück zu Gott, dessen Liebe immer größer als unsere Schuld ist. Verzichtet und bringt Opfer, um anderen Gutes zu tun. Gebt Zeugnis vom Evangelium Christi durch euer Benehmen, durch euren Anstand und durch eure Liebenswürdigkeit. Schon in frühen Zeiten war das Fasten und Beten die Vorbereitung auf eine gnadenvolle Begegnung mit Gott. Das Fasten ist schließlich ein Verzicht auf das Selbstverständliche und Gewohnte, das Fasten ist die Wachsamkeit in den Stunden der Gnade, die uns Gott immer wieder schenkt.

Wenn ihr fastet wie Christus, werdet ihr euch immer wieder die  Frage stellen: Was kann ich noch mehr tun aus Liebe zu Gott und zum Wohl der Kirche? Fastet, damit ihr Freude an Gott und an seinen Geboten gewinnt. Ihr sollt beten können: “An deinen Geboten habe ich meine Freude, ich liebe sie von Herzen” (Ps 119 [118],67). Die Heiligkeit der Fastenzeit sei für unsere Jugend der Anlaß zu neuer Ordnung im Leben. Es muß uns mit großer Sorge erfüllen, wenn die Jugend sich nicht um Keuschheit bemüht und Nicht-Verheiratete so leben, als wären sie verheiratet. Gott gibt dem Menschen Seele, Leib, Leben und Glück; Unkeuschheit und Unzucht des Menschen beleidigen Gott und sind daher Sünde, die auch dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Angehörigen wegsehen und schweigen.

3. Der Mangel an geistlichen Berufungen hat seine Gründe auch darin, daß man die jungen Menschen das gefährliche Wort lehrt: Lebe dein Leben, und tu was du willst. Welche Mütter und Väter achten auf das, was ihre Kinder lesen? Auch in den Zeitschriften der Jugend diktiert Schamlosigkeit das Lebensgefühl und durch eine gewisse Selbstdarstellung der Menschen, vor allem im Fernsehen prahlt man mit der Sünde und schlägt sich zu einer zweifelhaften Mehrheit, die kein Gewissen und kein Bewußtsein der Sünde mehr zeigt. Die Keuschheit ist eine Gabe Gottes, sie wird jedem geschenkt, der sich darum bemüht. Gott läßt uns nicht über unsere Kräfte versucht werden; Gott schenkt uns mit der Prüfung auch das Bestehen in der Prüfung.

Es ist eine kleine Herde von Gläubigen, die sich dem Druck des Zeitgeistes nicht beugt. Es gibt auch heute diese Menschen, auf die das Buch der Offenbarung des Johannes schon schaut: Sie folgen dem Lamm, wohin es geht; sie sind jungfräulich (vgl. Offb 14,4). Keusch und jungfräulich ist eine Forderung an jeden Gläubigen, ob unverheiratet oder verheiratet, ob jung oder alt. Entscheidend dafür ist, daß der Mensch Christus dem Lamm folgt, wohin er auch geht: total verfügbar, total dem Willen Gottes ergeben, bereit zur Liebe.

4. Zuchtlosigkeit und Maßlosigkeit sind die Mängel unserer Zeit, die uns hindern Christus zu folgen, wohin er auch geht. Manch einer wird einwenden: meine Sexualität und mein Verhalten sind Privatsache, die Kirche kann und darf mir darin nichts dreinreden. So versucht der Mensch, sein Gottesverhältnis unabhängig von den Geboten Gottes und unabhängig vom Gesetz Christi und der Glaubenslehre der Kirche zu gestalten. Wenn man genau hinsieht, will dieser Mensch überhaupt so leben, als ob es Gott nicht gäbe. Dem verwahrlosten Gewissen, das sich weder um Gebote, Normen oder Werte kümmert, folgt mit Sicherheit die Gottlosigkeit, die uns immer mehr Finsternis des Herzens, Verzweiflung, Chaos und Sinnlosigkeit unseres Daseins bringt.

5. Woher hat die Kirche die Vollmacht euer Gewissen anzureden, Gebote zu verkünden und auch zur Bekehrung und Änderung eures Lebens aufzurufen? Die Kirche hat diese Vollmacht, weil sie die Kirche Christi ist; daher haben wir zu bekennen: Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Wenn die Kirche die eine ist, ist sie auch die einzige Kirche Christi; wenn sie die heilige Kirche ist, kann die Sünde ihrer Mitglieder sie nicht zerstören; wenn sie die katholische Kirche ist, ist sie die Kirche ohne Grenzen, denn Gott will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen; wenn sie die apostolische Kirche ist, muß sie alles in geschichtlicher Kontinuität von den Aposteln Christi herleiten, was Lehre, Ordnung und Heilsdienst der Kirche ist.

6. In diese Kirche der Apostel müssen immer mehr und immer wieder neu Priester und Berufene eintreten, um das Werk der Erlösung in der Geschichte fortzusetzen. Die Frage des Priesternachwuchses ist auch für unsere Diözese die wichtigste Überlebensfrage. Wir haben beraten und mit Einmütigkeit die Errichtung eines “Hauses der Berufung” in Seitenstetten beschlossen. In diesem Haus soll jeder in jedem Lebensalter und in jedem Ausbildungsstand seine Berufung klären und einen zielführenden Weg zur Priesterweihe beginnen können. Das Haus der Berufung ist zunächst ein bescheidener Versuch, der gelingen könnte, wenn alle Priester und Gläubigen bei der Suche nach Kandidaten sich einsetzen.

Das Haus der Berufung in Seitenstetten soll als Alternative zum Knabenseminar Zwettl  geführt werden, dessen bisheriger Standort von der Diözese aufgegeben wird. Den Patres von der Gemeinschaft “Servi Jesu et Mariae” danke ich aufrichtig für ihren wertvollen Dienst, den sie in schwieriger Zeit in Zwettl geleistet haben; sie sollen auf einem anderen Weg ihre Jugendpastoral in der Diözese fortsetzen.

Teil II

7. Viel Aufmerksamkeit und manchen Widerspruch hat das Dokument “Dominus Iesus” vom 6. August 2000 in der Weltkirche hervorgerufen. Es handelt sich um ein Dokument des kirchlichen Lehramtes, das von Kardinal Joseph Ratzinger unterschrieben und dessen Veröffentlichung von Papst Johannes Paul II. angeordnet wurde. Die Jahrzehnte nach dem II. Vatikanischen Konzil waren Zeit des Aufbruchs, der Diskussion, aber auch der Gefahr in der Kirche. So war es notwendig, die Gläubigen an das zu erinnern, was dieses Konzil wirklich gelehrt und beschlossen hatte. In Zeiten geistiger Ermüdung besteht die Versuchung, im Religiösen alles für gleich und gleich gültig zu halten. So könnte in einer falsch verstandenen Ökumene das Katholische seine Identität verlieren; aber auch christliches Glaubensgut könnte gegenüber nichtchristlichen Religionen und sogar gegenüber einem praktischen Atheismus seine Unterscheidungskraft verlieren.

8. In Zeiten der religiösen Gleichgültigkeit redet man nicht gern von der Einzigkeit des Erlösers, von der allumfassenden und allzeit gültigen Botschaft des Evangeliums, man scheut auch das Wort “Absolutheit” der Glaubenswahrheiten. So erinnert “Dominus Iesus” vor allem an die Glaubenslehre des II. Vatikanischen Konzils, daß die Kirche Christi in der konkreten katholischen Kirche verwirklicht ist. Die Fülle und Endgültigkeit der Offenbarung besteht allein schon in Jesus Christus, so daß uns alle Wahrheit über Gott und den Menschen aufleuchtet in Christus, der unser Mittler und Erlöser ist. In ihm hat sich die endgültige Selbstoffenbarung Gottes ereignet. Diese Offenbarung verlangt von seiten des Menschen den Gehorsam des Glaubens; der Glaube ist ein Geschenk Gottes aus Gnade.

Es gibt eine einzige Kirche Christi, die in der katholischen Kirche subsistiert und vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Die Gesamtkirche besteht aus Teilkirchen; jede Teilkirche wiederum ist nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche (vgl. LG 23).

9. Was aber ist mit jenen “Kirchen” und “Glaubensgemeinschaften”, die nicht in vollkommener Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen? Jene Kirchen, deren Bischöfe in der apostolischen Sukzession stehen, die gültig geweihte Priester und Bischöfe haben und eine gültige Eucharistie feiern, sind echte “Teilkirchen”, allerdings ohne vollkommene Einheit mit der katholischen Kirche. Die kirchlichen Gemeinschaften hingegen, die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinn (vgl. Dominus Iesus 17).

So besteht für die katholische Kirche z.B. ein Unterschied der orthodoxen Kirchen zu den protestantischen Glaubensgemeinschaften, denen der Name “Kirche” nicht im eigentlichen Sinn zukommt. Ohne Zweifel hat diese notwendige Unterscheidung eine gewisse Verstimmung in der Ökumene ausgelöst. Es gibt jedoch eine verschieden große Nähe dieser Kirchen und Gemeinschaften zur einen einzigen Kirche Christi, die nur in der katholischen Kirche voll verwirklicht ist. Allerdings gibt es auch in noch getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit (vgl. Dominus Iesus 26).

10. Wenn das Lehramt der Kirche den Unterschied zwischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften verdeutlicht, geschieht niemandem Gewalt oder Unrecht. Die katholische Kirche vermerkt damit nur die Selbstbestimmung, die sich die verschiedenen Gemeinschaften frei und in Abgrenzung von der katholischen Kirche selbst gegeben haben.

Wir wollen uns geduldig und unverdrossen um die volle Gemeinschaft im Glauben bemühen; so wie Jesus das wollte und darum betete. Das Wort von der versöhnten Vielfalt kann kein Ziel unseres Bemühens sein; die versöhnte Vielfalt kann nur ein Schritt auf dem Weg zur vollen Einheit sein; diesen Schritt können wir nur gehen, wenn wir die Wahrheit suchen und nur mit jener Wahrheit zufrieden sind, die Christus ist und die allein uns frei macht, weil sie Wahrheit und nicht irgendein Kompromiß ist. Nur das Ganze kann die Wahrheit sein. Bis dahin wollen wir beten, hoffen und in gelebter Brüderlichkeit unsere Unterschiede ertragen.

11. Allen Brüdern und Schwestern, allen hochwürdigen Mitbrüdern, allen wohltätigen Gläubigen und allen Mitarbeitern wünsche ich eine gnadenvolle österliche Bußzeit. In seiner Auferstehung mache euch Christus zu neuen Menschen. Laßt in euren Herzen und besonders in allen Familien gelten, was uns der Epheserbrief zuruft: “Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein (5,14).

Ich bete für euch und segne euch

+ Kurt Krenn

St. Pölten, 28.2.2001

Aschermittwoch

Dieser Fastenhirtenbrief ist mit 1. Fastensonntag bei allen Gottesdiensten zu verlesen. Teil II kann auch am folgenden 2. Fastensonntag verlesen werden.


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 15.02.2001.

 

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