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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

 

Hirtenbrief zur Fastenzeit 1996
Erneuerung der Kirche aus der Eucharistie

 

Liebe Gläubige, hochwürdige Mitbrüder!

Die Fastenzeit, die wir am Aschermittwoch begonnen haben, ist die Österliche Bußzeit, die ihre festliche Erfüllung in der gläubigen Feier der Karwoche und im Osterfest finden soll. Bloße beteuernde Worte sind für ein gottgefälliges Fasten nicht genug; es sollen von den Christen Taten der Nächstenliebe gesetzt, Entscheidungen der Umkehr zu Gott und eine christusorientierte Änderung der Lebensgestaltung durch Gebet, Fasten und Opfer erreicht werden.

Zum konkreten Weg gehören die persönliche sakramentale Beichte der Sünden, die Osterbeichte, die Beobachtung des besonderen religiösen Charakters der Fastenzeit, die Einhaltung der Fasttage des Aschermittwochs und des Karfreitags, der würdige Empfang der Osterkommunion, die Erneuerung der Opferbereitschaft an jedem Freitag, die Werke der Nächstenliebe und der freiwillige Verzicht auf Güter unseres Wohlstands. Seit vielen Jahren wird in unserer Diözese die Fastenaktion durchgeführt, in der wir unsere Liebe zu Gott in Taten der Nächstenliebe für die Armen und Notleidenden in der Welt und auch in unserer Diözese unter Beweis stellen. In Christi Namen bitte ich um Ihren Beitrag zu dieser Fastenaktion, die jedes Jahr wiederum ein Zeugnis des Wohlwollens und der Hilfsbereitschaft unserer Gläubigen ist.

Unsere Kirche ist eine Gemeinschaft, die in der sonntäglichen Feier der hl. Eucharistie sich immer wieder erneuert. Wiederum rufe ich alle Gläubigen auf, jeden Sonntag und Feiertag die Eucharistie gewissenhaft mitzufeiern. Nur wer die hl. Messe an diesen Tagen besucht und ehrfürchtig mitfeiert, erfüllt das Gesetz der Kirche, das auch heute so gilt. Als Diözesanbischof lege ich nochmals fest: Ersatzformen für die Feier der hl. Messe sind nur in einzelnen Notsituationen gestattet; es ist also nicht rechtmäßig, Ersatzgottesdienste für die Sonntagsmesse als Regelfall einzurichten. Die Zahl der Priester in unserer Diözese ist gegenwärtig groß genug. Wir wollen alles tun, auch für die Zukunft die Sonntagsmesse zu sichern.

Noch einmal erinnere ich an die Vorschrift von Canon 767 § l, § 2 und § 4 des Kirchlichen Gesetzbuches, wonach die Homilie dem Priester und dem Diakon vorbehalten ist; die Predigt ist also die Sache des Geweihten Dieners. Es besteht überdies die Pflicht, an Sonntagen und gebotenen Feiertagen bei allen Messen, die unter Beteiligung des Volkes gehalten werden, eine Homilie zu halten. Pfarrer oder Kirchenrektor haben dafür zu sorgen, daß diese Vorschriften gewissenhaft eingehalten werden.

Ich habe viele Pfarren besucht, in denen die Liturgie vorbildlich gefeiert wird, wo Gesang und Gebet des Volkes den Glauben und die Schönheit von Musik und Sprache in Ehrfurcht vereinen. Ich danke allen, die Aufgaben in der Liturgie ausführen; ganz besonders danke ich jenen, die sich um die Ministranten kümmern und diese im Glaubenswissen und für den heiligen Dienst schulen. Herzlich danke ich den Priestern, die am Sonntag durch viele Stunden seelsorgliche Arbeit tun und sehr wesentlich dazu beitragen, daß eine Betreuung aller Pfarren in unserer Diözese möglich ist. Der große Lohn für die Mühen der Priester wäre der bessere Meßbesuch durch die Gläubigen.

Die heilige Liturgie hat ihre Ordnung durch die Kirche und darf nicht als der Wichtigtuerei oder Spielfeld der Beliebigkeit, Agitation mißbraucht werden. Das II. Vatikanische Konzil lehrt in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche: "Jede rechtmäßige Eucharistiefeier steht unter der Leitung des Bischofs" (Nr. 26). Wenn im Eucharistischen Hochgebet der Bischof mit Altbischof und Weihbischof zu nennen ist, so wird nicht nur für sie gebetet, sondern dadurch auch die Rechtmäßigkeit der Eucharistie ausgewiesen. Wer dies mit Absicht nicht tut, der sündigt gegen die Einheit der Kirche. Denn "in jedweder Altargemeinschaft erscheint unter dem heiligen Dienstamt des Bischofs das Symbol jener Liebe und jene Einheit des mystischen Leibes, ohne die es kein Heil geben kann" (LG 26). Der Ungehorsam kann sich also weder auf den Geist noch auf den Buchstaben des Konzils berufen.

Bereits im Hirtenbrief zur Adventzeit 1995 habe ich mitgeteilt, daß ich Stellungnahmen zu einigen Fragen geben werde, die in letzter Zeit unsere Gläubigen beunruhigt oder sogar verwirrt haben. Auch wenn das sogenannte "Kirchenvolks-Begehren" sich zeitweilig Aufmerksamkeit und Applaus verschafft hat, ist es weder dem Wesen und Glauben der Kirche gerecht geworden noch für das Heil der Menschen förderlich. Wer die Priesterweihe für Frauen fordert oder den Zölibat des Priesters in Frage stellt, steht zum einen bei der Weihe für Frauen im Gegensatz zur endgültigen Glaubenslehre der Kirche und unterläuft zum anderen die immer wieder vom Konzil, vom Papst und von den Bischofssynoden feierlich getroffenen Entscheidungen für den Zölibat des Priesters.

Zum Aufbau der Kirche gehören Wahrheit und Wahrhaftigkeit; wer zum "Begehren" antwortet, daß die Diskussion trotz der definitiven Entscheidungen der Kirche weitergeht und heute manches "noch nicht" geht, was später doch gehen sollte, der fördert leichtsinnig den Ungehorsam, nicht aber die Liebe zur Kirche.

Wie nachhaltig und kritisch das "Begehren" in seinen Forderungen und Aussagen an der Lehre des Glaubens und an der Ordnung der Kirche überprüft werden muß, hat der Apostolische Nuntius in Österreich in einer umfangreichen Dokumentation und Argumentation nachgewiesen. Wer dem Problem genau folgen will, kann das 74 Seiten umfassende Heft beim Behelfsdienst des Pastoralamtes (3100 St. Pölten, Klostergasse 15) kostenlos anfordern. Auch jenen Gläubigen, die das Begehren unterschrieben haben, wird diese Studie eine wertvolle Hilfe dafür sein, die einmal eingenommene Position im Licht der Konzilsaussagen und des Lehramtes der Kirche zu revidieren.

Die nicht einfache Situation der Not kann uns zur Gnade werden, wenn die persönliche Bekehrung eines jeden zu Gott das Begehren überwindet und wir uns gemeinsam der Wahrheit des Glaubens gehorsam unterstellen. Die Kirche hat immer gelehrt, daß der Irrtum widerlegt werden muß, die Irrenden jedoch zu lieben sind. So sollen auch alle Streitenden und Protestierenden wissen, daß die Kirche sie liebt, auch wenn sie deren Irrtümer und Fehlurteile zurückweist.

Der menschliche Fortschritt fordert auch von der Kirche ständig neue Antworten; diese neuen Antworten müssen jedoch beim Wort Gottes und bei Jesus Christus ihre Begründung und Übereinstimmung suchen. Gegen die Wahrheit Gottes und gegen die Botschaft Christi kann die Kirche keine gültigen und hilfreichen Antworten geben, auch wenn der Zeitgeist der Anpassung an die Welt dies zu erfordern scheint. Eine Gemeinschaft, die auch zuweilen im Streit um das Wesentliche sich müht, ist immer besser als eine Vereinigung von Gleichgültigen. Wer im Glauben und in der Ordnung der Kirche steht, soll nicht abseits stehen, sondern die vielen guten Möglichkeiten in den Pfarren oder in der Diözese nützen und damit die Kirche konkret mitgestalten. Herzlich lade ich ein.

Jeder Mensch ist in seinem Leben und Entscheiden ein eigenes und einzigartiges Drama der Auseinandersetzung mit Gott und mit sich selbst. Es genügt nicht, wenn wir uns nur selbst finden und dabei in den Abgrund unseres Selbst geraten, aus dem wir ohne Gott keine Erlösung von unseren Sünden und kein Stimmen in unserer Zerrissenheit finden.

Wenn wir uns nicht an Gott ausrichten, fehlt unserem Dasein der Friede mit Gott, die rechte Gewissenhaftigkeit und das Glück der Liebe zu Gott und zum Nächsten; wenn Gott im Menschen nicht wirklich ist, endet der Mensch in der Absurdität seiner Fragen und im Ekel vor seinen eigenen Wünschen und Begierden.

Der Mensch ist das wunderbare Geschöpf Gottes; der Mensch kann Großes vollbringen; der Mensch ist gewissermaßen die Mitte aller Dinge; der Mensch jedoch selbst ist erst wahrer Mensch, wenn er ein geheiligter und heiliger Mensch ist. Bloß Mensch zu sein, genügt nicht für den Menschen; der Mensch bedarf der Liebe Gottes, er muß von allem erlöst sein, was ihn als Sünde und Schuld an sein Selbst fesselt; er muß durch Gottes Gnade erhoben und gerettet sein; der Mensch muß heilig sein, weil Gott heilig ist. Gott sagt: "Erweist euch als heilig und seid heilig, weil ich heilig bin" (Lev 11, 44). Der heilige Gott – der geheiligte Mensch: In dieser Übereinstimmung von Mensch und Gott ereignet sich das Drama, das wir unser Leben nennen und das einst Leben in Fülle sein soll.

Wenn es gültige Antworten über Gott und Mensch geben soll, müssen wir prüfen, aus welchem Ursprung es darüber Antworten gibt. Nicht alles, was wir empfinden, kann uns etwas vom Geheimnis des Menschen verraten; nicht alles, was wir begehren, stimmt mit der Wahrheit über den Menschen überein. Auch nicht alles, was wir über Gott meinen, hat mit Gottes Wirklichkeit zu tun. In diesen letzten Fragen über Gott und den Menschen besteht die Gefahr, daß wir über Gott und Mensch ohne Zusammenhang mit den Ursprüngen unseres Glaubens reden wollen, so als hätten wir heute gerade alles erst hervorgebracht.

Schon im rein menschlichen Bereich werden wir vieles nicht erkennen, wenn wir so tun, als hätten wir keine Eltern und Vorfahren; keinem Wissenschaftler wird es einfallen, seine Ergebnisse so darzustellen, als hätte er das Wissen und die Erfahrungen ganz allein ohne die Leistungen früherer Generationen zuwege gebracht.

In Glaubensfragen gibt es für manche Menschen nicht selten die Versuchung, mit abenteuerlichen Lehren wie aus dem Nichts hervorzutreten. Man beruft sich aus Mangel an Ursprung und Sendung auf Visionen, auf eigenartige Auserwählung, auf apokalyptische und endzeitliche Not oder auf Legitimation durch Anhängerschaft. Die Kirche legt solchen Ereignissen das strenge Maß ihrer Glaubenslehre an und kommt dabei eher selten zu positiven Bewertungen. Wo aber etwas sich nicht in der Glaubenslehre der Tradition und in der Ordnung der Kirche rechtfertigen will, dort ist der Weg zur Sekte oder zum selbstherrlichen Irrtum nicht weit. Immer wieder liegt für Gläubige die Gefahr der falschen Selbsteinschätzung darin, sich selbst, die vorgetragenen Urteile oder einen Zeitpunkt als etwas so Großartiges einzuschätzen, daß alles Vorgegebene geringgeachtet und alles neue Zukünftige ausgeschlossen wird.

Auch die Kirche betont den Ernst des Augenblicks; doch ist es für die Kirche das gottgestiftete Ganze der Heilsgeschichte, das den Augenblick prüft und ihn an der Gegenwart Gottes in der Welt und Geschichte teilhaben läßt. An der Wurzel eines Glaubensirrtums jedoch steht immer etwas von der Art eines historischen Hochmuts. Oft beginnen Irrtümer und Spaltungen mit relativ plausiblen Behauptungen, der Hochmut mit seinem totalitären Anspruch zerstört jedoch oft das Ganze und die Wahrheit.

Der Judasbrief gibt ein hartes Urteil über jene ab, die die Einheit zerstören, weil sie Menschen sind, die den Geist nicht besitzen: "Sie begehren auf, hadern mit ihrem Geschick und lassen sich von ihren Begierden leiten. Sie nehmen große Worte in den Mund und schmeicheln den Menschen, wenn es Nutzen bringt" (Vers 16). Niemand möge dieses Schriftwort auf andere, sondern zuerst auf sich selbst beziehen, um den Versuchungen des Hochmuts zu widerstehen und sich zu bekehren.

Danken wir Gott, daß wir zur einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche gehören. Diese Kirche Christi kommt aus der Ewigkeit Gottes in die Geschichte, denn sie ist schon seit dem Anfang der Welt vorausbedeutet, im Alten Bund wurde sie vorbereitet, in der Fülle der Zeit vom Erlöser Jesus Christus gestiftet und durch die Ausgießung des Heiligen Geistes offenbart. Am Ende der Zeiten aber wird sie in Herrlichkeit vollendet werden, wenn alle Erwählten in der allumfassenden Kirche beim Vater versammelt werden (vgl. II. Vat. Konzil, Lumen gentium, Nr. 2).

Nicht zuletzt ist unser Glaube die Ehrfurcht vor dem Geheimnis der Kirche. Die Kirche ist in Christus Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und eint die ganze Menschheit. Die göttlichen Geheimnisse lassen sich nicht durch menschliches Tun einholen oder ersetzen und sind menschlichem Tun auch auf demokratische Weise nicht verfügbar.

Mit ergebenen Grüßen wünscht allen Mitbrüdern und Gläubigen der Diözese eine gnadenvolle Fastenzeit und ein freudenvolles Osterfest

+ Kurt Krenn

Diözesanbischof


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 22.07.1998. Der Text wurde übernommen aus "Kirche bunt", Nr. 8/1996, S.3-4.

 

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