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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

 

Hirtenbrief zur Fastenzeit 1997

 

Liebe Gläubige, liebe hochwürdige Mitbrüder!

Zum Beginn der Fastenzeit sende ich Ihnen den Friedensgruß Jesu Christi, der jedem gilt und jeden bis zum Osterfest begleiten möge. Lassen wir uns für die österliche Bußzeit vom 2. Petrusbrief belehren: „Das eine aber, liebe Brüder, dürft ihr nicht übersehen: daß beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind. Der Herr zögert nicht mit der Verheißung, wie einige meinen ...; er ist nur geduldig mit euch, denn er will nicht, daß jemand zugrunde geht, sondern daß alle sich bekehren“ (3,8 f.).

Die heiligen Zeiten, die wir Christen feiern, sind nicht länger und nicht kürzer als die gewöhnlichen Zeiten. Es ist die Liebe Gottes zum Menschen, die einen Tag und tausend Jahre dasselbe sein läßt; es ist die Geduld Gottes, die keinem die Zeit zur Bekehrung wegnimmt. Niemand möge sagen: Ich habe noch viel Zeit bis zu meiner Bekehrung; wie ein Dieb in der Nacht kann Gott uns überraschen. Es sage aber auch niemand: Es ist zu spät, um mein mißlungenes Leben zu ordnen und mit Gott Frieden zu schließen. Selbst in den letzten Augenblicken versprach Jesus am Kreuz dem bereuenden Verbrecher: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43).

Es ist also höchste Zeit, daß wir vom Schlaf der Sünde, der Gleichgültigkeit und Geistlosigkeit aufstehen. Dennoch ist es selbst am Ende unseres Lebens möglich, Gott zu suchen und auch zu finden. Weil heute viel Törichtes gedacht, geredet und getan wird, ist es die besondere Pflicht der Kirche, die Menschen vom Schein der Vorurteile und der Geschäftigkeit zu befreien und zu jener Weisheit zu führen, die alles als die freie Gabe Gottes erkennt und das Wesentliche für den Menschen in der Erfüllung des Willens Gottes aufzeigt.

Fastenzeit ist Zeit der Gnade, Zeit unserer eigenen Bekehrung, Zeit des gemeinsamen Strebens der Christen, Zeit der Heiligung, Zeit des Opfers und der Entsagung, Zeit des Gebets, Zeit der Nächstenliebe und der guten Werke, Zeit der Versöhnung mit Gott, Zeit des Friedens unserer Seele.

In der Fastenzeit suchen wir in der Tiefe unserer Seele die Begegnung mit Jesus Christus, der unser Erlöser ist. Wir schließen uns aber auch in gemeinsamen Taten zusammen, die hilfreich für den Nächsten und Fernsten sein sollen. Ich bitte auch in diesem Jahr um Ihre Gabe für die Fastenaktion, die in jeder Pfarre durchgeführt wird. Den Gebenden und Sammelnden danke ich heute schon für ihre Mühen, die erhellt sind vom Wort Jesu: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan“ (Mt 25,40). Viele Menschen bei uns und in aller Welt warten auf die Hilfe jener Christen, die Christi Auftrag erfüllen. Gute Werke der Nächstenliebe, Gebet und Fasten sind der bewährte Weg, den uns die Kirche vor allem für die Fastenzeit empfiehlt, damit wir Buße tun und in Heiligung dem heiligen Gott immer ähnlicher werden können.

Bewahren wir aber auch in Treue, wofür wir uns schon entschieden haben: Unverzichtbar ist für uns die regelmäßige und würdige Mitfeier der hl. Messe an Sonn- und Feiertagen. Zum Eucharistischen Opfer und zur Spendung anderer Sakramente brauchen wir den Priester. Je dringender das Volk Gottes nach dem Dienst des Priesters verlangt, desto sicherer wird auch Gott Priester berufen. Ersatzformen des Gottesdienstes, wie z.B. Wortgottesdienste, können Abhilfe in Notsituationen sein; dennoch dürfen Wortgottesdienste nicht der Regelfall sein. Dem Eifer und dem Gewissen der Priester und der Gläubigen ist es aufgetragen, auch mühsame Wege zu gehen, um die Eucharistie für Sonntag und Feiertag zu sichern. Erneuern wir unsere Liebe und Wertschätzung für das Eucharistische Opfer. Das Sakrament der Eucharistie ist unter allen Sakramenten der Kirche einzigartig: Jesus Christus ist als wahrer Gott und Mensch wahrhaft, wirklich und wesentlich in den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig.

Leider ist vieles in der Sprache und im Wissen der Gläubigen bezüglich der Eucharistie ungenau. Anläßlich der Vorbereitung der Kinder auf die Erstkommunion haben die Priester unbedingt darauf zu achten, daß die Helfer bei der Vorbereitung den persönlichen Glauben, das notwendige Glaubenswissen und ein geordnetes liturgisches Verhalten mitbringen. Das Pastoralamt, die Dechanten und Pfarrer haben im Anliegen dieser Vorbereitung eine besondere Aufsichtspflicht, die regelmäßig wahrzunehmen ist.

Wenigstens einmal im Jahr bekennen die Gläubigen ihre Sünden in einer persönlichen Beichte. Vor allem die Fastenzeit ist dafür bestimmt. Ich bitte vor allem die Priester um ihren größten Einsatz für das Sakrament der Versöhnung. Es bedarf heute schon vielerorts neuer Initiativen, damit die Beichte in unserer Diözese nicht untergeht und vergessen wird. Den Priestern und allen Gläubigen lege ich dieses Anliegen der Versöhnung ans Herz. Bußfeiern mit kollektiver Lossprechung sind unerlaubt; sie sind auch ungültig, weil der Diözesanbischof für diese unerlaubt kollektive Lossprechung die notwendige Befugnis den Priestern ausdrücklich verweigert. Alle mögen zum Herrn aufbrechen, auch mit der Größe persönlichen Gehorsams und demütiger Liebe zu Christus.

Am 16. März dieses Jahres finden in allen österreichischen Diözesen die Wahlen zum Pfarrgemeinderat statt. Aufgrund von Erfahrungen in den vergangenen fünf Jahren wurde die diözesane „Pfarrordnung“ in Teilen novelliert. Dieses diözesane Dokument regelt die Wahlen und die Mitarbeit in den einzelnen Pfarren; sie ist verbindlich und darf nicht eigenmächtig verändert oder mißachtet werden. Die besonderen Rechte des Pfarrers sind zu beachten. Es gibt in einzelnen genau beschriebenen Fällen auch Sonderregelungen, die nach Maßgabe der Pfarrordnung anzuwenden sind. Wir wollen die Familien, Kinder und jungen Christen stärker in die Verwantwortung einbinden. Manches davon ist freie Wahlmöglichkeit der Betroffenen, manches soll zunächst erprobt werden. Ich bitte, für die Mitarbeit oder Kandidatur solche Frauen, Männer und junge Christen zu ermutigen, die Eignung und dauerhaften Willen zur Mitarbeit haben. Die Gläubigen selbst mögen ihr Wahlrecht auch ausüben.

Es ist ein Dienst, der übernommen werden soll, bloßes Repräsentieren und Regieren sind nicht das Geheimnis einer lebendig gestalteten Pfarre. Es darf nicht die Zweiteilung zwischen Beschließenden und Arbeitenden geben. Selbst in den kleinsten Taten liegt oft mehr Wert als in großen Worten, die ohne Realität bleiben.

Ein Jesus-Wort möchte ich Ihnen für die Fastenzeit und als Weg zum Osterfest mitgeben. Es ist das vom Heiligen Vater verwendete Wort der Einladung zum Jugendtreffen mit Johannes Paul II. im August dieses Jahres in Paris: „Kommt und seht.“ Jesus sagt dies zu den Jüngern, die ihm folgen wollen.

Kommt, brecht auf, verlaßt alles, was euch von Gott trennt, und folgt Christus. Erhebt und erhellt eure Seele in der Wahrheit Christi; ihr werdet sehen und schauen Gottes Heil.

Mit herzlichen Grüßen und mit meinen Segenswünschen an alle

+ Kurt Krenn

Diözesanbischof

St. Pölten, am Fest Pauli Bekehrung 1997
 

Quelle: St. Pöltner Diözesanblatt, Nr. 2, 1. Februar 1997.
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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 21.10.1997.

 

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