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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Beitrag für das "Jahrbuch der Diözese St. Pölten 1998", S. 4-6

Auf dem Weg ins Jahr 2000
1998 Jahr des Heiligen Geistes

Der Fragehorizont des Jahrbuches 1998 wird vom Thema ,,Lebensraum Pfarrgemeinde" auszumessen sein. So sollen die konkreten Themen der Beiträge im Lebensraum der Pfarrgemeinde durchgedacht und zu Ergebnissen gebracht werden.

Dies betrifft auch das Thema ,,Heiliger Geist". Vom Heiligen Geist ist in unseren Gebeten oft die Rede. Mit Gottvater und Gottsohn wird auch Gott Heiliger Geist geglaubt und verehrt. Die Dreifaltigkeit ist ein Glaubensgeheimnis, das sich der menschlichen Vernunft in vielem niemals auftut; auch die Menschwerdung des ewigen Sohnes Gottes ist ein Glaubensgeheimnis höchsten Ranges, sodaß der eine Gott in drei Personen und der Herabstieg des Gottessohnes im Geschöpf sich in den Verhältnissen unserer Vernunft niemals angemessen begreifen lassen.

Wer aber ist der Heilige Geist, der Gott ist wie der Vater und der Sohn? Jesus, der wahre Mensch und Gott, ist für uns sichtbar als Mensch; vom Vater wiederum sagt Jesus: ,,Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (Joh 14,9). Der Vater und der Sohn scheinen für uns konkreter zu sein als der Heilige Geist. Als der Heilige Geist, vom auferstandenen Herrn am Pfingstfest gesandt, auf die Jünger herabkam, waren es menschliche Erfahrungen, in denen der Geist wahrgenommen wurde: Brausen, Sturm, Feuerzungen, reden in fremden Zungen. Schon zu Nikodemus sagt Jesus im Nachtgespräch etwas von der ganz anderen Konkretheit des Geistes, dessen Brausen wir wohl hören, wir aber nicht wissen, woher es kommt und wohin es geht (vgl. Joh 3,7 f.).

Das göttliche Wesen des Heiligen Geistes ruht in der Ewigkeit des dreifaltigen Gottes. Dennoch: Wie der ewige Sohn Gottes in Jesus Christus in die Heilsgeschichte des Menschen gesandt ist, so ist auch der Heilige Geist zu uns gesandt, um als der Geist der Wahrheit, des Lebens und der Liebe im Heilswerk Christi zu wirken. Gemäß der Verheißung Christi wird der Geist der Wahrheit uns in die volle Wahrheit führen; der Geist wird nicht von sich aus reden, sondern was er hört, wird er reden und das Kommende uns verkünden. Der Geist wird Christus verherrlichen; er wird von dem, was Christi ist, nehmen und es uns verkünden (vgl. Joh 16,13 f.).

Der Geist steht in keinem Gegensatz zur Wahrheit Christi; der Geist ist das konkrete ,,Hier" und ,Jetzt" dessen, was Christus uns offenbart: ,,Was mein ist, wird er nehmen und euch verkünden" (Joh 16,14). Der Heilige Geist bringt uns nichts Neues, was im Gegensatz zu Christus stünde; er ist die allzeitige Ubereinstimmung mit der Wahrheit Christi, er verherrlicht Christus. Der Geist, der Christus verherrlicht, erhöht alles und erhellt alles, was der Erlöser dem Menschen gibt. Der Geist wirkt damit gegen alles, was die Wahrheit und Gnade Christi verdunkeln oder kompromittieren könnte, denn er nimmt alles von Christus und verherrlicht dieses in Verkündigung und Leben der Kirche.

Zu allen Zeiten der Kirche gab es auch Mißverständnisse über den Heiligen Geist. Nicht selten betrachtete man das Wesen und Wirken des Geistes als eine chaotische Vielfalt von Meinungen, Irritationen und spirituellen Beliebigkeiten. Diese verwirren und bauen nicht auf, sie geben sich als Liebe aus, ohne den Anspruch von Wahrheit gelten zu lassen. Paulus kannte das Problem des Chaotischen, wenn er den Christen von Korinth schreibt: ,,vor der Gemeinde will ich lieber fünf Worte mit Verstand reden, um auch andere zu unterweisen, als verzückt zehntausend Worte stammeln" (1 Kor 14,19). Es genügt also nicht, den Heiligen Geist mit einem erhebenden Ereignis, mit einem frommen Gefühl der Verzückung oder mit einer Erfahrung von Freiheit ohne Urteil des gebildeten Gewissens zu identifizieren. Das Chaotische, das Emotionale oder das frei Improvisierte beschreiben nicht die Wirklichkeit des Heiligen Geistes.

Der Heilige Geist ist wohl gegenwärtig, wo er wirkt, dennoch entzieht er sich dem Konkreten unserer sinnlichen Erkenntnisfähigkeiten. Wir können nicht sagen: Hier ist der Heilige Geist, hier und jetzt vernehmen wir ihn mit unseren Sinnen. Es trifft zu, was Jesus sagt: ,,Der Wind weht, wo er will, du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist" (Joh 3,8).

Was aber wirkt der Heilige Geist, der nicht sinnlich wie Jesus erfahrbar ist? Im Johannesevangelium sagt Jesus, daß der Geist als Beistand nicht aus sich selbst heraus reden wird; er wird von dem, was Christi ist, nehmen und es uns verkünden (vgl. Joh 16,13 ff.).

Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit, aber er ist der Geist der Wahrheit Christi; der Geist wird nichts sagen, was nicht von Christus und vom Vater ist. Wenn wir das Wirken des Geistes begreifen wollen, geht es um die Verherrlichung des Sohnes Gottes Jesus Christus; niemals kann der Geist etwas anderes sein als die Verherrlichung Christi in Verkündigung. Das Wort ,,Verherrlichung" bleibt jedoch geheimnisvoll und läßt sich nicht erschöpfend in konkreten Taten und Ereignissen beschreiben. Wenn also der Geist in der Kirche Christi wirkt, ereignet sich im geheimnisvollen Leib der Kirche eine einzigartige Übereinstimmung von Christus und Kirche; diese Übereinstimmung ist die Verherrlichung Christi durch den Heiligen Geist in der Kirche.

Wenn wir durch den Heiligen Vater in der Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 nun im Jahr 1998 auf den Heiligen Geist und dessen besonderes Wirken hingewiesen werden, muß es uns irgendwie gelingen, das in der Kirche zur Geltung zu bringen, was Christus durch den Heiligen Geist verherrlicht. Des auferstandenen Herren muß also würdig sein und es muß ohne Grenzen erhellend sein, was der Geist ohne Widerspruch zum Herrn verkündigt, offenbart und als Gericht für Welt und Geschichte abhält.

Der Heilige Geist mit seinen Gaben, die wir als die sieben Gaben des Geistes aufzählen, ist die Gabe schlechthin. Wer diese Gabe empfängt, wird vom Geist erfüllt und muß sich darin verlieren, ohne Lohn und Leistung bei Gott geltend zu machen; er muß sich in Liebe verlieren und damit der größten Wirklichkeit teilhaft werden. Was nicht aus Liebe geschieht und nicht in der Liebe zu Gott steht, kann nicht die Verherrlichung Christi sein, die von Christus nimmt und verkündet, was Christi ist.

Normalität und menschliche Gewöhnlichkeit sind oft die Parameter der Christen, die in der Gemeinschaft der Kirche leben. Wenn es aber etwas Göttliches gibt, das in der Kirche belebt und begnadet, dann muß es Verherrlichung Christi sein, die der Geist in der Kirche wirkt: Die Wahrheit des Geistes ist die Wahrheit Christi; die Liebe des Geistes ist die Liebe Christi, die uns drängt und treibt; der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an und tritt für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können; der Geist selbst bezeugt unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind. All das und vieles andere ist Verherrlichung Christi durch den Geist. Das Gemeinsame all dessen, was Verherrlichung durch den Geist ist, ist eine Grenzenlosigkeit, die wahrhaft unendlich ist und immer schon, vom Anfang bis zum Ende, vollkommen und göttlich ist.

Es ist uns Menschen eigen, zu wachsen und vollkommener zu werden; unsere menschliche Bekehrung und Heiligung ist ein oft langsamer Weg aus der Sünde bis hin zur Schau Gottes. Der Mensch aber, dem aus den Sakramenten der Erlösung die göttliche Gabe des Geistes zuteil wird, empfängt immer schon das Unendliche, das Ganze und das Vollkommene. Selbst wenn wir Menschen noch weit vom Ganzen des Heils entfernt sind, ruht dennoch alles, was in uns erlöst, geheiligt und erhoben werden soll, in der Verherrlichung Christi durch den Geist von Ewigkeit her sowie in der ewigen Macht und Güte Gottes. Bis zum Tag unserer Rettung im Gericht Gottes besitzen wir die ,,Geist-Gabe Gottes" nur als ,,Vor-Gabe", an der wir unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe messen und entfalten.

Der Geist Gottes in uns weist immer auf Christus, um Christus zu verherrlichen. Die Kirche kann nie den Geist gegen Christus und seine Wahrheit geltend machen. Verwirrung, Streit, Lieblosigkeit, Rechthaberei, Irrtum und Lauheit in der Kirche sind nicht das Geschenk des Geistes und dürfen niemals von sich behaupten, daß durch solchen Ungeist Christus verherrlicht wird.

Wir haben nicht einen Geist empfangen, der uns zu Sklaven macht, sodaß wir uns immer fürchten müßten; wir haben den Geist empfangen, der uns zu Söhnen macht; es ist der Geist, in dem wir rufen: Abba, Vaterl (vgl. Röm 8,15).

Herrlich, verherrlicht und verherrlichend soll alles in unserer Kirche sein, in der der Heilige Geist uns alles lehrt, was Christus uns gesagt hat.


Jahrbuch der Diözese St. Pölten
herausgegeben und verlegt vom Bischöflichen Pastoralamt der Diözese St. Pölten, Klostergasse 15, A-3101 St. Pölten
Preis ATS 60.-


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 13.02.1998.

 

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