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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

JUNGE FREIHEIT, 49/01, 30. November 2001

„Das Zeugnis bis zum Tod gehört zum Christentum“
Bischof Kurt KRENN über den religiösen Dialog,
innerkirchliche Erneuerung und Tagespolitik

 

Herr Dr. Krenn, nach dem 11. September wird immer wieder betont, daß der Terror im Prinzip nichts mit dem Islam zu tun habe. Teilen Sie diese Meinung?

Krenn: Nein! Ich teile diese Meinung nicht, weil ich glaube, daß es der Religion des Islam immanent ist, daß man anders agiert, auch politisch.

Wie kann es dann sein, daß bis in die oberste Hierarchie der Kirche hinein immer von der Friedfertigkeit des Islam gesprochen wird - der Papst hat am 14. Mai 1999 sogar öffentlich den Koran geküsst?

Krenn: Das habe ich nicht gesehen. Aber auch der Kuß heißt nicht, daß man den Koran deswegen übernehmen sollte. Wir sind als Christen schließlich wesentlich älter als der Islam, allerdings nicht so alt wie die jüdische Religion. Wie gesagt, ich weiß nicht, ob er ihn geküßt hat, aber wenn ja, dann weiß ich das zu verstehen. Ich weiß auch, daß der Papst in keiner Weise dogmatisch oder theologisch dem Islam zuneigt.

Nun wird aber auch immer gesagt, Christentum, Judentum und Islam seien monotheistische Religionen bzw. Brüder aus einer abrahamitischen Wurzel. Ist diese Sicht nicht eine grobe Vereinfachung der vorhandenen Unterschiede?

Krenn: Das ist in der Tat eine Vereinfachung, die aus politischen Motiven  praktiziert wird. Ich glaube, daß es derselbe Gott ist, den sie verehren und den wir verehren, aber es ist nicht der gleiche Gott. Wir verehren ja nicht irgendeinen, sehr erhabenen Gott, sondern einen Gott, der Mensch geworden ist, den dreifaltigen Gott. Gott ist letztlich immer derselbe, er läßt sich von uns Menschen nicht verändern oder verkaufen. Aber, wie gesagt, es ist nicht der gleiche Gott, zu dem wir beten. Sobald wir fragen, wer denn die Wahrheit über Gott sagt, beanspruchen wir Christen sehr wohl, daß wir den wahren Gott verkünden.

Nach dem 11. September hört man auch Stimmen, die sagen, der Westen könne ja den Islam bzw. die Menschen, die für ihren Glauben sterben, nicht verstehen, weil wir so sehr säkularisiert sind. Wir können nicht verstehen, daß man für seine Religion freiwillig in den Tod geht. Fehlt uns für die Beurteilung des Islam nicht die „gleiche Augenhöhe“?

Krenn: Das Zeugnis bis zum Tod gehört auch zum Christentum. Auch wir müssen im Ernstfall unser Leben hingeben; nur geben wir es nicht  leichtsinnig hin. Und mancher wird auch nicht stark genug dazu sein – der Schwache braucht dann Barmherzigkeit. Wir sind in dieser Frage keine Fanatiker, aber ernsthafte Zeugen, wenn es sein muß – auch bis in den Tod.

Im Kontrast zum aggressiven Islam spricht man auch von der Krise der Kirche. Sind die Christen zu schwach zum Gegenhalten, bzw. wird der Isalm in einigen Jahrhunderten auch so „handzahm“ sein wie das Christentum?

Krenn: Das kann ich nicht sagen, und ich möchte auch keine Kritik an den Muslimen üben, aber sobald der Islam sich an alle Menschen wendet, die Menschenrechte oder das Naturrecht mißachtet, müssen wir etwas dagegen sagen.

Es gibt Katholiken, die der Auffassung sind, daß die Menschenrechte und der Ökumenismus die Kirche zahnlos gemacht haben. Auch bei der vergangenen Bischofssynode in Rom sprach Kardinal Meisner von den Gefahren einer „Selbstsäkularisation“ (JF 47/01) – offenbar scheinen viele Gläubige das Heil in einem profillosen Relativismus zu sehen?

Krenn: Es gibt natürlich immer die Gefahr, daß man den Glauben nicht mehr ernsthaft sieht und bedenkt; und als Menschen sind wir natürlich immer dadurch gefährdet. Aber die katholische Kirche als Institution ist so getragen, daß sie in wesentlichen Dingen nicht irren kann. Christus hat uns den Heiligen Geist verheißen, so daß wir trotz mancher Irrtümer  einzelner Menschen in der Lage sind, das Richtige zu sehen, zu sagen und zu fordern.

Nicht wenige behaupten, die aktuelle Krise der Kirche hängt unmittelbar mit den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–65) zusammen. Ist bei dem Konzil zu viel „reformiert“ worden?

Krenn: Es ist eine Tatsache, daß die Kirche momentan nicht gut aussieht, aber die Schuld besteht nicht darin, daß wir das Zweite Vaticanum gehabt haben, sondern darin, daß wir uns nicht bekehrt haben aufgrund des Konzils. Es gehört zu dem Selbstwiderspruch der Kirche, daß sie ein wichtiges Konzil hatte, es aber nicht genützt hat. Die Berufung auf das Konzil heißt nicht, daß man es auch verstanden hat – denn viele berufen sich darauf, meinen aber eigentlich nur sich selber und ihre eigene Großartigkeit.

Neuerungen hat es aber trotzdem gegeben, denken wir zum Beispiel an den „Volksaltar“, der von traditionalistischen Kreisen als Ausdruck eines „Anthropozentrismus“ gedeutet wird.

Krenn: Es gibt natürlich überall Verrückte, sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite. Der Volksaltar ist von der Kirche nie vorgeschrieben worden, aber man hat es dem Priester freigestellt. In meiner Diözese gibt es auch nicht überall Volksaltäre, und ich werde nie sagen, daß man das unbedingt ändern muß. Wir machen uns lächerlich, wenn wir eine solche Frage in eine Höhe heben, die sie nicht verdient.

Ist aber nicht die Heilige Messe ein ganz zentraler Punkt im Glauben?

Krenn: Das schon, aber die heilige Messe ist dieselbe gnadenvolle Messe, egal ob wir mit dem Rücken zum Volk zelebrieren oder ihm zugewandt sind. Das hat mit dem, was in der Messe eigentlich geschieht, nicht so viel zu tun. Der Volksaltar – sogar die ganze Liturgie – ist eine Hilfe für den Glauben der Menschen, aber er ist kein Sakrament; und auch der Hochaltar ist es nicht. Wenn man den Glauben nicht mehr so richtig versteht, hängt man an Kleinigkeiten, und die Frage nach dem Volksaltar ist so eine rechthaberische Kleinigkeit. Aber auch mit ungeduldigen Menschen wollen wir geduldig sein.

In der Kirche gibt es zwei große Fraktionen. Den Progressiven gehen die Reformen nicht weit genug: sie wollen den Primat des Papstes abschwächen, die Ortskirchen stärken und am liebsten das Zölibat abschaffen. Die Traditionalisten, zum Beispiel die „Petrus“- oder „Piusbruderschaft“, wollen die Reformen mehr oder weniger rückgängig machen. Ist es richtig, daß besonders Letztere großen Zulauf haben?

Krenn: Das kann ich nicht genau sagen, aber sie haben Zulauf, weil die linke Seite, die Progressiven, keine Früchte trägt. Ich bin überhaupt kein Freund der Progressiven, aber das heißt noch lange nicht, daß ich irgendwo „Parteimitglied“ sein muß. Meine Aufgabe als Bischof ist die Einführung in den katholischen Glauben, ich muß den Glauben bewahren, und daher muß ich auch manchmal dem einen oder anderen unangenehme Wahrheiten sagen.

Was halten Sie von Erzbischof Lefebvre und seiner „Priesterbruderschaft hl. Pius X.“?

Krenn: Lefebvre hat sicher etwas Gutes gewollt. Er war aber ungehorsam. Ich hoffe, daß wir mit seinen Anhängern wieder in Einheit zusammenkommen. Sie glauben, die besseren Katholiken zu sein.

Ist demnach die Piusbruderschaft schismatisch?

Krenn: Das hat das päpstliche Dokument über Lefebvre festgehalten, als es von „schismatischen Akten“ sprach. Ich habe momentan keinen Anlaß, irgendjemanden als Schismatiker zu bezeichnen. Das gilt auch für die Piusbruderschaft und für die Menschen, die dort Hilfe suchen. Wenn man allerdings dem Papst auf Dauer nicht gehorcht und Akte setzt, die ihm vorbehalten sind, dann ist das schismatisch. Aber, wie gesagt, ich hoffe, daß wir über diesen Streit hinwegkommen, und zur Zeit sind die Aussichten gar nicht so schlecht, daß es eine Versöhnung gibt.

Nochmal zur Tagespolitik: In einem Interview am 1. November mit dem Deutschlandradio sagte der Grünen-Politiker Volker Beck auf die Frage, ob man „passive Anhänger von militanten islamischen Organisationen hierzulande dulden“ müsse, daß man auch „problematische Organisationen, zum Beispiel das Opus Dei in der katholischen Kirche“, dulde. Kann man das Opus Dei mit islamischem Extremismus vergleichen?

Krenn: Nein! Die Aussage ist eine typisch grüne Dummheit. Das Opus Dei ist eine Organisation, die sehr viel Gutes tut, das sind keine Extremisten. Das kann nur einer sagen, der die Kirche nicht von innen kennt.

Österreich wird seit Amtsantritt der schwarz-blauen Regierungskoalition von liberalen Kreisen stark beargwöhnt. Von konservativen Österreichern hört man immer mal wieder, daß die FPÖ gar keine christliche Partei sei, sondern eine neoliberale Politik verfolge?

Krenn: Die politische Konstellation ist nun so, daß es ein nationales Element gibt und ein christlich-bürgerliches. Es sind gute Leute, und ich meine, sie machen ihre Aufgabe ganz passabel. Aber auch vorher war die Politik gegenüber der Kirche nicht schlecht. Letztlich kann das Volk immer wieder bestimmen, wer regieren soll, und ich kann nur hoffen, daß die anderen Europäer sich dabei nicht einmischen.

Interview: Alexander Barti


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 12.12.2001.

 

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