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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

   

"De Spiritu Sancto"
Vortrag im Rahmen der Reihe "Maria im Advent"
im Sommerrefektorium des Bistumsgebäudes St. Pölten
am 15. Dezember 1997

 

Am 18. Mai, dem Pfingstfest des Jahres 1986, veröffentlichte Papst Johannes Paul II. seine fünfte Enzyklika. Diese Enzyklika gibt sich das Thema "De Spiritu Sancto in Vita Ecclesiae et Mundi" und beginnt mit den Worten aus dem Nicaeno -Constantinopolitanischen Glaubensbekenntnis "Dominum et Vivificantem" (im folgenden abgekürzt: DeV), die sich in diesem Glaubensbekenntnis auf Gott, den Heiligen Geist, beziehen.

Bereits zu Beginn weist Johannes Paul II. auf den besonderen Zusammenhang dieser Enzyklika mit den Enzykliken "Redemptor hominis" und "Dives in misericodia" hin; ebenso will er eine besondere und vertiefende Beziehung zu den Texten des II. Vatikanischen Konzils herstellen, um im Heiligen Geist die dynamische Kraft der Erneuerung der Kirche darzustellen und in das Geheimnis des dreifaltigen Gottes immer tiefer einzudringen (vgl. Nr. 2). War das Eingehen auf die göttliche Person des Heiligen Geistes in der Geschichte der Theologie bisher eher die Anstrengung nach Art der theologischen Spekulation, sieht DeV die Aufgabe etwas anders: Es geht weniger um die Lösung einer letztlich doch unlösbaren Frage, mit der sich der menschliche Verstand erfolglos abquält; d.h., die Frage des Deus unus und Deus trinus wird in ihrer Problematik nicht in den Vordergrund gestellt. Eine erste Antwort auf die wesentliche Zielsetzung der Enzyklika gibt DeV so: "Auf diese Weise gibt die Kirche auch Antwort auf gewisse tiefe Anliegen, die sie im Herzen der Menschen von heute zu erkennen glaubt: eine neue Entdeckung Gottes in seiner transzendenten Wirklichkeit als unendlicher Geist, wie Jesus ihn der samaritanischen Frau kundtut; die Notwendigkeit, ihn 'im Geist und in der Wahrheit' anzubeten; die Hoffnung, in ihm das Geheimnis der Liebe und die Kraft zu einer 'neuen Schöpfung' zu finden: Ja, es geht genau um denjenigen, der das Leben schenkt ... Natürlich wollen die folgenden Betrachtungen die überaus reiche Lehre vom Heiligen Geist nicht vollständig ausschöpfen noch irgendeine Lösung für noch offenstehende Fragen begünstigen. Sie beabsichtigen in erster Linie, in der Kirche das Bewußtsein dafür zu entwickeln, 'daß sie im Heiligen Geist angetrieben wird, mitzuwirken, daß der Ratschluß Gottes, der Christus zum Ursprung des Heils für die ganze Welt bestellt hat, tatsächlich ausgeführt werde'" (Nr. 2)

"Gott ist Geist"; dieser Satz kann auch von der philosophierenden Vernunft des Menschen ausgesprochen werden, ohne daß unbedingt auf die göttliche positive Offenbarung dabei zurückgegriffen werden müßte. "Geist" bedeutet auch für die philosophierende Vernunft eine "Vollkommenheit in Einfachheit" (perfectio simplex) und kann als zusammenfassender Ausdruck dessen gelten, was wir damit ausdrücken, wenn wir sagen, daß Gott Erkenntnis und Wollen auf ganz besondere Weise ist, daß in Gott das vollkommene Wissen von sich selbst und von den Dingen besteht, daß Gott die Wahrheit ist, daß Gott in voller Freiheit seinen Willen vollzieht, daß Gott zum Guten in vollkommener Liebe steht. Erkennen, Wahrheit, Wissen, Freiheit, Wollen, Lieben u.a. können auch von der Vernunft in der einen und ungeschiedenen Wirklichkeit Gottes als "Geist" bezeichnet werden. Im Verhältnis der vernunfthaft vollziehbaren Analogie kann auch jene Vernunft von Gott als Geist sprechen, die noch nichts von der eigenen Wirklichkeit Gottes, des Hl. Geistes, vernommen hat. So ergibt sich auch für die Theologie im Umgang mit Gott als Geist eine sichere Gemeinsamkeit und ebenso ein Unterschied, was den Umgang mit dem Deus unus und Deus trinus betrifft: Eine sichere Gemeinsamkeit besteht darin, daß es derselbe Gott ist, den wir den einen Gott und Schöpfer der Welt nennen, den wir aber auch als die göttliche Person des Heiligen Geistes glauben; ebenso jedoch besteht ein unaufhebbarer Unterschied darin, daß es der Vernunft grundsätzlich verwehrt ist, die Wirklichkeit des Heiligen Geistes als göttliche Person aufzudecken oder als einen natürlichen Gegenstand der menschlichen Vernunft zu begreifen. Im Verhältnis von Glaube und Vernunft legt das I. Vatikanische Konzil einen "duplex ordo cognitionis non solum principio sed obiecto distinctus" verbindlich fest. In diesem Sinn gibt es einerseits den Ursprung der Vernunft, der Erkenntnis aus der Vernunft, und andererseits den Ursprung aus der "fides divina", und bezüglich des Objekts ist manches für die natürliche Vernunft erreichbar, anderes wiederum kann uns nur auf dem Weg der göttlichen Offenbarung kundgetan werden und braucht den Glauben des Menschen als an ein in Gott verborgenes "Mysterium" (vgl. DS 3015).

Jene Wirklichkeit also, die mit Gottes Sein und Handeln zu tun hat, muß somit grundsätzlich und immer in den Möglichkeiten und Grenzen dieser doppelten Erkenntnisordnung angenommen und begriffen werden. Wohl kann die natürliche menschliche Vernunft, vom Glauben erhellt, mit redlicher Mühe und mit Gottes Gnade eine gewisse "mysteriorum intelligentia", die sehr fruchtbringend ist, erreichen: dafür sind sodann die analoge Anwendung und Übertragung dessen, was die Vernunft natürlicherweise erkennt, wie auch der Zusammenhang der Mysterien unter sich, wie auch das letzte Ziel des Menschen im Zusammenhang mit den Mysterien jene Wege, die eine gewisse vernunfthafte Einsicht gestatten. Dennoch versetzen diese Möglichkeiten der "mysteriorum intelligentia" die menschliche Vernunft niemals in die Lage, diese Mysterien als solche Wahrheiten zu durchschauen, die gleichsam das eigene und angemessene Objekt der natürlichen Vernunft wären. Und so bekräftigt das I. Vatikanische Konzil, daß die göttlichen Mysterien vom Schleier des Glaubens verdeckt und gleichsam von einer gewissen Dunkelheit umhüllt bleiben, solange wir in diesem sterblichen Leben glaubend und nicht schauend wandeln (vgl. DS 3016).

Dieses grundsätzliche Verhältnis von Vernunft und von einer besonderen Wirklichkeit der göttlichen Mysterien schließt mit Sicherheit das Mysterium des dreifaltigen Gottes und der göttlichen Personen, auch des Heiligen Geistes, als einen solchen Fall von theologischer Reflexion und auslegender Verkündigung ein. Damit steht auch eine Enzyklika über den Heiligen Geist in dieser grundsätzlichen Problematik, deren Chancen und Unaufhebbarkeit das I. Vatikanische Konzil festlegt. So wird z.B. eine darstellende Beziehung zum Heiligen Geist bezüglich jener Wahrheiten über den Menschen, die eine natürlich erkennende und auch eine glaubende Vernunft im zugeordneten Seinsbereich der Vernunft ausmacht, voll dem Vorbehalt des Mysteriums unterworfen bleiben. Das heißt, das, was die Vernunft erkennend oder glaubend über den Menschen ausmacht, kann auf das göttliche Mysterium des Heilgen Geistes nur nach den besagten Regeln der "mysteriorum intelligentia" bezogen werden. Aber auch das Erläutern, Erhellen, Anwenden oder Verbinden einer geoffenbarten Glaubensaussage in sich oder im Zusammenhang mit anderen geoffenbarten Aussagen unterliegt jener grundsätzlichen Grenze und Unerhellbarkeit des Mysteriums, von der das I. Vatikanische Konzil (vgl. DS 3016) verbindlich spricht. So bleibt auch eine Enzyklika über den Heiligen Geist auf jene Ebene festgelegt, in der Gott als der Deus "unus" in einer größeren Nähe zur theologischen Reflexion steht als Gott in seiner geheimnisvollen Wirklichkeit als der Deus "trinus". Damit kann die theologische Reflexion jener Aussage des XVII. Ökumenischen Konzils von Florenz (Decretum pro Jacobitis) gerecht werden: "... Hae tres personae sunt unus Deus, et non tres dii: quia trium est una substantia, una essentia, una natura, una divinitas, una immensitas, una aeternitas, omniaque sunt unum, ubi non obviat relationis oppositio" (DS 1330). Somit liegen auch die theologischen Reflexionen über den Hl. Geist immer zunächst in der Zuordnung zu Gott als Deus "unus", sodaß die besonderen Aussagen zur besonderen göttlichen Person des Hl. Geistes immer dieser Konzilsregel der "relationis oppositio" folgen müssen, ehe eine theologische Reflexion von der Ebene des Deus "unus" zu jener des Deus "trinus" fortschreiten will. Dieser Vorweis der "relationis oppositio" bezieht sich natürlich auch auf die göttliche Person des Sohnes und auf den ganzen Bereich der Christologie.

Allerdings scheinen die Möglichkeiten der theologischen Reflexion in der Lehre von der göttlichen Person des Sohnes und seiner Menschwerdung der theologietreibenden Vernunft leichter verfügbar zu sein als im Bereich der besonderen Wirklichkeit und Wirksamkeit des Hl. Geistes. Es scheint, daß nur der menschgewordene Sohn Gottes Jesus Christus irgendwie in den Bereich der menschlichen, geschichtlichen, konkret benennbaren und eindeutig feststellbaren Erfahrung eingetreten ist. Die ungleich stärkere Mühsal der theologischen Reflexion über den Hl. Geist scheint von der Not geprägt zu sein, daß eine ähnliche Vergegenständlichung der theologischen Reflexion wie in der Christologie nicht möglich ist. So mögen die Formen der bisherigen Theologie des Hl. Geistes oft eher wie fromme Ahnungen oder wie disparate und in ihrer Ganzheit nicht durchschaubare übernatürliche Behauptungen erscheinen. Während in der Christologie die Größe "Mensch" als eine unbedingt mit Gott und mit der göttlichen Person des Sohnes verbundene und notwendige theologische Darstellungsebene gelten darf, scheint die theologische Reflexion bezüglich des Hl. Geistes noch nicht zu einer solchen ganzheitlichen und benennbaren Darstellungsebene vorgedrungen zu sein. Während in der Christologie im "homo perfectus" Jesu Christi eine unzweifelhafte Ganzheit göttlicher Wirklichkeit feststeht, wird die Wirklichkeit des Hl. Geistes vornehmlich in den vermuteten oder festgestellten "Wirkungen" des Wirkens des Hl. Geistes, z.B. Erleuchtung, Führung, Wissen, gesucht. Für die theologische Reflexion über den Hl. Geist scheint es ausgeschlossen zu sein, einen ähnlich sicheren Bezugspunkt zu finden wie ihn die Christologie in der Menschheit hat, die in Geschichte und Erfahrbarkeit völlig eingebettet ist und in der unio hypostatica ein völlig unzweifelhaftes Verhältnis zur Wirklichkeit der göttlichen Person des Sohnes gleichzeitig besitzt. Die Crux in einer theologischen Reflexion über den Hl. Geist liegt darin, daß der Hl. Geist in seinen Wirkungen kaum als eine benennbare Ganzheit auszumachen ist und daß seine Wirkungen in den Geschöpfen so vermittelt und vereinzelt sind, daß sie in ihrer Göttlichkeit nur sehr schwer von den Geschöpfen unterscheidbar und abhebbar sind. Das göttliche "Du" gelingt dem begnadeten Menschen in und durch Jesus Christus wesentlich erfahrbarer als im Bewegtwerden des Menschen durch den Hl. Geist.

So jedenfalls erscheint es als Zustand der theologischen Reflexion, die im Umgang mit dem "Logos" als wesentlich kundiger erscheint als im Umgang mit dem "Pneuma". Abstrakt und grundsätzlich gesprochen, kann man sicher behaupten, daß eine gewisse Unkundigkeit bezüglich des Hl. Geistes ein Problem auf seiten des glaubenden und erkennenden Menschen und nicht ein Mangel in der besonderen Wirklichkeit der göttlichen Person des Hl. Geistes ist; die Frage bezüglich einer Fortentwicklung der Theologie des Hl. Geistes ist somit die Frage nach Zusammenhängen und nach einer Ganzheit, die eine benennbare Identität und Gegenständlichkeit des Wirkens des Hl. Geistes für die glaubende und theologisch reflektierende Vernunft gewährt. Sosehr es zunächst darum gehen mag, dem Wirken des Hl. Geistes in seinen vielfachen Vereinzelungen nachzuspüren, sosehr wird es letztlich darum gehen, den Hl. Geist in seiner göttlichen "Transzendenz" zu erfassen. Wie niemand Jesus wahrhaft erkennt, wenn er nicht den Vater und wenn er nicht Gott erkennt, so wird auch niemand der Wahrheit des Hl. Geistes gerecht werden, wenn er nicht im Hl. Geist den menschgewordenen Gottessohn und den ewigen Vater erkennt.

Dieser Aufgabe stellt sich die Enzyklika über den Hl. Geist und legt sich damit die Last auf, eine theologische Mitte zu entwickeln, in der das Vater- und Sohn-Verhältnis zum Hl. Geist von der gleichen Substantialität ist als das theologisch ausgefaltete Vater-Sohn-Verhältnis. Man kann durch Zitation vieler Schriftstellen viel vom Hl. Geist sagen und dennoch auf der Stufe einer Geistigkeit stehen bleiben, die nichts Wesentliches an unser Zeitbewußtsein und an die Wahrheitserkenntnis der Theologie im allgemeinen vermittelt. Die bloße Zitation und emphatische Behauptung bezüglich des Hl. Geistes hat also ihre schnell durchschaubaren theologischen Grenzen; denn diese Vorgangsweise entzieht sich der Rechenschaft bezüglich der besonderen und eigentlichen Wirklichkeit des Hl. Geistes. Und es trifft sicher nicht die Wirklichkeit des Hl. Geistes, wenn im bloßen skripturistischen Zitieren sogar jene Frage unbeantwortet bleibt, ob der Hl. Geist vielleicht nur ein geschichtlicher "Modus" der Schöpfung und der Erlösung ist. Auch der Hl. Geist verlangt in der Theologie nach seiner "Wirklichkeit" nun in dem Maß, sodaß bloßes Zitieren der Schrift oder bloß chronologisches Aneinanderfügen der Schrifttexte nicht mehr der im Glauben der Kirche erkannten Wirklichkeit des Hl. Geistes gerecht wird. Und wollte man die Lehre vom Hl. Geist wieder ausschließlich der Schriftzitation zuordnen, wäre dies ein unstatthaftes und anachronistisches Zurückgehen hinter die verbindlich entfaltete Glaubenslehre der Kirche, vor allem der ersten Ökumenischen Konzilien. Der dogmatisch und theologisch entfaltete Glaube über den Hl. Geist ist sicherlich nicht einfach eine bloße Generalisierung oder Formalisierung der Schriftaussagen.

Es ist die Eigenart eines jeden dogmatischen Fortschritts, daß jenseits der Einbettung einer Lehre in Schrift und Tradition eine vertiefende Sicht der "Wirklichkeit" des Geglaubten und Gelehrten verbindlich wird, die nun nicht mehr jeden beliebigen Gebrauch der bisherigen Schrift- und Lehraussagen gestattet. Das Wirken und die Wirklichkeit des Hl. Geistes darf sodann nicht mehr z.B. wie ein bloßer "Modus" des göttlichen Handelns in der Schöpfung und Erlösung dargestellt werden; ohne Zweifel wäre ein "Modalismus" jener plausible Weg, der der Theologie viel weniger Mühe bereiten würde. Die von der Kirche ergründete und festgelegte Wirklichkeit des Hl. Geistes steht jedoch nicht im "Modus", sondern in der trinitarischen Person. Daher heißt es im dogmatischen Glauben der Kirche immer wieder: der Vater ist nicht der Sohn oder der Hl. Geist, der Sohn ist nicht der Vater oder der Hl. Geist, der Hl. Geist ist nicht der Vater oder der Sohn; der Vater ist nur der Vater, der Sohn ist nur der Sohn, der Hl. Geist ist nur der Hl. Geist (vgl. DS 1330). Und schon die frühen Dokumente des trinitarischen Glaubens (Epistolarum fragmenta ad Episcopos Orientales) bekennen vom Hl. Geist: "Spiritum quoque Sanctum increatum atque unius maiestatis, unius usiae, unius virtutis cum Deo Patre et Domino nostro Jesu Christo fateamur. Neque enim creaturae dignus iniuriae est, qui emissus est, ut crearet, sicut propheta sanctus adstruxit dicens: 'Emitte Spiritum tuum et creabuntur' [Ps 103,30]. Deinde alius item posuit: 'Spiritus divinus, qui fecit me' [cf. Iob 33,4]. Non enim separandus est divinitate, qui in operatione ac peccatorum remissione conectitur" (DS 145). Damit ist auch das Eingehen des Hl. Geistes auf die Schöpfung und Erlösung nicht ein bloß geschichtlicher Modus von begnadeter Geschöpflichkeit; auch der Hl. Geist bewahrt in seinem Wirken die "Transzendenz" der Göttlichkeit und der trinitarischen Person.

Sicherlich bleibt die theologische Aussage in ihrer Richtigkeit, wenn das Handeln des dreifaltigen Gottes in das "Außen" der Geschöpflichkeit als das Handeln eines einzigen Prinzips festgehalten wird. Darüber hinaus jedoch werden bestimmte Verhältnisse und Handlungen den einzelnen trinitarischen Personen wohl nicht als "proprietates", jedoch als "appropriationes" zugeordnet; so wird dem Hl. Geist unter anderem die besondere Liebe und Güte des Handelns, die Vollendung der Heiligungswerke der Seele oder die Einwohnung in den Gerechten in der Weise solcher "appropriationes" zugesprochen. Aber auch eine solche theologische Sprachregelung, die den dreifaltigen Gott als das eigentliche und eine Prinzip des göttlichen Handelns gegenüber der Geschöpflichkeit beachtet, muß dennoch nach einem Grund dafür suchen, daß gewisse charakteristische Bestimmungen und Handlungen bevorzugt dem Vater, dem Sohn, dem Hl. Geist zugeordnet werden. Leo XIII. stellt diese Frage in seiner Enzyklika vom Hl. Geist "Divinum illud munus" so dar: "Aptissimeque Ecclesia ea divinitatis opera, in quibus potentia excellit, tribuere Patri, ea, in quibus excellit sapientia, tribuere Filio, ea, in quibus excellit amor, Spiritui Sancto tribuere consuevit" (DS 3326). Selbstverständlich ist zu beachten, daß alle Taten Gottes gegenüber der Geschöpflichkeit "indivisa opera Trinitatis" sind; dennoch gibt es in den Tagen Gottes eine gewisse Vergleichbarkeit und Ähnlichkeit, die gleichsam zwischen den Werken Gottes und den Eigenschaften der einzelnen göttlichen Personen besteht. Leo XIII. zitiert Thomas von Aquin (S.Th. I, q.39 a.7), der diese Übertragung geschöpflicher Ähnlichkeit auf das Besondere der einzelnen trinitarischen Personen so rechtfertigt: "Sicut similitudine vestigii vel imaginis in creaturis inventa, utimur ad manifestationem divinarum Personarum, ita et essentialibus attributis; et haec manifestatio Personarum per essentialia attributa appropriatio dicitur" (DS 3326). Was daraus für die besondere Wirklichkeit des Hl. Geistes resultiert, wird so beschrieben: "Spiritus vero Sanctus idem est omnium rerum causa ultima, eo quia sicut in fine suo volunta lateque omnia conquiescunt, non aliter ille, qui divina bonitas est ac Patris ipsa Filiique inter se caritas, arcana ea opera de salute hominum .. complet et perficit, 'in ipso sunt omnia': in ipso, propter Spiritum Sanctum" (DS 3326).

Ohne Zweifel folgen diese Weisen der "appropriatio", die in irgendeiner Weise das Innere des trinitarischen Tuns jenseits der einen göttlichen Substanz kundtun wollen, dem Ausgang der positiven Offenbarung. Dennoch hält das IV. Laterankonzil gegenüber Versuchen, gewisse Aussagen der Schrift nach Art einer natürlichen Analogie auf die einzelne trinitarische Person zu übertragen, das Erkenntnisprinzip fest: "inter creatorem et creaturam non potest similitudo notari, quin inter eos maior sit dissimilitudo notanda" (DS 806). So sind selbst die Worte der Offenbarung niemals die Legitimation dafür, nach Art einer natürlichen, bloß vernunftgestalteten Analogie in das besondere Wirkliche der einzelnen trinitarischen Personen erkenntnishaft einzudringen. So muß jeder gleichsam aufsteigende Versuch der theologischen Reflexion zum "An-sich" der einzelnen göttlichen Personen scheitern. Was jedoch der theologischen Reflexion nicht verwehrt ist, ist das immer geeintere Begreifen des Wirkens der göttlichen Person in der Schöpfung und, vor allem, im Menschen. Einen solchen Weg hat die Theologie z.B. in der Menschwerdung des Sohnes Gottes und der Christologie beschritten: In Christus ist gleichsam jene tragende Identität gefunden, die alles göttliche Tun in Schöpfung und Erlösung in einer "geschöpflichen Ganzheit" verstehen läßt. Liegt nicht die Fortentwicklung einer Theologie und Glaubenslehre des Hl. Geistes in einer ähnlichen Richtung? Bedarf nicht auch das Wirken des Hl. Geistes einer geschöpflichen Ganzheit, die eint und offenkundig macht, worin der Hl. Geist uns geschenkt ist?

Wenn man also fragt, in welchem Sinn eine Theologie und Glaubenslehre über den Hl. Geist weiterführbar und entfaltbar sei, so liegen die Chancen dafür nicht so sehr in der Erforschung eines immer dunkel bleibenden Glaubensmysteriums an sich, sondern vielmehr in jenem Bereich, der der Bereich der Geschöpflichkeit, der Geschichte, der Erfahrung, der Kirche und des Menschen ist. Man muß auch beachten, daß nicht die Theologie es ist, die das Wirken des Hl. Geistes ermöglichen oder legitimieren müßte; es ist vielmehr umgekehrt: eine wahre Theologie des Hl. Geistes ist das bestmögliche Wahrnehmen jenes besonderen und unverwechselbaren Offenkundigseins des Hl. Geistes in seinem Wirken. Man kann etwas übertrieben sagen, daß der Hl. Geist in der Kirche und Welt wirklich ist, ob es eine Theologie gibt oder nicht gibt. Es gehört jedoch zum Wesen des Hl. Geistes, offenkundig zu sein und damit jede gestaltende Kraft des Glaubens und der Vernunft des Menschen zur lebendigen Wahrheit herauszufordern, auch zur Theologie und Lehre des Glaubens. Und damit ist dann doch Theologie und Glaubenslehre wieder eine Notwendigkeit des Hl. Geistes, die sich in der wahrheitsgemäßen Gestaltung der Vernunft und der Glaubenslehre als etwas erfüllt, worauf sich das Wirken des Hl. Geistes in eine geschöpfliche Welt hinein ausspricht, in deren Mitte der Mensch als geistbegabte Person steht. So gehört es zum Geheimnis des Wirkens des Hl. Geistes, daß es eine dem Menschen offenkundige Wahrheit ist, in der des Hl. Geistes Wirken seine Wirklichkeit ist. Der Hl. Geist wirkt nichts in Gleichgültigkeit, sodaß nichts vom Wirken des Hl. Geistes auch ins Leere, Zufällige, Unvollkommene oder Verkehrte gehen könnte. Der Hl. Geist ist die totale Herausforderung Gottes zur "Erfüllung", die nur im Ganzen, im Vollkommensten, im Unüberbietbarsten als "Erfüllung" wirklich sein kann.

Solange also die Theologie dieser Wirklichkeit der absoluten Erfüllung nicht gerecht werden kann, bleibt der Hl. Geist eher ein bloßes Instrument der gnadenhaften Vorgänge und eine disparate Wirklichkeit, deren viele Bilder sich nicht zu einer Ganzheit fügen. So gehört es zum erfüllenden Wirken des Hl. Geistes, daß es nicht viele einzelne, ungeordnete und unbezogene Wirkungen sind, in denen die Offenkundigkeit des Geistes ausgeschöpft werden soll; es gehört vielmehr zur "erfüllten" Wirklichkeit des Hl. Geistes, daß seine Wahrheit nicht in der geschöpflichen Vielheit der Wirkungen, sondern in einer "geschöpflichen Ganzheit" besteht; diese geschöpfliche Ganzheit wiederum muß das Proprium jenes Geschöpfes sein, in dem sich die Schöpfung erfüllt hat, nämlich des Menschen. So ist die geschöpfliche Ganzheit, in der sich das Wirken des Hl. Geistes gleichsam erfüllt, nicht etwas bloß "Theoretisches", zu dem eine theologische Reflexion vordringen kann oder auch nicht. Es ist das Erfüllende des Hl. Geistes selbst, das im glaubenden und denkenden Menschen selbst diese geschöpfliche Ganzheit fordert, in der der Geist der Wahrheit in "menschenwürdiger Weise" als Wahrheit bestehen und wirken muß.

Der Hl. Geist, der die "Herausforderung" Gottes zur Erfüllung in allem ist, kann nicht gleichgültig in dem sein, wie seine Offenkundigkeit die Wahrheit für den Menschen ist. Die dem Menschen offenkundige Wahrheit des Hl. Geistes und über den Hl. Geist muß aus dem Wesen des Hl. Geistes heraus ihre erfüllteste Gestalt haben, d.h. die Gestalt einer geschöpflichen Ganzheit haben. Dies bedeutet jedoch nicht, in das freieste Wirken des Hl. Geistes eine vom Geschöpf abhängige Notwendigkeit hineinzutragen; denn es gehört nicht zur Freiheit des Hl. Geistes Gottes, etwas Unerfülltes und weniger Vollkommenes zu tun. Die Freiheit des Hl. Geistes geht andere Wege im geschöpflichen Menschen: Wege der unbedingten Erfüllung, die sich darin erfüllen, den Menschen im tiefsten zu durchdringen, den Menschen so zuinnerst zu verwandeln, daß der Hl. Geist dabei in voller Wahrheit jene Erfüllung ist, in der er ganz und wesentlich "donum et amor" ist. Die "Freiheit" und "Erfüllung" des Hl. Geistes haben ihre absolute Übereinkunft in dem, daß der Hl. Geist "donum" ist. "Donum" ist etwas anderes als bloßer "effectus". Beim "effectus" muß das alte philosophische Axiom mitgedacht werden: "causa est potior effectu"; damit steht der "effectus" nicht in der Vollkommenheit und Erfüllung der "causa", wenngleich zwischen Ursache und Wirkung notwendigerweise ein gewisses Ähnlichkeitsverhältnis nach dem Grundsatz "omne agens agit sibi simile" besteht. Will man also das Verhältnis zwischen "causa" und "effectus" im Handeln Gottes betrachten, so geht es dabei vor allem um die "Transzendenz" Gottes, die den unauflösbaren Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf gegenüber der menschlichen Vernunft gebietet.

Das erfüllende Wirken des Hl. Geistes als "donum" hingegen wendet sich nicht vorrangig jener "Endlichkeit" des Geschöpflichen zu, die eine "Transzendenz" Gottes zu bewahren hat; das "donum" bedeutet vielmehr die "communicatio" Gottes mit dem Menschen im Hl. Geist und strebt jene besondere "Unendlichkeit" im Geschöpf "Mensch" an, die zur Wahrheit der Erfüllung gehört. Sprechen wir also mittels unserer Vernunft von Gott als Schöpfer, so bleibt in der Schöpfung der unaufhebbare Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf das Vorrangige. Sprechen wir jedoch von Gott, dem Hl. Geist, so haben wir alles zu einer Ganzheit zu bringen, worin das erfüllende Wirken des Hl. Geistes zustande kommt; und es gehört zum Wesentlichen des vollkommensten "donum", gleichsam in gnadenhafter Fülle, Vollkommenheit, Unfehlbarkeit und Unendlichkeit das in offenkundige Wahrheit zu stellen, was die Wahrheit des erfüllenden Wirkens des Hl. Geistes ist.

Diesen Präambeln folgend können wir in diesen Text der Enzyklika verstehend eintreten: "Die innige Beziehung mit Gott im Hl. Geist läßt den Menschen auf neue Weise auch sich selber, sein eigenes Menschsein, verstehen. So wird jenes Bild und Gleichnis Gottes voll verwirklicht, das der Mensch seit Anfang an ist. Diese innere Wahrheit des menschlichen Seins muß im Lichte desssen [= Christi], der der Prototyp für das Verhältnis mit Gott ist, ständig neu entdeckt werden und in ihm auch die Wahrheit des 'vollkommenen Sichfindens durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst' zusammen mit den anderen Menschen, wie das II. Vatikanische Konzil schreibt: gerade aufgrund der göttlichen Ebenbildlichkeit, die 'offenbar macht, daß der Mensch ... auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist' in ihrer Würde als Person, die zugleich aber offen ist für die gesellschaftliche Ergänzung und Gemeinschaft. Die konkrete Kenntnis und volle Verwirklichung dieser Wahrheit des Seins erfolgen nur durch das Wirken des Hl. Geistes. Der Mensch lernt diese Wahrheit von Jesus Christus und verwirklicht sie im eigenen Leben durch das Wirken des Geistes, den er selber uns gegeben hat" (DeV 59).

Bereits in diesen wenigen Sätzen der Enzyklika läßt sich jenes besondere erfüllende Wirken des Hl. Geistes erkennen, das gegenüber dem "Sein" und gegenüber der Wahrheit im bloßen Sein gleichsam eine neue Qualität und Wirklichkeit birgt. Es sind viele Worte, viele verschiedene Worte in der Enzyklika, die auf diese Weise das besondere Wirken des Hl. Geistes dartun. Der gemeinsame Grundsinn dieser vielen verschiedenen Worte hat immer etwas mit "Erfüllen" und "Offenkundigsein" eines geheimnisvoll Wirkenden und Verborgenen zu tun. Und dieses Wirken ist so intensiv und so umfassend, daß es mit dem "Sein" selbst wesentlich zu tun hat: "Cognitio autem efficax atque plena huius veritatis circa 'esse' effectio solummodo Spiritus Sancti opera contingunt" (ibid.); dabei ist das Wirken des Hl. Geistes nicht so sehr als etwas zu verstehen, was gewisse neue Seinsbereiche auftut, die bislang unerschlossen, bruchstückhaft oder unerreichbar vorhanden gewesen wären und die durch das Wirken des Hl. Geistes der bisher vorhandenen Wirklichkeit angefügt werden können. Der Begriff von Fülle und Erfüllung durch den Hl. Geist meint etwas anderes: das "Sein" des Geschöpfes, vor allem des Menschen, wird grundsätzlich neu und ganz durchdrungen und gleichsam einem neuen "Bestand" zugeführt, der "Fülle" und "Verwirklichung" ist in einer Weise, die das bloße "Sein" in einem ganz neuen Sinn offenkundig sein läßt, ohne daß vom geschaffenen Bestand des "Seins" abgerückt werden müßte. Dies sagt die Enzyklika mit diesen einfachen Worten: "Homo quidem hanc veritatem a Jesu Christo discit et in rem deducit in vita sua per Spiritum, quem Christus ipse nobis contulit" (ibid.).

Wenn man den Worten der Schrift über Tun und Sendung des Hl. Geistes folgt, entsteht leicht die Gefahr, alles, was zum Hl. Geist gehört, gleichsam in einer zeitlichen Abfolge z.B. zur Schöpfung oder zur Erlösung durch Christus zu sehen. Man könnte meinen, daß irgendwann nach der Schöpfung oder nach der Erlösung das Wirken des Hl. Geistes beginnt. Mit einer bloß zeitlichen Abfolgebeschreibung würden viele Aussagen über den Hl. Geist, wie z.B. alles, was mit der Erneuerung durch den Hl. Geist zu tun hat, in eine so enge Bedeutung geraten, daß das "Neue" des Hl. Geistes nur darin "neu" ist, daß es "nach" der Schöpfung oder Erlösung erfolgt.

Dieser Verengung des theologischen Wortes und Begriffes durch das bloße "Zeitverhältnis" auf ein "Vorher" und "Nachher" widerspricht die Enzyklika grundsätzlich und oft. Wenn z.B. die Schrift im Schöpfungsbericht davon spricht, daß der Geist Gottes ("ruah Elohim") über dem Wasser schwebte, so nimmt die Enzyklika dies zum Anlaß, bereits in der Schöpfung jene Erfüllung durch den Hl. Geist anzudeuten, die das bloße Geschaffensein des "Seins" in die Selbstmitteilung Gottes nunmehr einbettet, die im "Sein" etwas offenkundig werden läßt, was nicht bloßes "Dasein" ist, die ein Engagement Gottes bedeutet, das sich nicht mit dem "Sein" sagen läßt: "Dieser biblische Begriff der Schöpfung enthält nicht nur den Ruf ins Dasein des Kosmos als solchem, das heißt das Geschenk der Existenz, sondern auch die Gegenwart des Geistes Gottes in der Schöpfung, das heißt den Anfang der heilbringenden Selbstmitteilung Gottes an die Dinge, die er erschafft" (DeV 12). In solchen Texten der Enzyklika ist ersichtlich, daß eine Darstellungsebene für das besondere Wirken des Hl. Geistes entworfen wird, die die ganze Ordnung der Schöpfung der Welt mit dem besonderen Wirken des Hl. Geistes eint, dieses dennoch irgendwie von der bloßen Seinsschöpfung unterscheidet und in einer geschöpflichen Ganzheit schließlich Gott, Geist, Welt und Mensch als eine Wirklichkeit offenkundig macht. Es ist, philosophisch gesehen, ein besonderes Problem von "Unendlichkeit", in der durch das besondere Wirken des Hl. Geistes das "Sein" der Schöpfung wohl nicht vermehrt, jedoch erfüllt wird. Für die Enzyklika geht es ganz bewußt nicht einfach um das Geschenk der "Existenz" der Dinge und des Menschen; das bloße Sein der Dinge würde in einer ontischen Gleichgültigkeit der Dinge verharren, die nur auf Gott als Ursache beziehbar wäre; die Enzyklika sieht vielmehr auch die "Gegenwart des Geistes in der Schöpfung" und damit "den Anfang der heilbringenden Selbstmitteilung Gottes an die Dinge". Durch den Geist besteht das Sein der Schöpfung in einer ganz besonderen Erfüllung, die als heilbringende Selbstmitteilung Gottes von einer solchen Vollkommenheit ist, daß diese Selbstmitteilung Gottes "Leben", vollkommenes Leben und wiederum Leben ist, die sich nicht in einer ontischen Abkunft vom Schöpfer und nicht in einer ontischen Ähnlichkeit zum Schöpfer erschöpft, sondern in einer "geschöpflichen Ganzheit" ihren höchsten und unüberbietbaren Selbstausdruck unfehlbar findet. Dies heißt: der Weg zur erfüllenden Selbstmitteilung im Hl. Geist ist der Weg Gottes zur menschlichen Person, die allein jene "geschöpfliche Ganzheit" ist, in der die Wahrheit des erfüllenden Wirkens des Hl. Geistes im Geschöpf bestehen kann. Ohne die absolute Freiheit des Schöpfergottes auch nur im geringsten in Frage zu stellen, gehört es zur erfüllenden Unfehlbarkeit des Hl. Geistes, auch in der Schöpfung in einer geschöpflichen Ganzheit jene erfüllte Vollkommenheit zu finden, in der allein der Hl. Geist in seinem erfüllenden Wirken sich geheimnisvoll wesentlich bleibt: In einem gewissen, recht verstandenen Sinn wird damit der Mensch als Person zu einer Notwendigkeit, auf die sich der Hl. Geist auch in seiner trinitarischen Besonderheit bezieht. Ja, der Mensch selbst erscheint auf einmal als eine Art "trinitarische Notwendigkeit", sodaß auch der Mensch sein Wesen nicht gänzlich ergründen ließe, könnte man ihn nur auf den Deus unus der Schöpfung beziehen.

In diesem Sinne erschließt sich der fortführende Text (Nr. 59) der Enzyklika: "Auf diesem Weg - auf dem Weg einer solchen inneren Reifung, die die volle Entdeckung der tieferen Bedeutung des Menschseins einschließt - wird Gott dem Menschen zuinnerst gegenwärtig und durchdringt immer tiefer die ganze menschliche Welt. Der dreieinige Gott, der in sich selbst als transzendente Wirklichkeit eines interpersonalen Geschenkes 'existiert', verwandelt, indem er sich im Hl. Geist dem Menschen als Geschenk mitteilt, die Welt des Menschen von innen her, vom Innern der Herzen und der Gewissen. Auf diesem Weg wird die Welt, die des göttlichen Geschenkes teilhaft geworden ist - wie das Konzil lehrt -, 'immer menschlicher, immer tiefer menschlich', während in ihr durch Herz und Gewissen der Menschen das Reich heranreift, in dem Gott endgültig 'alles in allem' sein wird: als Geschenk und Liebe. Geschenk und Liebe: Dies ist die ewige Macht der Selbsteröffnung des dreieinigen Gottes für den Menschen und die Welt, im Heiligen Geist" (DeV 59).

Der folgende Satz ist in seinem Wortlaut sicher noch nicht in allem theologisch gerechtfertigt; dennoch möge dieser Satz etwas anzeigen, was diese Selbsteröffnung des dreieinigen Gottes im erfüllenden Wirken des Hl. Geistes einschließt: In einer Welt, in der der Mensch als Person nach Gottes Bild und Gleichnis existiert und lebt, verlangt der Mensch als Person, um Gottes Bild und Gleichnis zu sein, nach der trinitarischen Selbsteröffnung und Selbstmitteilung Gottes. Es ist der Mensch als gottesabbildliche Person, in dessen realer Existenz, die einmalig und unwiederholbar ist, das Bild und Gleichnis Gottes in Gänze (´integra´) besteht (vgl. RH 13). So ist die Grundfrage des Menschen in dieser Welt nicht eine Frage nach einer bloß göttlichen Ursache und auch nicht eine Frage nach der gemeinschaftlichen Summe aller dieser Menschen. Jeder Mensch als gottesabbildliche Person steht für das "Ganze" der Schöpfung und Erlösung und ist damit die ununterdrückbare Forderung nach jener Selbsteröffnung und heilbringenden Selbstmitteilung Gottes, die erst dem Menschen als Person die erfüllende Wahrheit des Hl. Geistes gibt. So erscheint der Mensch in der Offenkundigkeit des dreifaltigen Gottes als jenes Aequivalent in der Schöpfung, das erst trinitarisch zu seiner eigentlichen Wahrheit kommt. Diese besondere Selbstmitteilung Gottes an den Menschen durch den hl. Geist wird in jenem Zitat der Enzyklika aus der Theologie von Basilius dem Großen lehrreich vermittelt: Der Hl. Geist "ist einfach im Wesen, vielfältig in seinen Machterweisen ... Er breitet sich aus, ohne sich zu verzehren ... Bei denen, die fähig sind, ihn zu empfangen, ist er jedem einzelnen so gegenwärtig, als wenn dieser allein wäre, und allen zugleich schenkt er die Gnade hinreichend und vollständig" (DeV 59).

Der Mensch ohne Christus und ohne den Hl. Geist mag sehr wohl jener Mensch sein, der sein "Ich" kennt und seinem "Ich" lebt; hat jedoch dieser Mensch dadurch auch die Weite und Tiefe seines "Selbst" gefunden? Immer wieder weist Johannes Paul II. darauf hin, daß im Hl. Geist der eine und dreifaltige Gott sich dem Geist des Menschen öffnet; er weist zugleich darauf hin, daß der Geist es bewirkt, daß der Geist des Menschen sich auftut und der "Lebensraum" des Menschen sich weitet; wenn der Mensch "in Gott" und "von Gott" lebt, lebt er "nach dem Geist" und denkt und weiß, was "des Geistes" ist (vgl. DeV 59). Durch den Geist erstarkt der Mensch zum "inneren Menschen" (vgl. DeV 58).

Gott, der mit dem Menschen im "donum" des Hl. Geistes sich eint, verwandelt das Ganze, das der Mensch ist, in seinem Inneren, d.h. in seinem Herzen und Gewissen (vgl. DeV 59). Theologie des Hl. Geistes ist nicht die Rekonstruktion von Ursachen für Wirkungen, sondern Zeugnis von "Leben".

Eine vorsichtige Frage sei hier erlaubt: Deutet nicht die Enzyklika eine besondere "hypostatische Fähigkeit" des Hl. Geistes an? Beim ewigen Sohn Gottes können wir von einer "hypostatischen Fähigkeit" sprechen, eine göttliche Person in zwei Naturen zu sein, denn in einem konkreten, individuellen Menschen, in Jesus Christus, ist der Sohn Gottes Gott und Mensch zugleich. Wenn nun der Hl. Geist als "donum" in den inneren, zur göttlichen Weite gekommen und damit den ganzen Menschen zielt, muß nicht dann auch das besondere Selbst des Hl. Geistes eine permanente "hypostatische Fähigkeit" sein, die mehr ist als ein Feuer, Licht, Taube, Sturm, eine Sprache aller Sprachen, eine gottgeschenkte Begeisterung? Nach der Enzyklika könnten es das "Herz und das Gewissen des Menschen" (vgl. DeV 59) sein, in denen der Hl. Geist und der begnadete Mensch in ihrem Selbst ineinander neigen: der Hl. Geist nicht mehr im Schatten von bloßen Bildern und äußeren Wirkungen, der Mensch ganz in seinem Inneren, in seinem Herzen und in seinem Gewissen. Dieses ineinanderneigende Selbst wäre Leben, das reine Leben, das Leben in Fülle; es wäre die Unverlierbarkeit und Unfehlbarkeit des göttlichen Lebens, das ewig und zugleich geschichtlich in der Wirklichkeit der Menschwerdung des Sohnes Gottes und seiner Erlösung des Menschen steht.


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 30.01.1998.

 

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