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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Predigt zur Missa chrismatis
am 19.04.2000 im Dom zu St.Pölten

1. Wiederum werden heute die heiligen Öle geweiht, die von euch in die Pfarren gebracht werden, um der Heiligung des Volkes Gottes zu dienen: für die Taufe, für die Firmung, für die Krankensalbung, für die Weihe der Priester und für die Weihe der heiligen Dinge. Uns alle vereint die Salbung in der Taufe und in der Firmung; heute ist unsere Gemeinschaft die Versammlung der Gesalbten, die an der Würde Jesu Christi teilhaben, der in seiner göttlichen Sendung der von Gott gesalbte Knecht ist (vgl. Apg 4,27). Und der erste Johannesbrief bezeugt uns: "Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch ... Alles, was seine Salbung euch lehrt, ist wahr und keine Lüge. Bleibt in ihm, wie es euch seine Salbung gelehrt hat" (1 Joh 2,27).

Mit der Salbung hat es also etwas Bleibendes auf sich. Salbung will gelebte Treue sein zu dem, was Gott uns lehrt. Und wenn Christus seine Jünger sendet, damit sie uns zu allen Zeiten zu befolgen lehren, was er uns geboten hat, ist dies ein Dienst an denen, die erwählt, berufen und gesalbt sind.

2. Liebe Mitbrüder im geweihten Dienst, liebe gottgeweihte Brüder und Schwestern, liebe Brüder und Schwestern, die wir Gottes geliebte Kinder sind, die durch Christus zu Gott und zur Kirche Christi gehören! Als der Bischof dieser Diözese möchte ich heute allen Priestern für ihre Mühen und Leiden danken, die sie aus Liebe zu Christus und zu seiner Kirche auf sich nehmen. Gott vergelte alle treuen Dienste seinen geweihten Dienern, dem Bischof, den Priestern und den Diakonen. Dies sei heute das Gebet des gesamten Volkes Gottes in aller Welt. Beten wir immer wieder gemeinsam das Gebet zum Vater, das uns Jesus selbst gelehrt hat. Als euer Bischof kann ich versichern, daß ich täglich und für jeden bete, für den ich als Hirte bestellt bin. Unser Gebet kennt nur Brüder und Schwestern, aber keine Feinde. Wollte der Bischof jemand vom Gebet bewußt ausschließen, würde er sich gegen die Einheit der Kirche vergehen. Das II. Vatikanische Konzil stellt auch ausdrücklich fest, daß jede rechtmäßige Eucharistiefeier unter der Leitung des Bischofs steht (LG 26). Wenn also Priester oder Gläubige den Papst oder den Bischof von ihrem Gebet ausschließen, sündigen sie ernsthaft gegen die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Jesus betet immer wieder darum, daß alle, die zu ihm gehören, eins seien wie Jesus mit dem Vater. Wir können nicht feindselig gegen Gott beten; wir können aber auch nicht feindselig gegeneinander beten, denn Proteste und Ablehnung kann es im Gebet nicht geben. Gott ist unser aller Vater; wir haben kein Recht auszuwählen, wer uns Bruder und Schwester sein darf.

Wahres Gebet in der Gesinnung Christi ist nur möglich, wenn es Einheit sucht und um Einheit bittet. Wenn unsere Gebete zum Protest oder zur Deklamation menschlichen Stolzes geraten, betet der Heilige Geist nicht mehr mit uns und nicht mehr in uns. Solches kann auch in den Fürbitten geschehen, die wohl belehren, aber uns nicht mehr bekehren wollen zu Christus. Ohne die Einheit, die aus der Liebe kommt, gibt es kein Gebet in der Gesinnung Christi. Kein Gebet sei aber ohne Liebe und Barmherzigkeit.

3. Über die ersten Christen, die zusammen mit den Aposteln an Christus glaubten und ihn verkündeten, wissen wir aus der Apostelgeschichte: "Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten" (Apg 2,42). Die Lehre der Apostel ist es, in der der Glaube der Kirche steht und die Gemeinschaft aller ermöglicht; in der Kirche gibt es aber auch von Anfang das Amt der Geweihten, dessen größte Aufgabe die Feier der Eucharistie ist; aus der Eucharistie heraus ergibt sich die Gemeinschaft des Gebetes. Bei aller Zeitbezogenheit des Christseins von heute gelten immer noch die Vorgaben der apostolischen Zeit. Denn alles, was heute und morgen in der Kirche geschieht, muß gemäß der Offenbarung in Schrift und Überlieferung weitergegeben, rein bewahrt und getreu ausgelegt werden. Eine neue öffentliche Offenbarung als Teil der göttlichen Glaubenshinterlage empfängt unsere Kirche heute und morgen nicht (vgl. LG 25). Unser Dienst ist also auf die Treue zur göttlichen Offenbarung ausgerichtet; alles, was heute sich ereignet, darf nicht im Widerspruch zum Glaubensgut stehen, denn es muß verstehend, vertiefend und rein bewahrend unverkürzt weitergegeben werden, was in der Fülle der Zeit in Christus schon unübertreffbar der Kirche vorgegeben ist.

4. Von Gott geliebte Brüder und Schwestern! Jeder von uns trägt ein Geheimnis in sich, das ihm auch nur im Lichte Christi offenkundig werden kann. Dies geht auch aus der Glaubenslehre der Kirche hervor, daß eines jeden Menschen Seele von Gott selbst jedesmal neu und anders geschaffen wird. Wer also sein innerstes Geheimnis begreifen will, kann sich nicht einfach nur an die Wissenschaften, an die Beobachtung der geschaffenen Dinge oder an den Sinn der Geschichte wenden; alle diese Mittel der Vernunft lassen nicht begreifen, was Gottes Liebe mit uns will: Gott legt seine Hand auf uns, damit wir ihm gehören; Gott ruft uns beim Namen, damit wir begreifen, daß und wozu wir gesandt sind; Gott beruft uns zu einem Leben, in dem wir einmalig, persönlich, frei und von niemanden ersetzbar seiner Liebe, Gnade und Hilfe ausgesetzt sind.

Was Gott geschehen läßt und beruft, hat seinen Ursprung in der Ewigkeit von Gottes Weisheit und Güte. Wer sich von Gott berufen erfährt, der muß in seinem Erkennen, Denken, Entscheiden und Lieben sich dem Einfachen und Ewigen Gottes nähern und darf nichts in sich sein lassen, was Gott widerspricht oder Gott leugnet. Nicht alles, was der Mensch erfährt und erlebt, kann schon die Berufung bedeuten und zu berufenen Leben einladen. Der berufene Mensch muß vielmehr jene Übereinstimmung mit Gott erfassen und leben, die in der geistgeschenkten Gabe Gottes ihren Ursprung hat und in dieser Vorgabe sich als Gnade Gottes unter Mitwirkung des Menschen sich verwirklicht.

5. Es gibt Biographien von Menschen, die Berufung wie einen blitzartigen Einbruch Gottes in den Menschen erscheinen lassen; wir haben dabei oft die Bekehrung des Saulus vor Damaskus in Erinnerung. Der normale und durchaus auch gnadenvolle Weg der Berufung ist jedoch das Reifen in menschlicher Normalität und gelebter Gewissenhaftigkeit in allen Dingen des Lebens, die auf Gott und das Heil bezogen sind.

6. Liebe Mitbrüder ! Jedem fällt die Berufung aus der Gnade Gottes zu. Es ist die Taufe, in der jeder den Ursprung, die Mitte und das Ziel seiner Berufung findet. Die Berufenen zum Weihedienst wiederum dienen im besonderen der Gemeinschaft der Getauften, unserer Kirche. Die Würde der Getauften verlangt den besonderen Dienst der geweihten Diener, der Bischöfe, Priester und Diakone. Es ist die Würde der Getauften, die einen Dienst verlangt, der von anderen Diensten "im Wesen" verschieden ist. Was den Getauften und Gefirmten dient, ist der heilige Dienst, von dem das II. Vaticanum lehrt, daß zwischen dem Dienst des geweihten Priesters und den anderen Diensten in der Kirche ein "Wesensunterschied" besteht, der viel mehr als ein bloß gradueller Unterschied ist (vgl. LG 10). So besteht in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung (AA 2).

Kein Geweihter hat von sich aus ein Recht auf das Weihesakrament; es ist die Kirche, die den Geweihten zum Dienst erwählt und bestellt. Niemand darf sich selbst die Ehre dieses Dienstes eigenmächtig aneignen. Es darf aber auch niemand als Geweihter auftreten, wenn er nicht geweiht und bestellt ist nach der Ordnung der Kirche. Die Kirche ordnet die Dienste; wer sich gegen die Ordnung der Kirche Dienste anmaßt, verstößt gegen die göttliche Ordnung, die den Leib Christi zu gestalten hat.

7. Ich darf die Mitbrüder noch einmal an die vom Hl. Stuhl ergangene Klärung bezüglich der Dienste der Laien erinnern; die Homilie der Eucharistiefeier ist ausschließlich Sache des Priesters oder des Diakons. Es gibt auch keinerlei Gründe oder Situationen, die andere Nichtgeweihte zur Homilie ermächtigen.

Auch der Gehorsam gegenüber der Ordnung der Kirche soll das Zeichen unserer Umkehr und unserer Liebe zur Kirche sein.

Heute erneuern wir unser Versprechen des Gehorsams und der Ehelosigkeit, das wir einmal für immer vor dem Volk Gottes und für das Volk Gottes in Freiheit und vollem Wissen abgelegt haben. Unser Dienst und unsere Heiligung seien die Lichtzeichen, zu denen berufene Menschen nachfolgend aufbrechen, um das weiterzugeben, was wir seit den Zeiten der Apostel als Bischöfe und Priester auszuspenden haben. Wenn unsere Kirche gute oder gar bessere Zeiten haben soll, wird sich dies in der Zahl und in der Heiligkeit unserer künftigen Priester entscheiden. Alles Gerede von neuen Strukturen und besserem Image bleibt ein leerer Trug, wenn nicht ganz konkrete Menschen - Bischöfe, Priester, Diakone - sich für das Volk Gottes aufopfern.

8. "Ich bin bei euch alle Tage"; dies verheißt Jesus seiner Kirche und ihren Dienern. Jesus steht mit seiner göttlichen Autorität hinter denen, die er beruft: Wer euch hört, der hört auf mich; wer euch verachtet, der verachtet mich. Über heilige Dienste und Berufung zu befinden, ist die Aufgabe und das Recht der Kirche, die vom Nachfolger Petri und dem Kollegium der Bischöfe geleitet wird. Was wir als Priester dem Herrn einmal geschenkt haben und der Herr schließlich uns gegeben hat, das liegt nicht mehr in unserem Befinden und Entscheiden; die göttliche Ordnung der Kirche will fortan von uns angeeignet und beschützt werden, nicht aber der menschlichen Beliebigkeit unterliegen.

9. Heute sei nicht der Tag des Klagens und der pessimistischen Kritik; jeder von uns danke vielmehr aus ganzem Herzen Gott für seine Berufung zum heiligen Dienst.

Laßt Wahrheit sein, was ihr manchmal schon über eure Berufung bezeugt habt. Ich bin Priester geworden, ich würde auch noch einmal mich dafür entscheiden; ich möchte als Priester mit keinem tauschen. Dieses Zeugnis besiegt Resignation, Müdigkeit, Gleichgültigkeit und Ziellosigkeit in unserem pastoralem Dienst. Was wir frei gewählt und gewollt haben, darüber dürfen wir uns nicht beklagen; es ist vielmehr Zeit zu beten mit dem Psalmisten: "Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan? Ich will den Kelch des Heiles erheben und anrufen den Namen des Herrn" (116,22 f).

Unser Heiliger Vater hat am 1. Fastensonntag Gott um Verzeihung und Vergebung unserer Sünden gebeten. Es ist nicht die Kirche als die Stiftung Christi und als das Werk Gottes, die sündigt oder irrt; es sind die einzelnen Mitglieder der Kirche, die sündigen und irren und die Barmherzigkeit Gottes brauchen.

10. Wenn wir aber unsere Schuld vor Gott bekennen und wir Besserung versuchen, erstrahlt die gesamte heilige Kirche Christi in Heiligkeit und Wahrheit; das Haupt der Kirche ist Christus, die Mutter der Kirche ist Maria, die Gerechten gehören zur vollendeten Herrlichkeit der Kirche. Die Kirche als sichtbares Gefüge auf Erden ist eine komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst (LG 8). Von daher ist der Weg der Buße und das Ziel der Herrlichkeit für die einzelnen Glieder zu begreifen; das Heil eines jeden aber vermittelt die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die Kirche als das Sakrament in Christus für die innigste Vereinigung mit Gott und für die Einheit der ganzen Menschheit (vgl. LG 1).

11. Liebe Mitbrüder ! Festigt und erneuert euch in der Gesinnung Christi unseres Hohenpriesters. Bei seinem Eintritt in die Welt als der Erlöser des Menschen spricht der Sohn Gottes zu seinem Vater: Siehe ich komme ... deinen Willen, Gott, zu erfüllen (vgl. Hebr 10,7). Christi Gesinnung sei unsere Berufung, Christi Barmherzigkeit sei unser Friede. Feiert mit euren Gläubigen eine wahrhaft heilige Woche und ein siegreiches Osterfest über Sünde und Tod im Frieden Christi. Amen.


Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf WWW.STJOSEF.AT mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Kaplan Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde aktualisiert am 21.04.2000. Der gesprochene Wortlaut ging teilweise über diese schriftliche Vorlage hinaus.

 

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