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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Passauer Neue Presse 16. Oktober 2000 Seite 3

„Ökumene - wer will denn das?“
Interview mit Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Herr Bischof, was kommt Ihnen beim Begriff Italien spontan in den Sinn?

Oh, da ist sehr vieles. Ich habe dort zehn Jahre studiert, kenne das Land sehr gut, da ist so viel von meiner persönlichen Geschichte drin. Ich denke da sofort an Rom, an den Papst, an liebenswürdige Menschen, an die Lebensart.

Gehört zu dieser Lebensart eine spezielle "italienische" Religiosität und Frömmigkeit?

In Italien geht es in der Kirche eine Spur weniger feierlich zu als bei uns, ich würde sagen, etwas menschlicher. Ein Unterschied vielleicht: Die Leute sind dort demütiger als wir im deutschsprachigen Raum.

Wie drückt sich das aus?

In der Selbsteinschätzung vor allem. Vor der Madonna und vor Gott ist der Italiener viel kleiner als wir. Wir reden immer noch viel zu viel im Angesicht des lieben Gottes. Das tut der Italiener nicht, er ist demütiger. Er kennt seine Lage vor Gott sehr, sehr gut.

Fehlt Ihnen dieses Element der Demut im deutschsprachigen Raum, sehen Sie da bei uns Defizite?

Ich würde nicht von Defiziten sprechen. Das ist oft so schnell gesagt und oft auch ungerecht. Die Deutschen, die Bayern, sie haben eine andere Frömmigkeit, haben aber auch eine gute Gottes-Beziehung. Italiener leben diese vielleicht einfacher aus, aber dafür etwas liebenswürdiger. Es gibt ja verschiedene Zugänge zu Gott.

Können Sie das mit den Zugängen genauer erklären?

Es gibt in der Kirche vieles, was zur Wahl steht, was sich die einzelnen aussuchen können, was ihnen mehr zusagt, ich möchte mich da nicht festlegen.

Aber mit dem Begriff des Wählbaren kommen wir zu einem schwierigen Thema. Die jüngste und viel diskutierte Erklärung der römischen Glaubenskongregation "Dominus Iesus" erzeugt nicht den Eindruck, dass wählbar ist, wo man das Heil suchen kann.

Das Wählbare ist zu unterscheiden vom Beliebigen. "Dominus Iesus" ist von der Ausgrenzung der Beliebigkeit her zu sehen. Da geht es nicht um die Frage: Beten wir den Rosenkranz oder nicht?

Worum geht es dann?

Zunächst, das Dokument sagt gar nichts Neues. Es erinnert an das, was das Zweite Vatikanische Konzil entschieden hat, denn das ist ja weithin vergessen worden. Es ist auch keine Verschärfung, sondern eine Erinnerung für Vergessliche an diese Beschlüsse. Es geht darum: Die wahre Kirche Christi subsistiert in der römischen Kirche, ist also dort verwirklicht. Es gibt nur einen Gott, nur einen Erlöser, es gibt auch nur eine Kirche, eben die katholische.

Was ist mit anderen Kirchen und Glaubensgemeinschaften?

Die anderen haben durchaus ein Verhältnis zur katholischen Kirche und können sicher, mit einer weniger guten Verwirklichung, an dem mitwirken, was die römische Kirche tut. So sieht sich die Kirche, nicht erst seit neuem, sondern schon damals beim Konzil: Die wahre Kirche Christi ist die römische Kirche.

Kommt man nur über Rom zum Heil?

Der Weg zum Heil, der in der katholischen Kirche festgelegt ist, wird auch in gewisser Weise in anderen Glaubensgemeinschaften festgestellt, auch für möglich gehalten.

Das ist etwas schwer zu verstehen. Vereinfacht gefragt: Kann der gläubige Hindu in den Himmel kommen?

Das Zweite Vatikanum gibt die Antwort: Wenn er von Christus nichts gehört hat, aber das Gute und Wahre sucht und tut nach dem Urteil seines Gewissens, dann kann er auch gerettet werden. Wer

schuldhaft aber weiß, dass Christus der Erlöser ist und dass man an ihn glauben soll, das aber dann nicht macht, der sündigt und bringt sich schuldhaft um das Heil.

Wo bleiben die, die an keinen Gott glauben?

Die Kirche sagt nie: Wenn man nicht an Christus glaubt und nicht getauft ist, wird man verworfen. Dennoch bestimmt die Kirche selbst den Weg, der zum Heil führt. Es ist einfach nicht wahr, dass alle anderen Wege gleich gut sind. Aber alle, soweit sie vom guten Gewissen getragen sind, sind auf einem Weg. Der volle Weg ist aber nur bei uns verwirklicht.

Das Dokument "Dominus Iesus" spricht davon, dass die evangelischen Kirchen "keine Kirchen im eigentlichen Sinn" sind. Viele evangelische Christen fühlen sich dadurch herabgesetzt. Was sagen Sie zu ihnen?

Man soll auch nicht immer zu empfindlich sein. Da geht es zunächst einmal um eine theologische Feststellung. Und die besagt: Kirche ist nur dort möglich, wo die apostolische Sukzession gegeben ist und wo eine gültige Eucharistie gefeiert wird.

Können Sie kurz den Begriff "apostolische Sukzession" erklären?

Dass die Weihegewalt mit der Bischofs- und Priesterweihe weitergegeben wird, von Generation zu Generation, von den Aposteln an. So gibt es das Weihe-Priestertum. Die orthodoxen Kirchen haben

zum Beispiel diese Sukzession. Bei denen gibt es Priester, die feiern eine gültige Eucharistie mit der wahren Anwesenheit Christi im Sakrament, sie können wir als Teilkirche sehen.

Und Luther hat diese Sukzession unterbrochen?

Er hat sie nicht gewollt, andere haben sie auch nicht gewollt. Sie sind dann nicht Kirchen nach dem Verständnis von „Dominus Iesus“, sondern Gemeinschaften, Glaubensgemeinschaften.

Viele Leute wünschen sich die Einheit der Christen. Wie sehen Sie da die Lage, auch nach der jüngsten Erklärung aus dem Vatikan?

Zunächst, ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Evangelischen in meiner Diözese. An Allerheiligen werden wir zum Beispiel den ersten Jahrestag der Unterzeichnung des Rechtfertigungs-Dekrets

gemeinsam feiern. Wir verstehen uns gut, aber auf der anderen Seite: Ich weiß gar nicht - man redet von der Einheit, aber will man sie wirklich?

Was will man dann?

Man redet so viel von der Vielfalt, von der Einheit in der Vielfalt. Das sind an sich unlogische Redeweisen. Aber wir müssen doch klar unterscheiden. Ich bin nicht der Meinung, dass diese Einheit so schnell kommt oder überhaupt kommt. Ich weiß es nicht, das ist eine Sache der Gnade Gottes. Wenn ich mir genauer anschaue: Wer will denn wirklich die Einheit, wer will sie denn? Die anderen wollen im Grunde genommen das sein, was sie sind, und halten fest an dem, was sie sind. Wie soll

man dann irgendwann wegschauen und sagen: Wir haben die Einheit?

Wie sehen Sie dann das Verhältnis zu den anderen Kirchen oder auch Glaubensgemeinschaften?

Wir haben die Einheit nicht, wir werden sie vielleicht nie erreichen. Aber eines können wir immer schon tun, heute und morgen, wir können einander ertragen, einer den anderen, was nicht heißt, dass ich des anderen Irrtum mittragen muss oder dass die anderen meine Besonderheiten mittragen müssen.

Was bedeutet für Sie der Begriff Ökumene?

Wir müssen einander ertragen, und das ist meiner Meinung nach die bessere Form der Ökumene, als dauernd von einer Einheit zu reden, die ja im Grunde genommen keiner will.

Im europäischen Zusammenhang gesehen, betrachten die meisten nicht die Unterschiede der Kirchen oder Glaubensgemeinschaften als Hauptproblem. Viele befürchten eher, dass das Christentum und die damit verbundenen Werte aussterben.

Das Hauptproblem wird zunächst die Frage nach Gott sein, nicht nach dem Christentum. Da fehlt's eigentlich: Gott ist für viele nicht mehr wirklich. Der eigentliche Verlust des Religiösen kommt aus dem Verlust der Gottes-Wirklichkeit. Es lässt keiner mehr zu, dass über seiner eigenen Kleinheit ein Absoluter ist, der über Raum und Zeit hinausgeht. Das wollen sie nicht.

Was bedeutet das für die Vermittlung von abendländischen Werten in Europa?

Die Leute wollen den lieben Gott nur noch in sich selbst finden. Man kann aber doch keine Werte haben oder diese aufrecht erhalten, wenn man sie nur in sich selbst begründet. Letztlich steht für den Wert nur Gott gerade, und die Kirche. Wenn es bei der Gottvergessenheit bleibt, bin ich sicher, daß das zu keinem guten Ende führt.

Könnte da nicht die Gabe der Demut helfen, die Sie zu Beginn als typisch italienischen Charakter-Zug beschrieben haben?

Die Italiener werden nie in Krisen geraten, in die wir geraten. Sie sind - bei allen Fehlern – demütiger im entscheidenden Moment. Sie werden sich auch immer wieder mit dem lieben Gott versöhnen, während wir manchmal starr und steif stehen bleiben und die Zeichen der Zeit nicht mehr verstehen.

Das Gespräch führte Martin Riedlaicher


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 21.10.2000.

 

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