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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Die Tagespost, 17.02.2000

Krenn sieht "historische Schuld" des Auslands

"Proteste von auswärts haben Schüssel und Haider aneinandergeschweißt" - Der Regierung eine Chance geben / Von Stephan Baier

ST. PÖLTEN (DT). Die in- und ausländische Aufregung um die neue österreichische Bundesregierung hält der Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn, "für sehr künstlich". Im Gespräch mit der "Tagespost" meint Krenn: "Wenn nicht dieser starke Druck von außen gekommen wäre, hätten sich die Leute um vieles weniger aufgeregt." Der Bischof von St. Pölten fordert, "dieser Regierung ehrliche Chancen zu geben". Dies sei im Interesse Österreichs. Die Regierung könne sich auf ein Votum des Wählers berufen und handle deshalb rechtmäßig. Krenn wörtlich: "Wer das nicht akzeptiert, ist kein Demokrat."

Die Behauptungen französischer, dänischer und deutscher Medien, österreichische Politiker selbst - insbesondere Altbundeskanzler Viktor Klima und Bundes- präsident Thomas Klestil - hätten die ausländischen Proteste selbst bestellt, hält Bischof Krenn für denkbar, aber nicht bewiesen. Deshalb müsse hier aufgeklärt werden. Auf die Frage, ob er einen Untersuchungsausschuss, wie von Jörg Haider gefordert, befürworte, sagte der Bischof: "Ich weiß gar nicht, ob diese Untersuchungsausschüsse so funktionieren. Wie man bisher gesehen hat, ist der Ertrag solcher Ausschüsse nicht sehr gross. Aber bitte, wenn die das machen, warum nicht? Es könnte sich auch jemand von der prominenten Presse dahinter begeben und aufklären. Es müsste halt wahrheitsgemäss sein."

Die ausländischen Reaktionen auf die neue österreichische Bundesregierung empören den Bischof von St. Pölten: "Was das Ausland so im allgemeinen abgeliefert hat, das ist ungerecht und widerspricht auch dem Geist der so genannten europäischen Gemeinschaft." Was sei das für eine Gemeinschaft, fragt Krenn, wenn "alle möglichen Prinzipien missbraucht und alle möglichen Tricks eingesetzt werden", um eine Regierungsbildung zu verhindern und eine Regierung zu isolieren. Krenn wörtlich: "Das wird die historische Schuld des Auslands sein." Der neuen Regierung rät er: "Normalität leben". Die Regierung müsse "an ihren guten Taten, oder an den ausgebliebenen guten Taten, beurteilt werden". Sie brauche das Vertrauen der Menschen und sei, so meint Bischof Krenn, "eigentlich eine ganz gute Mannschaft". Vorsichtig ergänzt der Bischof: "In ein paar Monaten wissen wir mehr darüber."

Haider? Weniger Worte machen!

Bis dahin ist es nach Ansicht von Bischof Krenn besser, "wenn nicht jeden Tag eine österreichische Meinung auf dem Weltmeinungsmarkt erscheint". Auch FPÖ- Chef Jörg Haider rät er, "eine Zeitlang ein paar Worte weniger" zu machen. Das würde allen helfen.

Im Gespräch mit der "Tagespost" beurteilt Bischof Krenn den Kärntner Landeshauptmann und FPÖ-Vorsitzenden so: "Er ist zunächst einmal - was ihn sehr abhebt von den allermeisten - ein begabter Politiker. Er kann die Menschen bewegen - vielleicht mehr als es anderen lieb ist. Ich halte seine Motive für gut." Die Wortwahl Haiders dagegen sei "eine Frage der Klugheit". Krenn wörtlich: "Ich würde manches absolut nicht so sagen wie Haider, aber es hat jeder seine Erfahrungen und seine Wortwahl." Manchmal werde in den Worten Haiders mit Akribie eine Beleidigung gesucht. Stattdessen solle man fragen, ob das, was Haider sagt, wahr oder unwahr sei.

Die antiklerikale Tradition der FPÖ spielt nach Ansicht von Bischof Kurt Krenn bei manchen Funktionären dieser Partei noch eine Rolle. Wie bei anderen der Liberalismus oder der Marxismus noch eine Rolle spiele, "so gibt es hier diesen alten, überlebten Nationalismus noch ein bisschen". Als nationale Partei habe die FPÖ einiges versäumt, auch wenn im neuen Parteiprogramm stärker auf die christlichen Werte Rücksicht genommen worden sei. "Wir brauchen keine Parteien, die unsere Sakristeien bevölkern, sondern Politiker, die als Laien ihre Aufgabe übernehmen", sagt Bischof Krenn, der von sich selbst behauptet, ein gutes Verhältnis zu allen Parteien zu haben. "Handschlagqualität" traut der Bischof den neuen FPÖ-Ministern "genauso zu wie den anderen". Man werde aber auch in Zukunft sehen, dass manches Versprechen nicht zu halten sei. Deshalb solle man die Politiker nicht prügeln, rät der Bischof von St. Pölten, denn viele Ziele seien nicht zu erreichen und manches Versprechen sei der erste Schritt zur Lösung eines Problems.

Über den neuen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat Bischof Krenn seine Meinung geändert. Schüssels Verhalten in den zurückliegenden Monaten habe Qualitäten bewiesen, meint Krenn. Und die Linie würde stimmen. Er habe persönlich damit gerechnet, dass wieder eine Neuauflage der alten Koalition kommen würde, vor allem weil er dachte, "dass die ÖVP nicht den Mut hat, den eigenen Weg zu gehen", berichtet Bischof Krenn. Gerade das Hereinbrechen des ausländischen Protestes habe die neuen Koalitionspartner aber aneinandergeschweisst. Die Kirche habe auch mit der alten SPÖ-ÖVP-Koalition "relativ gut gelebt", könne in der neuen Regierung nun aber eine Chance sehen.

Besinnung auf die Familie

Zur Kritik katholischer Kreise und insbesondere des Wiener Caritas-Direktors Michael Landau an der sozialen Unausgewogenheit des neuen Regierungsprogramms meint Bischof Krenn: "Ich sehe es sicher positiver. Es ist nicht jedermanns Sache, in der Kirche so aufzutreten, als spräche er im Namen der Kirche. Ich denke da an den Wiener Caritas-Direktor, der mir mit diesen Dingen - obwohl er mein Freund ist - absolut nicht gefällt. Er hat auch dazu keine Kompetenz."

Die angekündigten Maßnahmen zugunsten der Familien freuen den Bischof, doch mahnt er eine prinzipielle Besinnung auf die Familie an. Die Regierung müsse klarstellen, dass man die Familien "anders, mehr und deutlicher als etwas anderes, was man auch noch fördert", unterstützen wolle. Krenn wörtlich: "Man muss die Familie ganz deutlich absetzen von diesen missratenen Formen von Lebensgemeinschaften oder gar von Homosexuellen." Diesbezüglich sei "noch nicht alle Klarheit geschaffen", meint Bischof Krenn.


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 18.02.2000.

 

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