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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Der folgende Beitrag ist erschienen in: Theologisches 19 (1989) 115-117

WEIHBISCHOF DR. KURT KRENN
Ein Offener Brief an die Verfasser
 und Unterzeichner der „Kölner Erklärung“

Sehr geehrte Kollegen!

1. Siebzehn Jahre lang, fünf davon in Linz und zwölf in Regensburg, war ich Ihr Kollege im Lehrbetrieb der Theologie. 1987 wurde ich zum Weihbischof in Wien bestellt und gehöre nun zu jenen Bischöfen, deren Ernennung Sie durch Ihre „Kölner Erklärung“ beklagen. In diesem Offenen Brief möchte ich Ihnen einige Gegenfragen stellen, deren Beantwortung Sie einer staunenden Welt schuldig wären.

Sie beklagen anläßlich der Bischofsernennungen falsche Analysen und Verdächtigungen, die fragwürdige Rolle des Nuntius, die willkürliche Kandidatenauswahl, einen neuen römischen Zentralismus und unchristliche Herrschaftsausübung; solche Behauptungen bräuchten Tatsachenbeweise. 163 Unterzeichner müßten doch genügend Tatsachen kennen, um ihre Behauptungen mit der notwendigen intellektuellen Redlichkeit zu belegen. Wo bleiben neben vielen plakativen Parolen die wirklichen Beweise für Ihre Klagen und Ihre Schelte?

2. Die letzten Bischofsernennungen sind in der gleichen Weise erfolgt wie die früheren. Ein Kardinal Döpfner, ein Kardinal König, ein Erzbischof Berg, ein Bischof Lehmann oder ein Erzbischof Dyba ist ebenfalls in jener gleichen Weise ernannt worden, die Sie heute auf einmal kritisieren.

Da nicht wenige Unterzeichner der Kölner Erklärung bereits ein ehrwürdiges Alter haben, bleibt zu fragen, warum jetzt auf einmal etwas als Entmündigung der Ortskirche, als Zentralismus, als Bruch der Kollegialität und als Behinderung des ökumenischen Prozesses gelten soll, was auch nach dem Konzil allgemein, unbeeinsprucht und loyal akzeptiert wurde.

Warum erst jetzt, fast 25 Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil, die Berufung auf das Konzil, dem die Art und Weise der Bischofsbestellungen kein Thema war? Warum verwenden Theologen erst heute für Bischofsernennungen demokratisch anmutende Texte aus einer Epoche, die einerseits „vorkonziliar“ und anderseits nicht „urchristlich“ ist? Ihre unkonsequente Beliebigkeit in der Argumentation läßt sich nicht verdecken und verlangt nach redlicher Aufklärung.

3. Angesichts der Entrüstung vieler Theologieprofessoren wird man unweigerlich daran erinnert, daß manchmal die Erstellung einer Berufungsliste für eine Lehrkanzel mehr Geheimnisse birgt als die Besetzung eines Bischofsstuhls.

4. Ein Professor der Theologie hat eine Sendung in der Kirche wahrzunehmen. Einheit im Glauben und Einheit in der Lehre waren schon immer höchste Güter in der Kirche. Bei jedem der Unterzeichneten darf man annehmen, daß er diese Güter hochhält und bei Erteilung der kirchlichen Zustimmung zu seiner Berufung einmal auch positiv den Beweis dafür erbracht hat.

Daß der Glaube und die Lehre des Glaubens ein unauflösbares Ganzes bilden, das nur als Ganzes die Lehre der Kirche ist, dies kann ein Theologe nicht in Frage stellen. So war es kein richtiges Argument der „Kölner Erklärung“, die „Hierarchie der Wahrheiten“ ohne die Pflicht zum Ganzen zu bemühen oder gar von ethischen und dogmatischen „Detailfragen“ zu sprechen, die der Glaubensidentität nicht so sehr verbunden wären.

5. Wenn man von einem „Selbstergänzungsrecht“ der Fakultäten ausgeht, fehlt in der „Kölner Erklärung“ der Hinweis auf die Mißlichkeit jener Tatsache, daß Lehrende der Theologie zuweilen wohl ihren kirchlich regulären Status aufgeben und dennoch Planstellen behalten, die einer Theologischen Fakultät auf einem anderen Weg nur schwerlich rückerstattet werden können.

6. Wenn die „Kölner Erklärung“ davon spricht, daß der Papst versuche, seine lehramtliche Kompetenz in „unzulässiger Weise“ geltend zu machen, so ist diese Äußerung ein Eingriff in das Lehramt des Papstes, für den keine Kompetenz der Theologieprofessoren besteht.

Allem Anschein nach hatten die Verfasser der Erklärung nicht im Auge, was das II. Vatikanische. Konzil in der Kirchenkonstitution ausdrücklich festhält: „Dieser religiöse Gehorsam des Willens und des Verstandes ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischofs von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, zu leisten, nämlich so, daß sein oberstes Lehramt ehrfürchtig anerkannt und den von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit gezollt wird, entsprechend der von ihm kundgetanen Auffassung und Absicht“ (Lumen gentium, Nr. 25).

Da dies von den Theologieprofessoren mit besonderer Erwähnung der Frage der Geburtenregelung ignoriert wird, sei auch daran erinnert, was das II. Vatikanische Konzil im besonderen festhält: .... ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft“ (Gaudium et Spes, Nr. 51).

Kann man in einer Erklärung glaubhaft das II. Vatikanische Konzil anrufen, wenn man gleichzeitig solche Festlegungen des Konzils einfach ignoriert?

7. Der Mensch muß mit seinem Gewissen handeln, um sittlich verantwortlich zu handeln. Wie ungerecht und demagogisch jedoch ist der Satz der Erklärung: „Das Gewissen ist kein Erfüllungsgehilfe des päpstlichen Lehramtes, ...“. Kein ernsthafter Theologe wird bestreiten können, daß das Gewissen des Menschen ein „gebildetes Gewissen“ sein muß. Die Kirche schuldet der Würde des Menschen die Bildung des Gewissens; und diese unverzichtbare Aufgabe erfüllen die göttliche Offenbarung und das Lehramt der Kirche.

Wenn die Theologie demagogisch mit der Freiheit und mit der Autonomie des Gewissens spielt, kann sie sehr schnell zum Wegbegleiter jenes Menschen werden, der in einer moralischen und geschichtlichen Katastrophe endet. Wer nur von Autonomie redet, redet das Wort für die subjektive Willkür des Menschen, weil genau jenes Gesetz ausgehöhlt wird, das der Mensch im Innern seines Gewissens entdeckt, das er sich nicht selbst gibt, dem er gehorchen muß, das Gott seinem Herzen eingeschrieben hat, dem zu gehorchen seine Würde ist, gemäß dem er gerichtet werden wird (vgl. Gaudium et Spes, Nr. 16).

8. Geschätzte Kollegen! Sie sprechen von Denk- und Redeverboten. Ihre Erklärung, die Sie in diesen Tagen abgegeben haben, ist sicherlich ein Beweis dafür, daß gerade diese Ihre Behauptung nicht stimmt. Wer von uns ist in seiner universitären Erfahrung in der Tat einem Kollegen begegnet, der ein solches Verbot gehabt hätte?

Es wird jedoch Zeit, daß die Wahrheit wieder jene Toleranz zurückgewinnt, daß sie das Irrtum nennen darf, was Irrtum ist. Es ist heute das große Problem der Theologie, daß sie sich oft von anderem als von der Wahrheit abhängig gemacht hat.

Mit vielen Kollegen weise ich Ihre Feststellung zurück, daß der Papst tut, was nicht seines Amtes ist. Für eine solche Aussage haben Sie keine Ursache und keine theologische oder kirchliche Legitimation.

9. Wenn ich noch Professor in der Festung eines unkündbaren Dienstverhältnisses wäre und mir überlegte, wieviel Mut ich bräuchte, um Ihre Erklärung zu unterschreiben, käme ich zu diesem Schluß: Ein einfacher Arbeiter, der für Lebensverbesserungen und Gerechtigkeit demonstriert, bräuchte mehr Mut als ich.

10. Die „Kölner Erklärung“ hat der Einheit der Kirche einen schlechten Dienst erwiesen. Die Professoren der Theologie haben nicht das Lehramt der Kirche, aber sie haben hohe Verantwortung für die Wahrheit in der Lehre des Glaubens. Dies vereine uns zum Wohl der Kirche für heute und morgen.

 

Mit freundlichen Grüßen 

KURT KRENN,

Auxiliarbischof der Erdiözese Wien


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 27.06.2000.

 

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