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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

 

Advent-Hirtenbrief zum Jubiläumsjahr 2000

 

Liebe Gläubige !

1. Mit dem Weihnachtsfest 1999 beginnt das heilige Jubiläumsjahr der Erlösung, das mit dem Fest der Erscheinung des Herrn im Jahr 2001 endet. Ich schreibe dieses Bischofswort an die Priester und Gläubigen der Diözese, um sie für dieses Anliegen der Kirche unseres Erlösers Jesus Christus zu gewinnen. Gewiß ist es der Wille Gottes an jedem Tag, daß wir gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen; dennoch schenkt uns Gott die besonderen heiligen Tage und Zeiten, daß wir unsere Augen und Herzen zum göttlichen Vater erheben, der uns zuerst geliebt und seinen Sohn als Erlöser gesandt hat; es sind der Vater und der Sohn, von welchen der Heilige Geist ausgeht und die Kirche und die Schöpfung zum Sein in Leben und Gnade bringt.

In unserer Zeit, in der Gott oft vergessen und geleugnet wird, in der schließlich auch der eine Gott in den verschiedenen Religionen wohl nur mehr ein leeres Wort ohne Unterschied von Wahrheit und Irrtum ist, muß dieses größte Geheimnis unseres Glaubens als das helle Licht aufleuchten: Es ist ein Gott; in Gott sind drei Personen: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Wir können den einen Gott nicht wahrhaft bekennen und bezeugen, wenn wir die Dreifaltigkeit der Personen vom einen Gott so abtrennen, daß Gott unterschiedslos als Gott der Muslime, der Juden und der Christen geglaubt und verehrt wird.

2. Der Christ kann nur an den einen Gott glauben, der nicht in der Geschichte erst sich ausgestaltet. Gott, der eine, ist ewig und unveränderlich; der dreifaltige Gott ist ewig der eine und dreifaltige. Wir Menschen hingegen sind Geschöpfe, die einmal in der Zeit zu existieren begannen, deren Seele jedoch für immer unsterblich ist, bestimmt zum ewigen Leben bei Gott. Wer ein Mensch ist, hat sich notwendig zu entscheiden: für Gott, für das Wahre und Gute und für das wahre Menschsein, das Jesus Christus lebt und lehrt.

3. Die Zahl 2000 ist eine imposante Zahl, an der sich in der Welt vieles orientiert. Dennoch soll uns eine solche Zahl nicht zu großen Worten verleiten, die schließlich nicht eingelöst werden in unserer konkreten Wirklichkeit. Auch nach 2000 wird jeder Tag seine Mühen haben, die wir durch große Worte und Feiern nicht überspielen können. Jeder Tag wird dann in das große Gefüge der Weisheit und Güte Gottes passen, wenn wir auf Christus hören, der die Fülle der Zeit am Anfang seines öffentlichen Auftretens uns so verkündet: "Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium" (Mk 1,15).

Das Gnadenjahr 2000 wird erst gnadenvoll sein, wenn wir uns zu Gott bekehren; dies heißt, daß wir uns selbst zuallererst von unseren Sünden, Fehlern, Irrtümern, Lastern und dummen Gewohnheiten abwenden, um Gott zu finden und Gott über alles aus ganzem Herzen zu lieben. Wer sich zu Gott bekehrt, der findet wie der verlorene Sohn die Barmherzigkeit des Vaters und ist mit Gott versöhnt.

Wer meint, daß er die Bekehrung nicht braucht, der prüfe mit Gewissenhaftigkeit die Verwahrlosung seiner Seele, seines Herzens und seines Denkens. Denn vieles trennt uns tagtäglich von der Liebe zu Gott, die nach Jesu Wort für uns das Allerwichtigste ist.

4. Wer Gott über alles liebt, der wird sich von dem Verhalten abwenden, das wir "Schlampigkeit" nennen. Der schlampige Mensch ist der unentschiedene Mensch, der sich für das Gute nur halbherzig entscheidet und der Sünde fast kampflos Raum gibt. Schlampig sind jene Christen, die zwar ab und zu die Eucharistie des Sonntags mitfeiern, doch allzu viele Ausreden finden, um der Sonntagsmesse sonst fernzubleiben. Schlampig sind jene, die jahrelang der persönlichen Beichte fernbleiben, weil sie mehr Angst vor der Selbsterkenntnis als Vertrauen zu Gottes Güte haben; jede Sünde kann vergeben werden, wenn wir aus Liebe zu Gott bereuen, bekennen und wir in Liebe zu Gott unsere Lebensordnung wieder herstellen. Schlampig sind auch jene jungen Christen unter uns, die ihre Entscheidung zur sakramentalen Ehe ständig verschieben, aber wie Eheleute zusammenleben; viele gute Lebensorientierungen gehen diesen jungen Menschen verloren, wenn sie den schlampigen Weg der Sünde ohne den Mut zur Ehe gehen. In diesem Anliegen möchte ich vor allem auch die Eltern und Angehörigen ermutigen: Brecht euer Schweigen und Wegschauen und bezeugt den jungen Christen das Gesetz Christi, das Entscheidung, eheliche Treue und ein bereites Gewissen in uns allen verlangt.

5. Vieles andere in unserem Christsein ist gleichfalls Halbherzigkeit, Müdigkeit und Trägheit. Wir sind laue Christen, wenn wir uns von Gottes Liebe nicht ergreifen und treiben lassen. Hören wir im Gnadenjahr, was der Herr dem Lauen und Unentschiedenen sagt: "Ich kenne dein Tun. Du bist weder kalt noch heiß. Wärst du doch kalt oder heiß. Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich ausspeien aus meinem Mund" (Offb 3,15 f). Bekehren wir uns, setzen wir alles dran, uns für Gott zu entscheiden.

6. Unsere Kirche hat schwere Jahre durchlebt. Wer ist dabei nicht schuldig geworden an der Not, die zum Abfall von Gott und zur Abkehr von der Kirche Christi führte? Jeder meint die Schuldigen zu kennen, selten aber klagt sich einer seiner eigenen Sünde und Schuld an. In allen Bereichen von Kirche und Welt, auch in der Politik, fehlt es an Einsicht und Umkehr.

Der Geist Gottes zeige uns die Wege der Versöhnung mit Gott und mit den Mitmenschen. Die einmal aus der Kirche Ausgetretenen sind herzlich zur Rückkehr in die Kirche eingeladen; wir beten um die Heimkehr jener Brüder und Schwestern, mit denen uns immer noch die Taufe verbindet. Niemals ist es zu spät; doch vielleicht ist gerade jetzt die Stunde der Gnade.

7. Die Barmherzigkeit Christi ist unser Friede; ich sage dies zu denen, die sich von Kritik, Protest, Enttäuschung und Schadenfreude noch nicht lösen können. Gott kann auch ein Herz aus Stein zu einem Herzen aus Fleisch machen. So sage ich mit dem Psalm zu jedem, der Liebe braucht: Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht (vgl. Ps 94,7 f). Manchmal tauschen wir bei der Eucharistiefeier mit großer Herzlichkeit den Friedensgruß; dieses gute Wort bleibt oft ein leeres Wort, wenn wir nicht von Neid und Haß, von Stolz und Rechthaberei, von Lüge und Falschheit, von Kritiksucht und vom unrechten Begehren uns abwenden.

8. Vielleicht versuchen wir Frieden und Versöhnung zunächst in einem ersten bescheidenen Schritt: Begründen wir den Frieden in der Normalität des Zusammenarbeitens - ohne große Worte und Gesten, aber in demütiger Ehrlichkeit und in Dankbarkeit für gute Gedanken, Worte und Taten unserer Nächsten.

9. Gott widersteht den Stolzen, Gott aber liebt die Demütigen; dies verkündet uns die Gottesmutter im Lobpreis Gottes des Magnificat. Das neue Domportal in St. Pölten, das auf lange Zeit ein Denkmal des Glaubens für das Volk Gottes in Niederösterreich sein soll, wird uns an die Kernwahrheit des Jubiläumsjahres erinnern: Der ewige Sohn Gottes ist Mensch geworden aus Maria der Jungfrau. Das bronzene Tor des Domes hat eine vielfache Bedeutung, die jedem Christen, der den Dom betreten will, aufgehen möge: Öffnet die Tore dem Erlöser, öffnet eure Herzen dem Herrn. Tretet ein und verweilt beim Herrn. Es soll sich erfüllen was die Offenbarung des Johannes vom neuen Jerusalem sagt: Ihre Tore werden den ganzen Tag offenstehen, damit eingelassen werden, die im Lebensbuch des Lammes geschrieben stehen (vgl. Offb 21,25.27).
Allen Brüdern und Schwestern wünsche ich ein gesegnetes Fest der Geburt des Herrn. Allen sei das Jubiläumsjahr 2000 eine Zeit der Bekehrung und Begegnung mit Gott. Wir stellen die Familie in die Mitte unseres Betens und Mühens. Wir beten um viele geistliche Berufungen, besonders um Priester; die Erneuerung unserer Kirche kann uns durch heilige Priester und Gottes Gnade gelingen. Der Sonntag soll wieder ein Tag der Ruhe und der Heiligung sein; kommt wieder regelmäßig zur Feier der Eucharistie. Wer spürt, daß seine erste Liebe zu Gott erkaltet ist, der kehre um und handle wieder wie früher.

10. Die Geschichte der Menschheit ist ständig eine Auseinandersetzung des Menschen mit der Frage der Gotteserkenntnis und der Gottesliebe. Wir leben in der Zeit, die mit dem Kommen Jesu Christi bereits eine "erfüllte Zeit" ist. Denn nichts mehr wird Gottes Liebe und des Menschen Würde im Gang der Geschichte übertreffen. Die gesamte Schöpfung seufzt bis zum heutigen Tag und liegt in Geburtswehen (vgl. Röm 8, 21 ff.). Seien wir wachsam und bereit, um vor den Erlöser und Richter hintreten zu können. Jesus warnt uns in dieser Zeit: Viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es, und die Zeit ist da. Lauft ihnen nicht nach! (Lk 21,8). Gott ist geduldig mit uns und will, daß alle sich bekehren. Wir dürfen schließlich einen neuen Himmel und eine neue Erde erwarten, in denen die Gerechtigkeit wohnt (vgl. 2 Petr 3,13).

Mit der Anrufung des dreifaltigen Gottes und mit allen guten Segenswünschen grüßt und segnet alle

+ Kurt Krenn

Diözesanbischof

Dieser Hirtenbrief ist bei allen Gottesdiensten am 3. Adventssonntag, 12.12.1999, den Gläubigen zu verlesen.
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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde aktualisiert am 11.03.2006.

 

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