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 Ansprachen

Altbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten


Ansprache bei der Bischofsweihe
von Weihbischof Prof. Dr. Kurt Krenn
in Wien - St. Stephan am 26. April 1987

"Friede sei mit Euch!" "Friede", heute ist dieses das beglückendste Wort, das uns der auferstandene Herr schenkt. Friede sei mit uns! Der Friede ist ein Gottesgeschenk. Der Friede braucht seine Zeit, der Friede braucht seine Geduld und Wahrhaftigkeit. Friede heißt nicht stumme und verordnete Ruhe. Dann, wenn die Menschen einander in Würde und mit Würde begegnen, ist Friede. Friede in Achtung der Würde des Menschen bedeutet Barmherzigkeit. So ist der barmherzige Gott und Vater ein Gott des Friedens, der in seiner unendlichen Liebe treu zur Würde des Menschen steht. Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch; in Jesus Christus ruht einmal für immer dieses barmherzige Ineinanderneigen von Gott zum Menschen. In Christus erfülle sich das gewählte Grundwort meines Dienstes: "Die Barmherzigkeit Christi ist unser Friede". Dieser Friede kennt nicht Sieger und Besiegte; er kennt nur Brüder und Schwestern in Christus.

Gott, dem Vater, dem Sohn, dem Heiligen Geist sei Anbetung und Dank. Gott beruft uns zum Leben, zum Glauben, zum Dienen, zum Heil. Gott möchte ich aus ganzem Herzen lieben, um den Nächsten lieben zu können. Christus möchte ich folgen, um Menschen und immer wieder Menschen für seine Kirche zu gewinnen. Der Heilige Geist erleuchte meinen Geist und bewege mein Herz, damit ich in den Zeichen der Zeit die Absichten Gottes vernehme. Die Gottesmutter trage all mein Tun und Mühen; ihre mütterliche Gnadenfülle stehe überall dort ein, wo ich bei allem guten Willen armselig und fehlbar bin. Zu ihr bete ich heute: Du Mutter vom Guten Rat, bitte für uns.

Vor dem Volk Gottes in der Erzdiözese Wien, vor den verehrten Brüdern im Priester- und Diakonenamt, vor den ehrwürdigen Frauen und Männern im Ordensstand, vor den vielen zur Verantwortung für die Kirche bereiten Menschen, vor unzähligen betenden Gläubigen habe ich meine Bereitschaft bekundet, mit dem Nachfolger des Petrus, mit dem Heiligen Vater, in Gehorsam und Treue verbunden zu sein und zu bleiben: Wie sehr sehnen wir uns, in dieser Stunde dem Heiligen Vater alle Liebe und Ergebenheit und unseren treuen Gehorsam zu bekunden.

Durch die Handauflegung und durch das weihende Wort der Bischöfe wurde ich in die ununterbrochene apostolische Nachfolge der Bischöfe gestellt und in das Kollegium der Bischöfe, dessen Haupt der Nachfolger des Petrus ist, eingegliedert. Den Mitbrüdern im Bischofsamt danke ich für die Spendung des Weihesakramentes in seiner höchsten Stufe; ich danke für das Zeugnis ihrer mitbrüderlichen Verbundenheit. "Totus tuus", "ganz der Deinige", sage ich heute zu meinem verehrten und geliebten Erzbischof, der mir - in Gemeinschaft mit den anwesenden Bischöfen - das Weihesakrament gespendet hat. Ihm will ich ein treuer und brüderlicher Mitarbeiter in dieser Erzdiözese Wien sein. Mit Ehrfurcht grüße ich den Herrn Kardinal und Alterzbischof, in dessen Weihefolge ich stehe; diese Kontinuität verstehe ich als einen ernsten persönlichen Auftrag. Ich grüße alle bischöflichen Mitbrüder in der Erzdiözese Wien; Gott schenke uns immer eine Gemeinschaft des Vertrauens und der gemeinsamen Ziele. Ich stehe mit Freude und Bereitschaft in der Gemeinschaft der Bischöfe der Kirche in Österreich. Ich habe sie gebeten, mich als ihren nun jüngsten Bruder anzunehmen und aufzunehmen. Dankbar darf ich bekennen, daß mir diese Bitte längst erfüllt worden ist.

Sehr verehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Damen und Herren in Regierungsverantwortung und in politischen Ämtern! Ihre Sorge gilt unserem geliebten Österreich und seinen Menschen. Unser Österreich ist reich in seiner Vielfalt und in seinen hohen Werten; es ist wert, von uns allen treu geliebt zu werden. Ich danke für die ehrende Teilnahme an der Bischofsweihe. Immer werde ich darum beten, daß durch Ihr Entscheiden und Tun Gerechtigkeit und Friede blühen, daß alle Menschen unser Österreich in Freiheit und Solidarität bauen und menschenwürdig gestalten. Gemeinsam ist uns aufgetragen, die Zeichen der Zeit als die Absichten Gottes wahrzunehmen. Eine einträchtige und innerlich gefestigte Kirche in Österreich möge Sie auf den Wegen, die zum Menschen führen, begleiten.

Wir Priester und Bischöfe sind für alle bestellt; nicht für wenige, für alle will ich meinen Dienst tun. Dies habe ich heute vor Gott und vor der Kirche versprochen. Unzählige Menschen haben mir ihr Gebet zugesagt und mich immer wieder ermutigt. Wenn ich den unzähligen bekannten und nicht bekannten Betern danke, so bekenne ich, daß das Gebet und das Opfer, das Leiden und die Treue, das Zeugnis und die Herzensgüte der leisen und einfachen Menschen unsere Kirche tragen. Gott kennt ihre Herzen und hört ihre Stimme. Und ich möchte Auge sein für den Blinden, Fuß für den Gelähmten, Vater für den Armen (vgl. Ijob 29/15f.) und Stimme für die Kleinen und Leisen. Mahner und Bruder muß ich sein für unsere verfolgten Glaubensbrüder, für die leidende Kirche Christi. Ich habe versprochen, für das Volk Gottes wie ein guter Vater zu sorgen und es auf den Weg des Heiles zu führen. Ich habe das Evangelium treu und unermüdlich zu verkünden; ich habe das Glaubensgut der Kirche rein und unverkürzt zu hüten. Diese Aufgabe übernehme ich in vertrauensvoller Gemeinschaft mit den Priestern und Diakonen, mit den Professoren der Theologie, mit den Schwestern und Brüdern im Ordensstand, mit den Religionslehrern und mit den vielen Helfern in der Katechese. Ich bitte einfach und herzlich: Helft mir. Die Kirche braucht euch.

Millionen suchender Menschen fragen uns heute, ob Gott wirklich ist. Ihre Herzen suchen mehr als irgendeine Befreiung; ihre Herzen suchen den Erlöser, Jesus Christus. Verweigern wir uns den suchenden Menschen nicht durch Unglaubwürdigkeit, durch anstößige Skepsis und durch selbstherrliche Intellektualität. Tun wir unser Herz und unseren Mund auf und reden wir mit schlichter Wahrhaftigkeit von Gott, von seinen Geboten, von Christus und von seiner Kirche, vom ewigen Heil des Menschen. Unser Glaube muß auch gelehrt und gelernt werden. Mit großer Erwartung gehen die Menschen auf uns zu: die Kinder und die jungen Menschen, Mütter und Väter mit ihren Familien, Notleidende und Bedrückte, behinderte und ältere Menschen, unzählige Menschen guten Willens, Vereinsamte und Verbitterte, Enttäuschte und Glückliche, Menschen, die Gott verloren haben, aber auch Menschen, die in tiefer Einheit mit Gott leben. Sie alle erwarten, daß wir ihnen die Wahrheit von Gott verkünden, ob gelegen oder ungelegen. Nichts sei uns fremd, was des Menschen ist; aber die tiefste Wahrheit des Menschen kann in ihrer Würde und Schönheit nur durch Gott leuchten.

Dem Herrn habe ich heute versprochen, freundlich und barmherzig zu sein zu den Armen, Heimatlosen und Notleidenden. Als guter Hirte muß ich bereit sein, den Verirrten nachzugehen und sie heimzuführen. Gott läßt keinen Menschen fallen, ob er hungert oder darbt, ob er einsam und ungetröstet weint, ob er in Sünde und Schuld steht. Jeder Mensch ist bei Gott der Nächste; für jeden hat Gott längst in barmherziger Liebe einen Weg zum Heil, zum Leben und zur Glückseligkeit bereitet. Kundtun müssen wir den Menschen diesen Weg, in dem das persönliche Lebensgeheimnis eines jeden Menschen geborgen ist. Zu jedem Menschen dürfen wir sagen: "Wie gut, daß es dich gibt": Sagen wir mit aller Ehrfurcht dieses Wort zum Glaubensbruder und zum andersglaubenden Bruder, zum Andersseienden und zum Suchenden, zum Irrenden und zum Wissenden. Es ist die Liebe Christi, die uns drängt zu sagen: "Wie gut, daß es dich gibt": Bewährte Wege müssen wir gehen und neue Wege müssen wir finden für die Menschen. Kraft dieses göttlichen Wohlwollens mögen die Familien und Ehen zu Treue und Heiligkeit reifen; es muß uns drängen, den ungeborenen Menschen in seiner Würde und in seinem Lebensrecht ohne Wenn und Aber zu schützen. Glaubwürdige Taten müssen wir setzen, damit Gottes Wohlwollen für die Menschen kein leeres Wort in unserem Mund sei: für das menschenwürdige und gottgefällige Heranreifen unserer Kinder, für unsere Jugend, für die Menschen ohne Arbeit, für die benachteiligten Lebensräume, für die oft unbemerkt bleibenden Verarmten.

Zu den Menschen in Wissenschaft, Kunst und Kultur werde ich als Seelsorger geschickt. Mit dem Erlöser des Menschen, mit Jesus Christus, hat unwiderruflich das Zeitalter des freien, wahren und gottgeliebten Menschen begonnen. Der Sohn Gottes, der Erlöser Jesus Christus, mußte es sein, der den Menschen ergründet und erlösend zum wahren Menschsein als Bild und Gleichnis Gottes führt. Christus und nur Christus habe ich daher zu verkünden. Christus selbst sei das stille und unverrückbare Maß der begnadeten Menschen in ihrem Denken und Forschen, Planen und Gestalten, in ihrer Wahrheitssuche und in ihrem Dienst des Schönen für den Menschen. Ihr Tun sei ein Vorausschein dessen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.

Liebe Schwestern und Brüder in der Erzdiözese Wien! Ich komme zu Euch als ein Unbekannter, aus der Fremde. Ich komme jedoch aus einer Heimat, die für mich zur Schule des Menschseins wurde. Hörend und lernend, Zwiesprache haltend und sehend, bekümmert und mittragend, fröhlich und ernst, das Gute bewahrend und zum Besseren ermutigend, möchte ich mit Euch meinen Glauben und mein Menschsein teilen. Ich denke heute mit tiefstem Dank an meine Mutter, sie ist die große Frau, die in Treue und Glauben und mit nie endender Liebe uns Kinder, die wir durch den Krieg vaterlos geworden waren, das Christsein lehrte. Ich denke an die vielen guten, wohlwollenden und stillen Menschen, die meinen Weg begleiteten und mir halfen. Ich denke an meinen väterlichen Bischof Franz Salesius Zauner. Ich denke an mein so lieb gewordenes Bayern und Regensburg: Ich durfte in einer Diözese arbeiten, die vom Glauben der Bischöfe und Priester geprägt ist. Unvergeßlich wird mir die Universität Regensburg sein, wo mir viele liebe Kollegen, Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Studenten, hohe Wissenschaftlichkeit und liebenswürdige Menschlichkeit begegneten. Ich denke an die vielen geliebten Menschen aus meiner Heimat und von überall, die mir Mut zusprachen, die für mich beteten, die mich hierher begleitet haben und die mit lieben Geschenken meine Armseligkeit ehren. Ich danke allen, die diese heilige Feier heute mit großem Einsatz mit ehrwürdiger Schönheit und mit tausend Mühen vorbereitet und gestaltet haben. Ich denke auch an die stillen Friedensstifter, wo immer sie heute stehen. Jesus preist Euch selig, denn Ihr seid Gottes Kinder.

Liebe Schwestern und Brüder, oft erinnert uns der Heilige Vater an das heraufziehende dritte Jahrtausend seit Christus. Wir werden dieses Jahrtausend in Frieden und Würde erleben, wenn der Mensch Gott treu bleibt und als erlöster Mensch durch Christus zum Maß aller Geschichte wird. Die Sorgen sind groß und die Zeit ist kurz. Gehen wir in einer aus dem Konzil erneuerten Gemeinschaft die Wege Gottes. Geben wir einander in Frieden und Liebe die Hand. Wir ziehen nicht hinaus in ein hoffnungsloses Dunkel. Heimzu führt der Weg zu Gott. Heimführen wollen wir den Menschen zu Gott, zu Gott, der unser aller Vater ist.


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Texte von Altbischof Kurt Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: Jutta Kern und Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 10.11.2006.

 

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