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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

 

Bischöfliches Dekret zur Einführung der "Propädeutischen Phase"
für die neueintretenden Priesteramtskandidaten der Diözese St. Pölten

 

Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Pastores dabo vobis“ über die Priesterbildung im Kontext der Gegenwart vom 25. März 1992 hat Papst Johannes Paul II. angesichts einer wachsenden „Diskrepanz zwischen dem Lebensstil und der elementaren Formung der Kinder, Heranwachsenden und Jugendlichen einerseits, auch wenn diese Christen und mitunter engagiert im Leben der Kirche sind, und dem ganz anderen Lebensstil des Seminars und seiner erzieherischen Erfordernisse andererseits“ die Frage gestellt, ob es nicht „eine angemessene Zeit der Vorbereitung geben solle, die der Seminarausbildung vorausgeht“ (Nr. 62).

In einem Informativdokument der Kongregation für das Katholische Bildungswesen vom 1. Mai 1998 mit dem Titel „Der propädeutische Abschnitt“ konnte aufgrund der bis dahin gesammelten Erfahrungen festgestellt werden, „dass ein eigener propädeutischer Abschnitt, der sich der menschlichen, spirituellen und intellektuellen Vorbereitung der Bewerber auf das große Seminar widmet, wie dies in der Nr. 62 von ‚Pastores dabo vobis‘ gewünscht wird, heute beinahe überall als von echtem Nutzen und in verschiedenen Fällen als ‚conditio sine qua non‘ für die Verbesserung der Priesterausbildung angesehen wird“ (S. 38).

Auf Anregung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen (Schreiben vom 16. Februar 2004, Prot. 1482/2003/B) wurde von Seiten des Bischofs von St. Pölten in einem Schreiben an den Regens des Bischöflichen Priesterseminars, Hochw. Herrn Prälaten Bischofsvikar Propst Ulrich Küchl, vom 1. März 2004 festgestellt, „dass die Einführung einer solchen, der eigentlichen Seminarzeit vorausgehenden ‚propädeutischen Phase‘ auch für die Diözese St. Pölten von Nutzen wäre“.
Nachdem die Kongregation für das Katholische Bildungswesen „dem Bischof das Recht zugesteht, diese [= die propädeutische Phase] in seiner Diözese selbst durchzuführen“ (Schreiben vom 16. Februar 2004, Prot. 1482/2003/B), wurde mit oben genanntem Schreiben vom 1. März 2004 der Regens des Bischöflichen Priesterseminars beauftragt, „gemeinsam mit Subregens Dr. Wolfgang F. Rothe baldmöglichst ein Konzept für eine auf die spezifischen Belange der Diözese St. Pölten und des hiesigen Priesterseminars abgestimmte ‚propädeutische Phase‘ zu erstellen“ und dem Diözesanbischof vorzulegen.

Dieses Vorgehen wurde von Seiten der Kongregation für das Katholische Bildungswesen vom 5. April 2004 (Prot. N. 1482/2003/B) mit „Genugtuung“, „Achtung und Anerkennung“ zur Kenntnis genommen.

Nachdem das von den Hochw. Herren Regens und Subregens erstellte Konzept einer „propädeutischen Phase“ für die neueintretenden Priesteramtskandidaten der Diözese St. Pölten dem Diözesanbischof auftragsgemäß vorgelegt und mit Aufmerksamkeit und Zustimmung zur Kenntnis genommen worden ist, werden hiermit „ad experimentum“ auf ein Jahr, das heißt bis einschließlich 31. August 2005, folgende Normen in Kraft gesetzt:


1. Die Absolvierung eines der eigentlichen Ausbildungszeit im Priesterseminar vorausgehenden „propädeutischen Phase“ wird ab dem Beginn des Studienjahrs 2004/05 für alle neueintretenden Priesteramtskandidaten der Diözese St. Pölten verbindlich vorgeschrieben.

2. Die „propädeutischen Phase“ hat die Zielsetzung, den Priesteramtskandidaten der Diözese St. Pölten bei der Klärung ihrer Berufung zu helfen, ihre menschliche, geistliche und intellektuelle Reifung zu fördern (vgl. Informativdokument der Kongregation für das Katholische Bildungswesen „Der propädeutische Abschnitt“ vom 1. Mai 1998, S. 38) sowie ihre Verwurzelung in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche zu stärken, wobei sie sowohl mit der Wirklichkeit der Universalkirche als auch mit den spezifischen Gegebenheiten der Diözese St. Pölten, in der sie künftig als Priester zu wirken beabsichtigen, vertraut gemacht werden sollen (vgl. Informativdokument der Kongregation für das Katholische Bildungswesen „Der propädeutische Abschnitt“ vom 1. Mai 1998, S. 40).

3. Die „propädeutische Phase“ für die Priesteramtskandidaten der Diözese St. Pölten trägt den Charakter eines „in das große [...] Seminar integrierte[n] propädeutische[n] Abschnitts“ (vgl. Informativdokument der Kongregation für das Katholische Bildungswesen „Der propädeutische Abschnitt“ vom 1. Mai 1998, S. 31-36).

4. Sitz der Einrichtung der „propädeutischen Phase“ ist das Bischöfliche Priesterseminar der Diözese St. Pölten.

5. „Propädeutische Phase“ und Priesterseminar sind inhaltlich und rechtlich eigenständige Institutionen. Bezüglich aller administrativen und finanziellen Belange ist die „propädeutische Phase“ in das Bischöfliche Priesterseminar der Diözese St. Pölten integriert.

6. Die „propädeutischen Phase“ untersteht in allen Belangen der Leitungs- und Weisungsgewalt des Diözesanbischofs.

7. Unter der Autorität des Diözesanbischofs liegt die alltägliche Leitung der „propädeutischen Phase“ in den Händen von Regens und Subregens des Bischöflichen Priesterseminars der Diözese St. Pölten. Zur Ergänzung des Ausbildungsangebots können von den Leitern der „propädeutischen Phase“ fallweise weitere Personen herangezogen werden.

8. Die geistliche Begleitung der Teilnehmer der „propädeutischen Phase“ obliegt dem Spiritual des Bischöflichen Priesterseminars, wobei die cann. 239 § 2 und 240 CIC analog anzuwenden sind.

9. Die Dauer der „propädeutischen Phase“ umfasst in der Regel ein Studienjahr (Oktober bis Juni). Über Verkürzung bzw. Verlängerung im Einzelfall entscheiden die Leiter im Einvernehmen mit dem Diözesanbischof.

10. Zur „propädeutischen Phase“ zugelassen werden kann nur, wer die in can. 241 CIC aufgeführten Voraussetzungen erfüllt.

11. Aus verwaltungs- und versicherungstechnischen Gründen werden die Teilnehmer der „propädeutischen Phase“ durch Dekret des Diözesanbischofs als Alumnen des Bischöflichen Priesterseminars aufgenommen. Als solche unterliegen sie grundsätzlich den Normen der cann. 244-264 CIC. Sie bilden jedoch eine eigene Gruppe innerhalb der Seminargemeinschaft.

12. Das Leben und die Ausbildung der Teilnehmer der „propädeutische Phase“ folgt einer eigenen Ordnung, die jedoch bezüglich der Gebets- und Essenszeiten nach Möglichkeit mit der des Priesterseminars in Einklang stehen soll.

13. Im Mittelpunkt der „propädeutischen Phase“ stehen die folgenden Ausbildungsschwerpunkte:

I. Menschliche Reifung:
• Einübung des Gemeinschaftslebens
• Einübung zwischenmenschlicher Umgangsformen
• Einübung von Methoden der Konfliktbewältigung
• Einführung in Sinn und Formen priesterlichen Lebensstils
• Einübung in die Werke christlicher Nächstenliebe
• Kennenlernen diözesaner Sozialeinrichtungen
• Absolvierung eines Praktikums in einer kirchlichen Sozialeinrichtung

II. Geistliche Reifung:
• Einführung und Einübung in das geistliche Leben
• Vertiefung des sakramentalen Lebens, insbesondere in die tägliche Eucharistiefeier und den regelmäßigen Empfang des Bußsakraments
• Einführung und Einübung in das gottesdienstliche Leben der Kirche
• je nach Bedarf Einübung in den Ministranten- und Lektorendienst
• Kennenlernen diözesaner Frömmigkeitsformen
• Kennenlernen diözesaner Heiligtümer und geistlicher
Fortbildungseinrichtungen
• Kennenlernen geistlicher Gemeinschaften und Bewegungen

III. Intellektuelle Reifung:
• je nach Bedarf Studium der deutschen Sprache
• Studium der klassischen Sprachen (Latein und Griechisch)
• Vertiefung der Kenntnis kirchlicher Glaubenslehre
• Studium der Diözesangeschichte
• Studium heimischer Kulturgeschichte
• Studium von Geschichte und Praxis kirchlicher Kunst und Musik
• Einführung in das Studium der Philosophie und Theologie

14. Die „propädeutische Phase“ umfasst sowohl theoretische Unterweisung als auch praktische Übungen, die gegebenenfalls durch Exkursionen ergänzt werden können. Fester Bestandteil der „propädeutischen Phase“ ist darüber hinaus eine mindestens fünftägige Romreise.

15. Die Leiter unterhalten engen Kontakt mit dem Diözesanbischof und unterrichten ihn regelmäßig über den Verlauf der „propädeutischen Phase“ sowie die individuellen Fortschritte der Teilnehmer.

16. Zum Ende der „propädeutischen Phase“ legen die Leiter dem Diözesanbischof ein schriftliches Gutachten über jeden einzelnen Teilnehmer vor.

17. Außerdem erarbeiten die Leiter der „propädeutischen Phase“ aufgrund der in diesem Dekret erlassenen Normen und der gesammelten praktischen Erfahrungen dem Diözesanbischof baldmöglichst den Entwurf eines Statuts für die dauerhafte Einrichtung der „propädeutische Phase“.


St. Pölten, am Gedenktag Unserer Lieben Frau von Fatima, dem 13. Mai 2004.



Dr. Kurt Krenn
Bischof von St. Pölten

Zl. O-970/04

Die Publikation erfolgte am 15. Juni 2004 im St. Pöltner Diözesanblatt.

 

 


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 16.06.2004 und aktualisiert am 24.09.2004.

 

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