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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

 

Hirtenbrief zur Fastenzeit 2000

Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Liebe Mitbrüder!

1.         Noch einmal darf ich betonen, wofür ich schon am 3. Adventsonntag 1999 zum Beginn des Jubiläumsjahres 2000 an die Priester und Gläubigen der Diözese geschrieben habe. Ich freue mich, daß viele Christen sich bisher schon gemüht haben, das Gnadenjahr 2000 in ihrer Umkehr zu Gott, in der Neuordnung ihres Lebens und in der größeren Bereitschaft zum Guten zu leben. Allen danke ich herzlich, die sich bisher schon gemüht haben, das große Anliegen unseres Heiligen Vaters bereitwillig mitzutragen; andere mögen diesem guten Beispiel noch folgen, um Zeugnis von der Wahrheit und Liebe Gottes zu geben.

2.         Gegenüber Gott kann nie genug sein, was wir Menschen mit Glauben, Hoffnung und Liebe tun. Nunmehr ist die Fastenzeit 2000 gekommen; diese Fastenzeit kann und darf sich in vielem unterscheiden von dem, was bisher durch Gewohnheit, Nachlässigkeit, Schlampigkeit und erkalteter Liebe in unserer Seele Schaden genommen hat; jeder Tag aber hat es in sich, daß wir Besserung versuchen und damit Gott näher kommen.

Welchen Weg wollen wir wählen ? Als Gott durch Mose seine Gebote und sein Gesetz seinem Volk kundgetan hatte, ließ er durch Mose sagen: “Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen. Liebe den Herrn, deinen Gott, hör auf seine Stimme, und halte dich an ihm fest; denn er ist dein Leben” (Dtn 30,19 f). Leben aus der Liebe zu Gott wird es sein, was uns von Sünde heilt und uns neue Menschen sein läßt.

3.         Manche meinen, daß die Kirche und ihre Priester nicht immer von Gott reden sollten; man sollte sich mehr mit Trends, Moden und Meinungsforschung beschäftigen; damit wüßte man vielleicht noch mehr über uns Menschen und könnte in Strukturen, Programmen und Klugheiten ein pastorales System aufbauen, das von der Mehrzahl akzeptiert wird und sich nicht mehr in Gott, in der Offenbarung und im Glauben begründen muß. Auch der Mensch von heute ist versucht, alles Wichtige ohne Gott oder sogar gegen Gott vollbringen zu wollen. Es ist der Mangel an Glauben und Vertrauen auf Gott, ein Mangel der Liebe zu Gott, der uns die Wahl des Lebens erschwert und schließlich zum Tod der Liebe führt.

4.         Es gehört zur Tragik des Menschen, daß er gottlos sein kann, auch wenn er wie ein aktiver Christ sich gebärdet; es gibt viele Schichten unseres Menschseins, in denen wir wie Gläubige aussehen; aber in der Tiefe der Seele können wir noch immer von Gott nicht berührt sein und so leben als ob es Gott nicht gäbe. Der christliche Aktivismus kann noch weit vom lebendigen und wahren Gott entfernt sein. Man kann sogar ein Theologe - ein Gottesgelehrter - sein und statt Gotteslehre nur eine Gottes - Leere in sich tragen. Das Buch Kohelet, ein sehr realistisches Buch des Alten Testaments über den Menschen, sagt am Schluß: “Im übrigen, mein Sohn, laß dich warnen: Es nimmt kein Ende mit dem vielen Bücherschreiben, und viel Studieren ermüdet den Leib. Hast du alles gehört, so lautet der Schluß: Fürchte Gott und achte auf seine Gesetze! Das allein hat jeder Mensch nötig. Denn Gott wird jedes Tun vor das Gericht bringen, das über alles Verborgene urteilt, sei es gut oder böse” (Koh 12,12-14).

5.         Es gibt unzählige Ratschläge und Rezepte, die wohlmeinende, aber auch schadenfrohe Menschen der Kirche aufdrängen. Auch die Kirche Christi kann sich nicht in solchen Perspektiven erneuern, die ohne Glauben und ohne Entscheidung für Gott geschehen sollen. Immer wieder ist der Mensch zu jener “Selbsterlösung” versucht, die nicht durch Gottes Gnade, sondern nur durch eigene Leistung und Einsicht zur eigenen Ehre des Menschen vonstatten gehen soll. Christus aber hat uns erlöst; wir sind die Erlösten, wir sind jedoch nicht der Erlöser. Noch bevor Gott den Menschen am Anfang im Paradies schuf, wollte Gott nicht nur die Schaffung des Menschen aus Seele und Leib, sondern auch dessen Erlösung durch Christus; und damit auch Erlösung von der Erbsünde, Erlösung von persönlicher Sünde und Schuld. Noch ehe wir waren, waren wir schon vor Gott gegenwärtig. So sagt der Epheserbrief: Gott hat uns in Christus “erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott, er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus” (vgl. 1,4 f).

In Christus vereinen sich Zeit und Ewigkeit; was in der mühsamen Geschichte der Welt sich abspielt, das hat in Christus seine ewige Vorgabe und volle Wirklichkeit bei Gott. Auch wenn wir Tag für Tag und Jahr für Jahr im Zeitablauf der Geschichte nur langsam vorankommen, ist in Christus bei Gott dennoch alles schon erwählt, geschaffen, geheiligt, erhoben, erlöst und gerichtet. Daß wir Menschen in der ewigen Vorgabe und zugleich in der geschichtlichen zeitlichen Aufgabe stehen, macht zum einen die Mühe des Daseins und zum anderen die Hoffnung und Gewißheit auf unser Heil aus.

6.         Es ist ein sehr ernstes Wort, daß mit Christus die Zeit erfüllt ist (vg. Gal 4,4). In der Geschichte wird sich noch viel ereignen, ehe das allgemeine Gericht Gottes alle Schöpfung richtet und ein neuer Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt, sein werden (vgl. 2 Petr 3,13). Alles steht schon von Ewigkeit in Christus und gilt für alle Zeiten; aber in der Zeit unseres Lebens ist Gott geduldig mit uns, denn er will nicht, daß jemand zugrunde geht, sondern daß alle sich bekehren (vgl. 2 Petr 3,9). Die Geduld Gottes mit uns ist es, die einen Tag wie tausend Jahre sein läßt und die ewige Macht Gottes ist es, die tausend Jahren den Ernst und die Dringlichkeit eines Tages gibt (vgl. 2 Petr 3,8).

7.         In Christus hat unser Glaube die letzte Gültigkeit erreicht; unser Glaube entwickelt sich fort im Geist der Wahrheit, den uns Jesus verheißen hat; aber nichts mehr kann je verändern oder aufheben, was Christus uns vorgibt. Jesus sagt: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Mt 24,35). Dies gilt als das Gesetz Christi auch für die Unauflöslichkeit und Heiligkeit der Ehe; dies gilt in den Geboten Gottes; dies gilt in den Sakramenten der Kirche; dies gilt im Heilswillen Gottes, der will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen; dies gilt im höchsten Gebot der Gottes- und Nächstenliebe.

8.        Diesen Ernst der Geduld und Liebe Gottes will auch das Gnadenjahr 2000 verkünden. Die nunmehr begonnene Fastenzeit sei eine besondere persönliche Österliche Bußzeit. Jeder möge in der Fastenzeit ehrlich, würdig und dankbar das Sakrament der Buße und die hl. Osterkommunion empfangen.

            Bringt Opfer aus Liebe zu Gott und tut Gutes. Werdet nicht müde im Gebet, pflegt das gemeinsame Gebet auch in der Öffentlichkeit, kümmert euch um die Familien; erzieht die Kinder und Jugend in der Gottesfurcht und zu christlicher Solidarität. Besucht gewissenhaft an jedem Sonntag die heiligste Eucharistie; nehmt eure Nachbarn und Kollegen zur Meßfeier mit. Sagt den Fernstehenden und den mit Gott Hadernden, daß es für jeden Tag einen Weg zu Gott und zur Heimkehr zum barmherzigen Vater gibt. Führt die Ausgetretenen wieder in unsere Kirche zurück; ebnet den Suchenden den Zugang zum Glauben.

9.         Nehmt euch die Mühe, denen das Christsein vorzuleben und zu erläutern, die wenig oder gar nichts von der Lehre unseres Glaubens wissen. Das Nichtwissen im Glauben schafft Verwirrung im Leben und in den Lebensentscheidungen. Unterstützt unsere Religionslehrer und alle Lehrer in der Vernunft- und Herzensbildung unserer Jugend. Urteilt mit einem christlich gebildeten Gewissen über Gut und Böse; alles Böse beleidigt auch Gott, das Gute läßt uns Gott ähnlich werden. Lebt in der Keuschheit des Leibes und in der Reinheit der Liebe. Seid treu zueinander, auch zum Wohl eurer konkreten Gemeinschaft, in die ihr gestellt seid. Betet um viele Priester- und Ordensberufe für unsere Diözese. Erweist einander Ehrfurcht und Liebe. Hört auf die Lehre der Kirche, vor allem auf das Wort des Papstes.

10.       Glaubt nicht alles, was gemeldet, geschrieben und als Tatsache behauptet wird; prüft alles und laßt nur die Wahrheit gelten. Hört nicht auf, auch selbst zu denken und zu urteilen. Habt Zuversicht und Gottvertrauen, auch in schweren Stunden. Schämt euch nicht eures Glaubens; habt den Mut, als Christen auch anders zu leben und zu handeln als von den Mächtigen Getriebene. Werdet frei von allen Zwängen und Egoismen; nur der freie Mensch ist des Guten fähig. Betet für unser Volk und unsere Politiker; tretet ein für die Sache Christi, auch in der Welt.

11.      Ihr werdet euch sicherlich wieder an der Fastenaktion der Diözese beteiligen; den Gebern, den Sammlern und allen Helfern danke ich dafür sehr herzlich.

In allen Mühen und Entscheidungen geht es immer um dich und um Gott. Was dir Heil und Gnade bringen soll, muß immer und in jedem Fall deine Entscheidung für Gott sein.  Durch die Entscheidung für Gott wollen wir Ordnung finden in unserem Leben. Jeder von uns lasse sich in dieser Stunde sagen, was der Apostel Paulus an die Epheser schreibt: „Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein“ (Eph 5,14).

Mit allen guten Wünschen für eine gnadenvolle Fastenzeit und für ein freudiges Osterfest  segnet euch

+ Kurt Krenn

Diözesanbischof

St. Pölten, 1. Fastensonntag 2000

Dieser Fastenhirtenbrief ist am Sonntag, 12. März 2000, in allen Kirchen der Diözese beim Gottesdienst zu verlesen.


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 26.02.2000.

 

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