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Hirtenbrief zur Fastenzeit und zum Osterfest 2003

Teil I

Mit vielen guten Wünschen an die Gläubigen unserer Diözese möchte ich diesen Hirtenbrief zur Fastenzeit und zum Osterfest beginnen. Was erwartet sich Gott von uns in diesen Tagen? Wir irren sicher, wenn wir meinen, dass Gott sich nichts erwartet. Ich will jedoch Jesus selbst zu Wort kommen lassen: Es sind die Worte bei Markus, mit denen Jesus das Kommen des Reiches Gottes ankündigt: "Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist nahe. Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium" (Mk 1,15). Dies muss auch bei uns für die Fastenzeit gelten.
Um gottgefällig zu fasten, genügt es nicht, weniger zu essen und weniger zu tun. Wir müssen bewusst wahrnehmen, dass die Zeit erfüllt ist und das Reich Gottes naht. Viele meinen, Gott zu gefallen, wenn sie nichts wollen, nichts wissen und nichts tun; viele meinen, dass der faule Untätige Gott gefällt, weil er nichts tut und damit nicht sündigt. Erfüllt jedoch ist im Sinne Christi die Zeit, die Früchte bringt. Früchte gibt es dort, wo der Heilige Geist am Werk ist.
Ich erinnere euch an den Epheserbrief, der auch dies vom neuen Menschen fordert, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit: "Legt die Sünde ab und redet miteinander in Wahrheit" (3,15). Schon der Teufel hat mit der Lüge versucht, den Menschen von Gott abzubringen. Es gibt viele Arten der Lüge in unserer Welt. Sagt die Wahrheit und schweigt lieber als zu lügen; das Schlimmste an der Lüge ist der bewusste Vorsatz zur Lüge. Der Irrtum ist noch keine Lüge, wer aber den Irrtum entdeckt und der Wahrheit nicht ihren Raum gibt, der lügt schließlich mit Vorsatz und ist ein Lügner. Die Lüge hat viele Systeme, in denen sie gedeiht. Ein besonders zur Lüge anfälliges System liegt in den Massenmedien, die manchmal viel zur Lüge und zum Zorn beitragen, wenn sie nicht die volle Wahrheit sagen, wenn sie Notwendiges verschweigen, wenn sie die Reihenfolge der Ereignisse verdrehen oder Wirkliches einfach unterschlagen. Gott ist die Liebe, Gott ist aber auch die Wahrheit, die nichts anderes als Wahrheit ist.
Im Paradies versprach der Teufel dem Menschen, dass er sein werde wie Gott; dieses Versprechen war die schlimmste aller Lügen. Jesus selbst nennt den Teufel den Vater der Lüge (vgl. Joh 8,44). Durch Lüge verführt der Teufel immer wieder die Menschen und bringt sie in die Knechtschaft der Sünde. Wenn wir aber Jünger Christi werden, werden wir die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird uns befreien (vgl. Joh 8,31 f).
Liebe Gläubige! Bleibt im Wort Jesu und seid seine Jünger; Christus wird euch befreien. Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde; die Wahrheit Christi jedoch kann uns befreien.
In Zeiten des Fastens und der Bekehrung muss der Bischof daran erinnern, dass die schwierigen pastoralen Probleme, derentwegen Papst und Bischöfe oft beschimpft und getadelt werden, nicht die Erfindung der Hirten der Kirche sind, sondern aus den Geboten Christi ihren Ursprung haben. Wenn jemand die Ehe bricht oder bei bestehender Ehe sich bürgerlich wiederverheiratet, wenn jemand in wilder Ehe lebt, der versündigt sich an Gesetz und Gebot Christi. Wer in seinen Lebensentscheidungen Christus missachtet und sich nicht bekehrt, der ist aus eigener Verantwortung nicht fähig zum Sakramentenempfang. Ich frage mich als Bischof, wie es Seelsorger geben kann, die geschiedene Wiederverheiratete zur Kommunion einladen, auch wenn sie gegen die Ordnung Christi leben. Auf solche Seelsorger trifft zu, dass ein Blinder einen Blinden zu führen sucht.
Große Sorge bereitet den Eltern und der Kirche, dass die jungen Frauen und Männer ohne Prüfung und ohne Eheschließung in wilder Gemeinschaft zusammenleben. Viele Gläubige, auch die Eltern, sind stumm geworden und ertragen oft mutlos und verzagt die Sünden der Kinder. Jeder weiß auch im innersten Gewissen, dass darauf kein Segen liegt und unsere Jugend dabei verwahrlost. Bei diesem Anlass wirft der Zeitgeist der Kirche allzu große Strenge vor und behauptet, dass die Kirche wegen solcher Gewissenhaftigkeit die Jugend verliert. Dagegen möchte ich die Frage stellen: Was ist schlimmer? Wenn die Kirche die Jugend verliert oder wenn unsere Jugend Gott verliert? Die Sünde der Unkeuschheit ist ein Gottesverlust; ohne Gott wird unsere Jugend keine menschenwürdige Zukunft haben.
Man macht es unserer Jugend heute nicht leicht: Die Unzucht ist ein großes Geschäft geworden. Pornographie und der Verlust aller gottgeschenkten Werte regen heute nicht mehr auf. Aber es gibt dennoch die kleine Schar der Getreuen, die den Geboten Gottes gehorchen und am Zeugnis für Jesus festhalten.
Liebe Eltern! Schweigt nicht und bekümmert euch um eure Kinder, wenn bis ins kleinste Dorf vor allem über das Fernsehen das Gift der Gottlosigkeit transportiert wird. Es ist die Gottesfurcht, die unseren jungen Menschen genommen wird. Wo Gott verschwindet, ziehen Chaos und moralische Unordnung in die Herzen der Menschen ein. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Euer Fasten sei der Weg zu eurer Heiligkeit, die nichts anderes als die Liebe zu Gott ist.

Teil II

Eine Sorge, die immer mehr zu einer Katastrophe wird, ist die Ablehnung des Kindes bei vielen Eheleuten. Gott schuf den Menschen und wollte, dass aus der ehelichen Gemeinschaft von Mann und Frau neues Leben kommt. Unser Land braucht viel mehr Kinder, als heute geboren werden. Eines der ungelösten Probleme z. B. bei den Pensionen ist die Zahl der künftigen Kinder, die den Generationenvertrag übernehmen und einlösen müssen. Wo ein Land unter das Bevölkerungsminimum fällt, dort geht es unaufhörlich abwärts, weil die kleinen Gemeinschaften zerfallen. Die letzte Volkszählung hat für Niederösterreich ein durchaus erfreuliches Resultat gebracht; aber es sind unsere entlegenen ländlichen Gebiete, die kinderarm sind und ihr letztes Minimum an Infrastruktur verlieren: Verlust der Ämter und Dienste, Auflösung der Schulen und Entleerung einst blühender Orte und Gemeinden. Vieles wird den Menschen als Fortschritt angepriesen, was Sünde ist und zerstört. Abtreibung des ungeborenen Kindes; Verhütung des Kindes in sündiger Weise; Verächtlichmachung der Mutteraufgabe der Frau, wildes Zusammenleben ohne Ehe; Ehebruch und Ehescheidung; überall spielt sich in solchen Sünden das Drama des Gottesverlustes des Menschen ab. Wo Gott verloren geht, erlischt das Gewissen, triumphieren Egoismus und Lüge, und es stirbt überall die Liebe.
Es geht in der Fastenzeit um das Heil eurer Seele, um eure Nähe zu Gott und um euer Mitwirken am Kommen des Reiches Gottes, das Christus selbst uns zugesagt hat. Lasst euch nicht verführen; auch die Neigung zum Bösen in uns selbst ist sehr erfinderisch und schlau. Liebe Eltern! Erzieht eure Kinder zur Gottesfurcht; wer Gott fürchtet, der kann täglich seine Gottesfurcht zur Gottesliebe weiterentfalten.
Seien wir demütig vor Gott und prahlen wir nicht; unsere Familien brauchen Mut und Demut. Wie töricht sind die Menschen, die meinen jemand Besonderer zu sein, weil sie etwas haben, was andere nicht haben. Prahlerei und Verschwendung sind nicht nur Dummheit, sondern auch sündiger Stolz und unsozialer Egoismus.
Wo die Sünde auf diese Weise herrscht, dort sind die Berufungen für das Reich Gottes gefährdet. Wir haben große Sorgen in unserem Land, weil die Lauheit und Gleichgültigkeit oft das Lebensgefühl unserer Gläubigen sind. In unserem Land wird der Segen Gottes nur konkret, wenn unsere Familien heilig sind, unsere Priester für Gott und die Kirche begeistern und junge Männer und Frauen dem Ruf Christi zum gottgeweihten Dienst folgen.
Der Priester ist niemals ersetzbar, weil nur der Priester die Eucharistie feiern und Sündenvergebung in Christi Namen gewähren kann. Ich erinnere jeden von euch an die Gewissenspflicht zur regelmäßigen Sonntagsmesse und an das Minimum einer würdigen und persönlichen jährlichen Beichte. Die österliche Bußzeit will die Erinnerung der Kirche an die Gnade Gottes sein, die für uns in diesem Leben niemals zu spät ist. Seid keine Schläfer und Verweigerer; Christus will jeden erlösen. Wortgottesdienste sind kein Ersatz für die hl. Messe und erfüllen auch nicht die Sonntagspflicht, der Bischof besteht auf dieser Klarstellung. Der Bischof bittet die Priester um gehorsame Gewissenhaftigkeit. Auch die Predigt in der Eucharistiefeier ist dem Priester und Diakon ausschließlich vorbehalten.
Früher galt der Ungehorsam als zeitgemäß und mutig. Heute gehört zum Ungehorsam und zur Disziplinlosigkeit keine besondere Leistung. Ich denke dabei an die Unordnung und Beliebigkeit in der Feier der Liturgie und in der geistlichen Kleidung der Priester. Liebe Mitbrüder, denkt an Christus und lebt in seinem Gehorsam, der bis zum Tod am Kreuz konsequent ist. Stolz und Ungehorsam liegen den vielen Sünden gegen das Gesetz Christi und gegen die Ordnung der Kirche zugrunde. Herr, erbarme dich deiner Kirche, die demütige Priester und Gläubige braucht!
In unserem Land finden am 30. März Wahlen zum Niederösterreichischen Landtag statt. Für jeden Christen gehört es zur selbstverständlichen Bürgerpflicht, an der Wahl teilzunehmen. Mit eurer Stimme könnt ihr in Freiheit am Wohl unseres Bundeslandes mitgestalten. Ihr seid frei; aber eure Wahlentscheidung soll für jene Kandidaten gelten, die christliche Grundsätze vertreten, die hilfsbereit sind und nach den Geboten Christi leben. In politischen Fragen darf es durchaus entgegengesetzte Urteile geben. Die Kirche muss auch in politischen Fragen an die Gebote Gottes verbindlich erinnern, dennoch kann es sein, dass Christen bei gleicher Gewissenhaftigkeit in der gleichen Frage zu einem anderen Urteil kommen (vgl. Vat. II, Gaudium et spes, Nr. 43). Niemand darf die Autorität der Kirche ausschließlich für sich und seine eigene politische Option in Anspruch nehmen.
Das Evangelium Christi muss von den Christen auch politisch bezeugt werden; die Christen müssen die Welt mit christlichem Geist durchdringen. Die Kirche steht zu den politischen Optionen nicht in gleicher Distanz; es sind vielmehr die politischen Parteien selbst, die dem Glauben und der Kirche gegenüber in verschiedener Nähe stehen. Die Parteien sollen sich von den Gläubigen bezüglich solcher Nähe prüfen lassen.
Liebe Gläubige! Auch für die Fastenzeit 2003 sind euch viele Aufgaben von Christus gestellt. Besteht in den Prüfungen Gottes; tut Gutes und helft den Notleidenden. Habt Hoffnung und Glauben, die Früchte des Geistes seien euch reichlich geschenkt. Feiert ein gnadenvolles Osterfest.


St. Pölten, am 5. März 2003 (Aschermittwoch)

+ Kurt Krenn

Dieser Hirtenbrief ist in zwei Teilen am 1. Fastensonntag, dem 9. März 2003, und am 2. Fastensonntag, dem 16. März 2003, bei allen Gottesdiensten zu verlesen.


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 04.03.2003

 

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