Der folgende Beitrag ist dem Begleitheft zur Sonderausstellung des Diözesanmuseums St. Pölten, hg. im Jubiläumsjahr 2000 vom Bischöflichen Ordinariat St. Pölten, mit dem Titel „’Ihr Heiligen unseres Landes ...’ Auf den Spuren von Heiligen und Seligen in Niederösterreich“ entnommen. Der Autor des Beitrags über den heiligen Hippolyt, Dr. Friedrich Schragl, ist Professor für Kirchengeschichte und Patrologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten.
Der heilige Hippolyt
Sein Leben
Für das Leben dieses Heiligen
gibt es einige fixe Daten, wenn auch vieles offen bleibt. Vermutlich wurde er
spätestens vor oder um 170 im Griechisch sprechenden Osten des Römischen
Reiches geboren (Kleinasien, Syrien, Ägypten). Er soll ein Schüler
des hl. Irenäus von Lyon gewesen sein, der seinerseits aus Smyrna (Izmir)
in Kleinasien stammte. Unter Papst Viktor (etwa 189-199) war er in Rom als Presbyter
tätig. In der Folge beschäftigte er sich als Schriftsteller und Gelehrter.
Unter Papst Zephyrinus (etwa 199-217) verlor er offensichtlich an Einfluss,
da nach dessen Tod sein Rivale Kallistus zum Papst gewählt wurde (etwa
217-222). Dieser hatte unter seinem Vorgänger Zephyrinus als Diakon Karriere
gemacht; es war ihm die Sorge um die kirchlichen Begräbnisplätze (Coemeterien,
später Katakomben genannt) anvertraut worden. Zum Bischof von Rom geworden,
warf ihm Hippolyt vor, in Ehesachen lax zu sein und dass sein Dreifaltigkeitsglaube
nicht in Ordnung sei. Hippolyt vertrat eine eher konservative Linie, die sich
aber in der Ehefrage eher auf die übliche römische Rechtslage und
weniger auf die christliche Überlieferung stützte. Jedenfalls brach
er die Gemeinschaft mit Kallistus und gründete eine Sondergemeinde. Ihn
als ersten Gegenpapst der Geschichte zu bezeichnen, ist übertrieben und
für die damalige Zeit nicht angemessen. Aber es bezeichnen ihn Eusebius
von Caesarea und Hieronymus als Bischof, ohne allerdings seinen Sitz zu nennen.
Wie stark die Gemeinde Hippolyts war, lässt sich nicht eruieren. Seine
rigorose Richtung fand dann nach seinem Tod weiterhin Anhänger, die als
Novatianer (nach Novatian) bezeichnet wurden.
Das Schisma in Rom setzte sich auch unter den Päpsten Urban (222-230) und
Pontian (230-235) fort. Im Jahre 235 brach nach längerer Zeit unter dem
ersten Soldatenkaiser Maximinus Thrax (235-238) eine Christenverfolgung aus.
Sie richtete sich vor allem gegen die führenden Personen der Kirche (aber
auch gegen die heidnischen Tempel, die er plündern ließ). So wurden
auch Pontian und Hippolyt nach Sardinien zur Zwangsarbeit im Steinbruch verbannt,
was einem Todesurteil gleichkam. Dort verzichtete Pontian am 28. September 235
auf sein Bischofsamt (erstes geschichtlich gesichertes Datum der Papstgeschichte).
Wie aus dem Epigramm des Papstes Damasus (366-384) hervorgeht, hatte sich damals
Hippolyt mit dem Papst versöhnt. Wahrscheinlich starben beide noch im selben
Jahr. Damit war die Wahl für einen neuen Papst frei. Rom wählte Anterus,
der aber schon am 3. Jänner 236 starb. Sein Nachfolger Fabianus (236-250)
ließ die Körper der beiden nach Rom überführen. Sie wurden
an einem 13. August wahrscheinlich 236 beigesetzt: Pontian in der Papstgruft
in der Kallistuskatakombe, Hippolyt in einer Grabanlage an der Via Tiburtina
in der Nähe der späteren Kirche San Lorenzo.
Sein Werk und seine Bedeutung
Wie schon gesagt, war Hippolyt auch in der Theologie tätig. Nach den damaligen Zuständen in der römischen Gemeinde schrieb er griechisch, was mit ein Grund dafür war, dass er in Rom bald vergessen wurde. Denn bald nach ihm setzte sich im christlichen Rom die lateinische Sprache durch. Es sollen hier nicht alle seine Werke angeführt werden. Einige aber seien genannt: Hippolyt ist einer der ersten Exegeten, die verschiedene Schriften des Alten und Neuen Testaments kommentierten. Weiters schrieb er eine Weltchronik und eine Widerlegung aller Häresien, worin er im neunten Buch mit seinem Gegner Kallistus abrechnet. Ziemlich sicher geht auf ihn auch die ,,Apostolische Überlieferung" (traditio apostolica) zurück. Sie ist auch auf der Statue verzeichnet, die man 1551 fand und die heute beim Eingang der vatikanischen Bibliothek steht (Abb. 11). Sie war ein Torso, wurde dann ergänzt durch einen Philosophenkopf, die Beine und Unterkleider dürften aber von einer Frauenstatue stammen. Echt ist aber die Kathedra (sein Lehrstuhl), auf dem ein Verzeichnis seiner Werke eingemeißelt ist. Darunter befindet sich auch die ,,Apostolische Überlieferung", die um etwa 210/215 verfasst wurde. Es handelt sich dabei um ein kirchenrechtlich-liturgisches Werk, das uns die Zustände in der Kirche um 200 und vorher überliefert. So werden darin die Funktionen in der christlichen Gemeinde geschildert: Bischof, Presbyter, Diakon und deren Weihe. Weiters behandelt sie die Stände der Witwen, Lektoren, Jungfrauen, Subdiakone und Exorzisten, die Vorbereitung und Durchführung der Taufe, Firmung und Eucharistie. Bemerkenswert ist vor allem die Schilderung der Bischofsweihe, wobei erstmals ein Hochgebet schriftlich formuliert ist. Dessen Gedanken finden sich vor allem in der Präfation des heutigen zweiten Hochgebets (Hippolyt-Kanon). Bei der Ausarbeitung der Liturgiereform im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils wurde nicht zuletzt auf die ,,Apostolische Überlieferung" zurückgegriffen. Sie hat somit bis zur Gegenwart Aktualität. Allerdings fanden die Schriften Hippolyts im Altertum keinen weiteren Nachhall im Abendland, denn hier setzte sich noch im dritten Jahrhundert unter den Christen die lateinische Sprache durch. Wohl aber fanden seine Schriften im Osten Anklang und sind uns in Griechisch, in den ägyptischen Dialekten, auf arabisch und äthiopisch zum Teil erhalten.
Hippolyt in der Legende
Schon früh wurden Beziehungen zum gleichnamigen Heros der griechischen Mythologie Hippolytos hergestellt, dessen Name mit Pferdelöser übersetzt werden kann; er wurde von Pferden zu Tode geschleift. Doch setzte sich schon um 500 die so genannte ,,Offizierslegende" durch. Demnach war Hippolytus der Kerkermeister des hl. Laurentius, was allerdings zeitlich um einige Jahrzehnte nicht zusammenpasst. Auf Grund der zahlreichen Wunder, die Laurentius im Kerker wirkte, bekehrte sich Hippolyt zum Christentum und ließ sich mit seiner ganzen Familie (Hausangehörige) taufen. Nach dessen Martyrium begrub er den Leichnam des hl. Laurentius. Er bekannte sich sodann öffentlich als Christ. Der Kaiser befahl ihm daraufhin, seine Taufkleidung abzulegen und sich als römischer Ritter zu bekleiden. Daraufhin wurde er von Pferden zu Tode geschleift. Deswegen wird auch Hippolyt meist als römischer Soldat oder als Ritter dargestellt (Abb. 12). Die älteste Darstellung in St. Pölten (ein Urkundensiegel, Abb. Frontispiz) zeigt ihn allerdings als römischen Bürger in Toga und mit der Palme als Zeichen des Martyriums. Auf Grund der Legende wurde er zum Patron der Gefängniswärter und der Pferdehalter.
Hippolyt und St. Pölten
Der Weg, den Hippolytus nach dem
nach ihm benannten St. Pölten genommen hat, ist nicht recht klar. Es lässt
sich vermutlich folgender Sachverhalt darstellen: Nach dem ursprünglichen
römischen Recht durften Gräber nicht gestört werden. Im achten
Jahrhundert aber kam es zu einer Annäherung zwischen den Päpsten in
Rom und dem fränkischen Reich. Einer der Vermittler war Abt Fulrad von
St. Denis. Von ihm wissen wir, dass er verschiedentlich Reliquien ins Frankenreich
brachte, sicherlich auch Reliquien des hl. Hippolyt (um 765). Einen Teil davon
gab er auf seinen Erbbesitz in Fulradsweiler im Elsass. Der Ort bekam den Namen
St. Pilt oder französisch St. Hippolyte. Fulrad stand seinerseits mit den
Brüdern Adalbert und Autkar in Verbindung, die der Sage nach auch Gründer
von St. Pölten sind (siehe Darstellung im oberen Kreuzgang des Bistumsgebäudes
und bei der Bischofsstiege). Adalbert wurde erster Abt von Tegernsee. Dort sind
ebenso wie in Salzburg Hippolytreliquien nachgewiesen. Eine wohlbegründete
Tradition berichtet, dass von Tegernsee aus das Kloster St. Pölten gegründet
wurde. Vermutlich hat sich das Kloster Tegernsee, das eines der wohlhabendsten
in Bayern war, 791 am Awarenfeldzug Karls des Großen beteiligt und bekam
vom späteren Kaiser wie auch andere Klöster Güter im neu eroberten
Land zugesprochen. Auf einem solchen Besitz in der ehemaligen Römerstadt
Aelium Cetium errichtete es ein Kloster und stattete es mit Hippolytreliquien
aus.
Der Ort, der zunächst nach dem Fluss Traisma hieß, bekam schließlich
den Namen St. Pölten: 799, 823 Traisma, 976 Traisima ad monasterium Sancti
Yppoliti, ca. 1030 abbatia ad Sanctum Yppolytum, 1136 apud Sanctum Ypolitum,
1298 Sand Pölten. Es ist anzunehmen, dass das Kloster in St. Pölten
um 800 errichtet wurde und in Abhängigkeit von Tegernsee stand. Es kam
dann unter den Einfluss der Passauer Bischöfe; aber noch um 1030 reklamierte
es Tegernsee allerdings erfolglos für sich. Hippolyt war der Patron des
Klosters und der Klosterkirche. Im Spätmittelalter wurde an der Volksseite
des Lettners ein Marienaltar errichtet. Nach der Beseitigung des Lettners rückte
der Marienaltar als Hauptaltar in das Presbyterium an die Stelle des Hippolytaltars.
Hippolyt bekam nur mehr einen Seitenaltar zugewiesen und die Stifts- bzw. Domkirche
ist seither Mariä Himmelfahrt geweiht. Bei der Errichtung der Diözese
St. Pölten 1785 wurde aber der hl. Hippolyt zum Diözesanpatron erwählt.
Hippolytkirchen
Das Hippolytpatrozinium ist in Österreich
selten anzutreffen. Die Pfarrkirchen in Zell am See und in Eferding sind ihm
geweiht. Zell ist ein alter Ableger von Salzburg und ist so leicht erklärbar.
Bei Eferding gibt es für die Gründe keine Anhaltspunkte. Auch die
Pfarrkirche in Vichtenstein (Oberösterreich) trägt dieses Patrozinium.
Es geht auf eine im 14. Jahrhundert erwähnte Burgkapelle zurück, wurde
aber erst 1784 Pfarre und erhielt 1880 eine neu erbaute Hippolytkirche. In Niederösterreich
ist die Kirche in Harmannsdorf-Rückersdorf dem heiligen Hippolyt und dem
heiligen Kreuz geweiht. Hippolyt war ursprünglich alleiniger Patron. Zusammenhänge
mit St. Pölten sind denkbar. Abgekommen ist die ehemalige Pfarrkirche von
Ottenschlag am Pöltenberg beim dortigen Friedhof. Die Pfarrrechte wanderten
im 16./17. Jahrhundert (endgültig 1774) in die Marktkirche; sie selbst
brannte 1864 ab und wurde abgetragen; der Neubau (Friedhofskapelle) wurde in
einiger Entfernung 1870 errichtet. Hier besteht ein unmittelbarer Zusammenhang
zum Stift St. Pölten. Dieses hatte den Zehent in der Pfarre (Ober-)Meisling
inne, an deren westlichstem Punkt Ottenschlag lag. In St. Pölten selbst
gab es von 1898 bis 1938 eine Hippolytkapelle in der Lehrerbildungsanstalt,
und das diözesane Bildungs- und Exerzitienhaus (errichtet 1961) trägt
den Namen ,,St. Hippolyt"
Es sei noch an zwei weitere Kirchen erinnert, die wahrscheinlich auf die bayerische
Mission des neunten Jahrhunderts im Großmährischen Reich zurückgehen.
Die eine ist die Kirche in Pöltenberg bei Znaim (Svateho Hipolyta), einer
alten Propstei, die dann später an den Ritterorden vom Roten Stern kam.
Die andere ist der Dom zu Neutra (Nitra) in der Slowakei, der den hl. Emmeram
und Hippolyt geweiht ist.
Dagegen findet sich das Hippolytpatrozinium relativ häufig in Frankreich;
dort führen fünfzehn Orte den Namen St. Hippolyte, dazu kommen zahlreiche
weitere Kirchen. Aber auch in Deutschland und Norditalien kommt es vor.
Friedrich Schragl
Literatur:
R. Reutterer; Der heilige Hippolytus, Klagenfurt 1947
Ders., Die spätantike Bildersprache der Hippolytlegenden, Bozen 1976
F. Schragl, Das Stift St. Pölten und seine Beziehungen zu frühen Klostergründungen,
in: Hippolytus NF Heft 1 und 2 (St. Pölten 1981 und 1982)
Ders., Die Geschichte des Stiftes St. Pölten, in: H. Fasching (Hrsg.),
Dom und Stift St. Pölten und ihre Kunstschätze, St. Pölten-Wien
1985, S. 11-49
E. Lang, Hippolyt von Rom und seine Patronate in sechs europäischen Ländern,
Böhmkirch 1986
J. Frickel, Das Dunkel um Hippolyt von Rom. Ein Lösungsversuch: Die Schriften
Elenchos und Contra Noetum (= Grazer theologische Studien, Bd. 13), Graz 1988
G. Schöllgen und W. Geerlings, Didache = Zwölf-Apostel-Lehre und Traditio
Apostolica = Apostolische Überlieferung (Hippolytus) (= Fontes Christiani,
Bd. 1), Freiburg i. Br. 1991
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