Der folgende Beitrag ist dem Begleitheft zur Sonderausstellung des Diözesanmuseums St. Pölten, hg. im Jubiläumsjahr 2000 vom Bischöflichen Ordinariat St. Pölten, mit dem Titel „’Ihr Heiligen unseres Landes ...’ Auf den Spuren von Heiligen und Seligen in Niederösterreich“ entnommen. Der Autor des Beitrags über den heiligen Hippolyt, Dr. Friedrich Schragl, ist Professor für Kirchengeschichte und Patrologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten.

Der heilige Hippolyt

Patron der Diözese und der Stadt St. Pölten
Festtag: 13. August


Sein Leben

Für das Leben dieses Heiligen gibt es einige fixe Daten, wenn auch vieles offen bleibt. Vermutlich wurde er spätestens vor oder um 170 im Griechisch sprechenden Osten des Römischen Reiches geboren (Kleinasien, Syrien, Ägypten). Er soll ein Schüler des hl. Irenäus von Lyon gewesen sein, der seinerseits aus Smyrna (Izmir) in Kleinasien stammte. Unter Papst Viktor (etwa 189-199) war er in Rom als Presbyter tätig. In der Folge beschäftigte er sich als Schriftsteller und Gelehrter. Unter Papst Zephyrinus (etwa 199-217) verlor er offensichtlich an Einfluss, da nach dessen Tod sein Rivale Kallistus zum Papst gewählt wurde (etwa 217-222). Dieser hatte unter seinem Vorgänger Zephyrinus als Diakon Karriere gemacht; es war ihm die Sorge um die kirchlichen Begräbnisplätze (Coemeterien, später Katakomben genannt) anvertraut worden. Zum Bischof von Rom geworden, warf ihm Hippolyt vor, in Ehesachen lax zu sein und dass sein Dreifaltigkeitsglaube nicht in Ordnung sei. Hippolyt vertrat eine eher konservative Linie, die sich aber in der Ehefrage eher auf die übliche römische Rechtslage und weniger auf die christliche Überlieferung stützte. Jedenfalls brach er die Gemeinschaft mit Kallistus und gründete eine Sondergemeinde. Ihn als ersten Gegenpapst der Geschichte zu bezeichnen, ist übertrieben und für die damalige Zeit nicht angemessen. Aber es bezeichnen ihn Eusebius von Caesarea und Hieronymus als Bischof, ohne allerdings seinen Sitz zu nennen. Wie stark die Gemeinde Hippolyts war, lässt sich nicht eruieren. Seine rigorose Richtung fand dann nach seinem Tod weiterhin Anhänger, die als Novatianer (nach Novatian) bezeichnet wurden.
Das Schisma in Rom setzte sich auch unter den Päpsten Urban (222-230) und Pontian (230-235) fort. Im Jahre 235 brach nach längerer Zeit unter dem ersten Soldatenkaiser Maximinus Thrax (235-238) eine Christenverfolgung aus. Sie richtete sich vor allem gegen die führenden Personen der Kirche (aber auch gegen die heidnischen Tempel, die er plündern ließ). So wurden auch Pontian und Hippolyt nach Sardinien zur Zwangsarbeit im Steinbruch verbannt, was einem Todesurteil gleichkam. Dort verzichtete Pontian am 28. September 235 auf sein Bischofsamt (erstes geschichtlich gesichertes Datum der Papstgeschichte). Wie aus dem Epigramm des Papstes Damasus (366-384) hervorgeht, hatte sich damals Hippolyt mit dem Papst versöhnt. Wahrscheinlich starben beide noch im selben Jahr. Damit war die Wahl für einen neuen Papst frei. Rom wählte Anterus, der aber schon am 3. Jänner 236 starb. Sein Nachfolger Fabianus (236-250) ließ die Körper der beiden nach Rom überführen. Sie wurden an einem 13. August wahrscheinlich 236 beigesetzt: Pontian in der Papstgruft in der Kallistuskatakombe, Hippolyt in einer Grabanlage an der Via Tiburtina in der Nähe der späteren Kirche San Lorenzo.


Sein Werk und seine Bedeutung

Wie schon gesagt, war Hippolyt auch in der Theologie tätig. Nach den damaligen Zuständen in der römischen Gemeinde schrieb er griechisch, was mit ein Grund dafür war, dass er in Rom bald vergessen wurde. Denn bald nach ihm setzte sich im christlichen Rom die lateinische Sprache durch. Es sollen hier nicht alle seine Werke angeführt werden. Einige aber seien genannt: Hippolyt ist einer der ersten Exegeten, die verschiedene Schriften des Alten und Neuen Testaments kommentierten. Weiters schrieb er eine Weltchronik und eine Widerlegung aller Häresien, worin er im neunten Buch mit seinem Gegner Kallistus abrechnet. Ziemlich sicher geht auf ihn auch die ,,Apostolische Überlieferung" (traditio apostolica) zurück. Sie ist auch auf der Statue verzeichnet, die man 1551 fand und die heute beim Eingang der vatikanischen Bibliothek steht (Abb. 11). Sie war ein Torso, wurde dann ergänzt durch einen Philosophenkopf, die Beine und Unterkleider dürften aber von einer Frauenstatue stammen. Echt ist aber die Kathedra (sein Lehrstuhl), auf dem ein Verzeichnis seiner Werke eingemeißelt ist. Darunter befindet sich auch die ,,Apostolische Überlieferung", die um etwa 210/215 verfasst wurde. Es handelt sich dabei um ein kirchenrechtlich-liturgisches Werk, das uns die Zustände in der Kirche um 200 und vorher überliefert. So werden darin die Funktionen in der christlichen Gemeinde geschildert: Bischof, Presbyter, Diakon und deren Weihe. Weiters behandelt sie die Stände der Witwen, Lektoren, Jungfrauen, Subdiakone und Exorzisten, die Vorbereitung und Durchführung der Taufe, Firmung und Eucharistie. Bemerkenswert ist vor allem die Schilderung der Bischofsweihe, wobei erstmals ein Hochgebet schriftlich formuliert ist. Dessen Gedanken finden sich vor allem in der Präfation des heutigen zweiten Hochgebets (Hippolyt-Kanon). Bei der Ausarbeitung der Liturgiereform im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils wurde nicht zuletzt auf die ,,Apostolische Überlieferung" zurückgegriffen. Sie hat somit bis zur Gegenwart Aktualität. Allerdings fanden die Schriften Hippolyts im Altertum keinen weiteren Nachhall im Abendland, denn hier setzte sich noch im dritten Jahrhundert unter den Christen die lateinische Sprache durch. Wohl aber fanden seine Schriften im Osten Anklang und sind uns in Griechisch, in den ägyptischen Dialekten, auf arabisch und äthiopisch zum Teil erhalten.


Hippolyt in der Legende

Schon früh wurden Beziehungen zum gleichnamigen Heros der griechischen Mythologie Hippolytos hergestellt, dessen Name mit Pferdelöser übersetzt werden kann; er wurde von Pferden zu Tode geschleift. Doch setzte sich schon um 500 die so genannte ,,Offizierslegende" durch. Demnach war Hippolytus der Kerkermeister des hl. Laurentius, was allerdings zeitlich um einige Jahrzehnte nicht zusammenpasst. Auf Grund der zahlreichen Wunder, die Laurentius im Kerker wirkte, bekehrte sich Hippolyt zum Christentum und ließ sich mit seiner ganzen Familie (Hausangehörige) taufen. Nach dessen Martyrium begrub er den Leichnam des hl. Laurentius. Er bekannte sich sodann öffentlich als Christ. Der Kaiser befahl ihm daraufhin, seine Taufkleidung abzulegen und sich als römischer Ritter zu bekleiden. Daraufhin wurde er von Pferden zu Tode geschleift. Deswegen wird auch Hippolyt meist als römischer Soldat oder als Ritter dargestellt (Abb. 12). Die älteste Darstellung in St. Pölten (ein Urkundensiegel, Abb. Frontispiz) zeigt ihn allerdings als römischen Bürger in Toga und mit der Palme als Zeichen des Martyriums. Auf Grund der Legende wurde er zum Patron der Gefängniswärter und der Pferdehalter.

 

Hippolyt und St. Pölten

Der Weg, den Hippolytus nach dem nach ihm benannten St. Pölten genommen hat, ist nicht recht klar. Es lässt sich vermutlich folgender Sachverhalt darstellen: Nach dem ursprünglichen römischen Recht durften Gräber nicht gestört werden. Im achten Jahrhundert aber kam es zu einer Annäherung zwischen den Päpsten in Rom und dem fränkischen Reich. Einer der Vermittler war Abt Fulrad von St. Denis. Von ihm wissen wir, dass er verschiedentlich Reliquien ins Frankenreich brachte, sicherlich auch Reliquien des hl. Hippolyt (um 765). Einen Teil davon gab er auf seinen Erbbesitz in Fulradsweiler im Elsass. Der Ort bekam den Namen St. Pilt oder französisch St. Hippolyte. Fulrad stand seinerseits mit den Brüdern Adalbert und Autkar in Verbindung, die der Sage nach auch Gründer von St. Pölten sind (siehe Darstellung im oberen Kreuzgang des Bistumsgebäudes und bei der Bischofsstiege). Adalbert wurde erster Abt von Tegernsee. Dort sind ebenso wie in Salzburg Hippolytreliquien nachgewiesen. Eine wohlbegründete Tradition berichtet, dass von Tegernsee aus das Kloster St. Pölten gegründet wurde. Vermutlich hat sich das Kloster Tegernsee, das eines der wohlhabendsten in Bayern war, 791 am Awarenfeldzug Karls des Großen beteiligt und bekam vom späteren Kaiser wie auch andere Klöster Güter im neu eroberten Land zugesprochen. Auf einem solchen Besitz in der ehemaligen Römerstadt Aelium Cetium errichtete es ein Kloster und stattete es mit Hippolytreliquien aus.
Der Ort, der zunächst nach dem Fluss Traisma hieß, bekam schließlich den Namen St. Pölten: 799, 823 Traisma, 976 Traisima ad monasterium Sancti Yppoliti, ca. 1030 abbatia ad Sanctum Yppolytum, 1136 apud Sanctum Ypolitum, 1298 Sand Pölten. Es ist anzunehmen, dass das Kloster in St. Pölten um 800 errichtet wurde und in Abhängigkeit von Tegernsee stand. Es kam dann unter den Einfluss der Passauer Bischöfe; aber noch um 1030 reklamierte es Tegernsee allerdings erfolglos für sich. Hippolyt war der Patron des Klosters und der Klosterkirche. Im Spätmittelalter wurde an der Volksseite des Lettners ein Marienaltar errichtet. Nach der Beseitigung des Lettners rückte der Marienaltar als Hauptaltar in das Presbyterium an die Stelle des Hippolytaltars. Hippolyt bekam nur mehr einen Seitenaltar zugewiesen und die Stifts- bzw. Domkirche ist seither Mariä Himmelfahrt geweiht. Bei der Errichtung der Diözese St. Pölten 1785 wurde aber der hl. Hippolyt zum Diözesanpatron erwählt.


Hippolytkirchen

Das Hippolytpatrozinium ist in Österreich selten anzutreffen. Die Pfarrkirchen in Zell am See und in Eferding sind ihm geweiht. Zell ist ein alter Ableger von Salzburg und ist so leicht erklärbar. Bei Eferding gibt es für die Gründe keine Anhaltspunkte. Auch die Pfarrkirche in Vichtenstein (Oberösterreich) trägt dieses Patrozinium. Es geht auf eine im 14. Jahrhundert erwähnte Burgkapelle zurück, wurde aber erst 1784 Pfarre und erhielt 1880 eine neu erbaute Hippolytkirche. In Niederösterreich ist die Kirche in Harmannsdorf-Rückersdorf dem heiligen Hippolyt und dem heiligen Kreuz geweiht. Hippolyt war ursprünglich alleiniger Patron. Zusammenhänge mit St. Pölten sind denkbar. Abgekommen ist die ehemalige Pfarrkirche von Ottenschlag am Pöltenberg beim dortigen Friedhof. Die Pfarrrechte wanderten im 16./17. Jahrhundert (endgültig 1774) in die Marktkirche; sie selbst brannte 1864 ab und wurde abgetragen; der Neubau (Friedhofskapelle) wurde in einiger Entfernung 1870 errichtet. Hier besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zum Stift St. Pölten. Dieses hatte den Zehent in der Pfarre (Ober-)Meisling inne, an deren westlichstem Punkt Ottenschlag lag. In St. Pölten selbst gab es von 1898 bis 1938 eine Hippolytkapelle in der Lehrerbildungsanstalt, und das diözesane Bildungs- und Exerzitienhaus (errichtet 1961) trägt den Namen ,,St. Hippolyt"
Es sei noch an zwei weitere Kirchen erinnert, die wahrscheinlich auf die bayerische Mission des neunten Jahrhunderts im Großmährischen Reich zurückgehen. Die eine ist die Kirche in Pöltenberg bei Znaim (Svateho Hipolyta), einer alten Propstei, die dann später an den Ritterorden vom Roten Stern kam. Die andere ist der Dom zu Neutra (Nitra) in der Slowakei, der den hl. Emmeram und Hippolyt geweiht ist.
Dagegen findet sich das Hippolytpatrozinium relativ häufig in Frankreich; dort führen fünfzehn Orte den Namen St. Hippolyte, dazu kommen zahlreiche weitere Kirchen. Aber auch in Deutschland und Norditalien kommt es vor.

Friedrich Schragl


Literatur:


R. Reutterer; Der heilige Hippolytus, Klagenfurt 1947
Ders., Die spätantike Bildersprache der Hippolytlegenden, Bozen 1976
F. Schragl, Das Stift St. Pölten und seine Beziehungen zu frühen Klostergründungen, in: Hippolytus NF Heft 1 und 2 (St. Pölten 1981 und 1982)
Ders., Die Geschichte des Stiftes St. Pölten, in: H. Fasching (Hrsg.), Dom und Stift St. Pölten und ihre Kunstschätze, St. Pölten-Wien 1985, S. 11-49
E. Lang, Hippolyt von Rom und seine Patronate in sechs europäischen Ländern, Böhmkirch 1986
J. Frickel, Das Dunkel um Hippolyt von Rom. Ein Lösungsversuch: Die Schriften Elenchos und Contra Noetum (= Grazer theologische Studien, Bd. 13), Graz 1988
G. Schöllgen und W. Geerlings, Didache = Zwölf-Apostel-Lehre und Traditio Apostolica = Apostolische Überlieferung (Hippolytus) (= Fontes Christiani, Bd. 1), Freiburg i. Br. 1991

 


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 13.08.2002.

 

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