Interviews |
Coleur 3/2004
Zeitschrift des Mittelschüler - Kartell - Verbandes MKV
"Über Gott kann man nicht abstimmen"
Ein Interview mit Bischof Krenn
Der Irakkrieg und die weltweiten Terroranschläge sind nur die jüngsten Beispiele für das offensichtliche Leid auf Erden. Doch schon immer war es eine der schwierigsten Aufgaben der Fundamentaltheologie, sich mit der Frage nach dem Übel auf der Welt zu beschäftigen. „couleur“ besuchte Bischof Dr. Kurt Krenn, um über die Theodizeefrage, das Gottesbild in unserer Gesellschaft und die Diskussion über Gott in der Verfassung zu sprechen. Das Interview führten Helmut Schmitt und Martin Schliefnig.
couleur: Als katholische Laienorganisation beschäftigt sich der MKV natürlich auch sehr stark mit religiösen Themen. Ein sehr schwierig zu behandelndes Gebiet ist dabei die Theodizeefrage. Wie bezieht man all das Leid in der Welt in die theologischen Überlegungen mit ein?
Krenn: Nun ja, das Theodizeeproblem ist zu allererst einmal ein unlösbares Problem. Natürlich können wir sehr viele Antworten geben, vor allem aus dem Glauben heraus, aber hier sind wir auch schon beim Hauptpunkt: Die Theodizeefrage ist eine Glaubensfrage, man kann sie also nicht philosophisch beantworten. Auch der Versuch, das Böse – also Leid, Terror, Kriege usw. - in einer von Gott geschaffenen Welt zu beweisen, wird immer nur ein solcher bleiben. Man kann Gott nicht beweisen, wir können uns all diesen Fragen nur mit dem Glauben nähern, wir dürfen aber nicht erwarten, dass wir dann auch tatsächlich Antworten erhalten – vor allem keine hundertprozentig zufriedenstellenden.
couleur: Wie sieht es dann mit dem Antwortfinden der katholischen Kirche aus?
Krenn: Hier muss man ganz deutlich sagen: Auch die katholische Antwort ist keine bessere Theorie, die alles sicherstellt. Wir beantworten eigentlich alles von Christus her, aber auch Christus selbst bleibt für uns oft etwas nicht immer ganz Begreifbares. Er selbst ist wahrscheinlich das größte aller Geheimnisse. Unsere Antwort ist daher eine sehr bemühte, die Maßstäbe der Vernunft mit einbeziehende, aber schlussendlich bleibt es doch ein Geheimnis. Und diesbezüglich denke ich, muss man den Mut haben, das Geheimnis auch ein Geheimnis bleiben zu lassen und auch als solches zu nennen.
couleur: Kein Geheimnis ist der derzeit immer wieder zusammentreffende Österreich-Konvent, der die Grundlagen für eine neue Verfassung erarbeiten soll. Im Rahmen der vielen Diskussionen über die diversen Teilbereiche wurde auch schon sehr viel über einen Gottesbezug in der Präambel der Verfassung gesprochen.
Krenn: Gott von vornherein aus der Verfassungsdiskussion auszuschließen, ist der erste Irrtum, den wir begehen können. Zu diesem Entschluss muss jeder kommen, der sich ein wenig mit Philosophie und Religion auskennt. Gott hat alles geschaffen, alles kommt von ihm. Sollte es tatsächlich zu einer Präambel kommen, geht es gar nicht ohne Gott. Aber natürlich gibt es Menschen, die von Werten, von Gewissen reden und dann trotzdem nicht von Gott sprechen wollen. Bei diesen Menschen ist der Gottesbegriff meist ein sehr negativ geprägter, ein störender Begriff. Trotzdem müssen aber alle Grundbestimmungen mit Gott ausgefüllt werden, hier handelt es sich also nicht um eine rein politische Frage. Gott ist ja nicht etwas, das man erst erfinden muss, Gott muss man nur anerkennen, nicht zuerst – etwa durch eine Volksabstimmung – genehmigen. Man kann nicht darüber abstimmen, ob es Gott gibt oder nicht. Im Endeffekt geht es nur darum, Gott seine Wirklichkeit zu lassen.
couleur: Durch den Mitteleuropäischen Katholikentag wird es ja eine sehr große Medienpräsenz für glaubensorientierte Themen geben. Als Leitspruch wurde „Christus – Hoffnung Europas“ genannt. Was ist notwendig, um Christus auch wirklich zu einer Hoffnung für Europa, für die Europäische Union, werden zu lassen?
Krenn: Einfach ist das sicherlich nicht, Europa ist ja noch lange keine heilige Größe. Was heißt das aber, „Christus, Hoffnung Europas“? Das bedeutet einerseits, ohne Christus, ohne Gott gibt es keine gute Zukunft. Andererseits werden wir ohne Christus, ohne Bezugnahme auf ihn als Person, auf sein Wirken, nicht die Gedanken haben, die notwendig sind, um den Herausforderungen, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in Europa noch auf uns zukommen werden, auch tatsächlich gerecht zu werden. Christus ist also als ein ganz wesentlicher Faktor, auch in Europa, zu sehen.
couleur: Gibt es zum Abschluss noch eine Botschaft, die sie – vor allem jungen – Couleurstudenten noch mit auf den Weg geben möchten?
Krenn: Die jungen Menschen sollen sich bemühen, jung zu bleiben – auch wenn sie älter werden. Es geht darum, mit größtem Bemühen zu versuchen, sich Gott zu nähern. Wir müssen Gott als wirklich sehen, denn viele Menschen reden von Gott, ohne dass er für sie wirklich ist.
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