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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

ÖH-Magazin "scope" 2000.03, Seite 26-28

"Wehe, wenn euch alle loben"

Die vielen Unterschriften unter dem Kirchenvolksbegehren und die rund 30.000 Kirchenaustritte im Jahr sprechen dafür, daß der katholischen Kirche ihre Schäfchen abhanden kommen. Besonders viele junge Leute pfeifen auf die Kirche und drücken so ihren Protest gegen die ihrer Ansicht nach "verstaubten Lehren" aus. Steckt die Kirche in einer Krise? SCOPE bat den St. Pöltener Bischof Dr. Kurt Krenn zum Gespräch

Man hört immer wieder, die Kirche stecke in einer Krise. Wie sehen Sie die Situation?

Bischof: Die Kirche ist in keiner Krise. In der Krise ist man dann, wenn man nicht weiß, was man tun soll, wohin das Ganze führt, welche Ziele wir haben. Die Kirche hat Schwierigkeiten zur Zeit, aber keine Krise. Wer in einer Krise ist, weiß nicht was er will. Das wissen wir, wir wissen auch wie wir es besser machen müssen. Jeder der Austritte ist einer zu viel, aber wir müssen uns auch um diese Menschen kümmern. Auf der anderen Seite, wenn jemand meint, er müsse die Kirche unter Druck setzen durch seinen Austritt, dann ist er falsch dran, denn wenn er meint die Kirche muß sich ändern, die Kirche muß dem Menschen zu Gefallen sein, dann will er eine Kirche, die Christus nicht will.

Was hat sich die Kirche vorgenommen, besser zu machen?

Bischof: Ich kann nur von mir reden, von meiner Diözese, aber ich brauche natürlich hunderttausende Gläubige, die das mit uns machen, denn allein kann ich nur Luftstreiche setzen. Es geht also darum, daß wir die Menschen sammeln zu einer neuen Gemeinsamkeit, einem Ziel, und dieses Ziel heißt immer Gott. Manchmal geht es uns besser, und manchmal geht es uns nicht so gut, wie vielleicht gerade jetzt. Aber ich glaube sogar, daß die Kirche schon viel schwierigere Zeiten erlebt hat, wobei es allerdings genügt, was wir heute an Problemen haben.

Viele Menschen fordern, die Kirche solle zeitgemäßer werden, oder sehen sie gar als überholt an. Wie kann die Kirche zeitgemäß sein?

Bischof: Sie kann nicht einfach schlechthin zeitgemäß sein, denn dann brauchen wir nur mehr Meinungsforschung, und was die Menschen meinen, das ist dann Kirche. So einfach geht das nicht, wir haben eine göttliche Wahrheit zu vertreten und verkünden. Da kann man sich nicht anpassen und sich gefällig ergeben, denn ich glaube umgekehrt müssen die Menschen fragen, wie sie Gott näher kommen können. Man hat den Eindruck, daß manche, die von Krisen und Signalen sprechen, immer meinen, Gott muß sich ändern, damit wir Menschen ihn lieb haben. Gott muß sich sicher nicht ändern, damit wir ihn noch gnädig akzeptieren.

Haben die Kirche und die Gläubigen Kommunikationsprobleme?

Bischof: Das Hauptkommunikationsproblem ist, daß viele, die von Kirche reden, eigentlich inner­lich noch nicht zur Kirche gehören. Sie fühlen sich wie Beobachter, wie Kontrollore oder Inspektoren. Die Kirche ist nicht dumm oder zurückgeblieben, sondern muß ihren Auftrag erfüllen, nämlich die Wahrheit verkündigen. In jedem Menschen, der zur Kirche gehört, sehe ich die große Verantwortung, daß ich ihm die Wahrheit Gottes sage.

Zeichnet es einen Menschen nicht aus, daß er sich sein eigenes Urteil bilden kann?

Bischof: Das soll er selber bilden, aber es muß wahr sein. Ein selbstgemachtes Urteil ist noch nicht gut, es muß ein wahres Urteil sein. Wenn alle etwas meinen, dann ist es noch lange nicht wahr.
Jesus hat ja auch gesagt, wehe, wenn euch alle loben, das heißt, wenn alle mit euch übereinstimmen, heißt das noch lange nicht, daß wir auf dem richtigen Weg sind.

Sie begrüßen also durchaus Kritik?

Bischof: Natürlich, nur muß die Kritik sich selber der Wahrheit unterstellen, und zwar nicht der, die vom Menschen kommt, sondern von der Offen­barung, und darf nicht zum Götzen werden.

Der Fall Groër hat die Menschen aufgeregt

Bischof: Man hat ihm unrecht getan und ihn wochen­lang verleumdet. Der Kardinal hat in diesen Dingen ein Vorbild gegeben, wie man da durchkommt, nicht leicht. Ich setze mich auch mancher Kritik aus und mancher Demütigung. Aber das macht nichts, aus Liebe zu Gott kann man alles, und der Kardinal wird es auch können.

Warum gibt es in der Kirche wenig sichtbare Bemühungen, junge Leute anzusprechen?

Bischof: Was sollen wir Ihrer Meinung nach tun? Discofeste feiern, oder was sollen wir tun? Sportbetrieb forcieren? Wir bemühen uns schon um die Tugend. Nur wir können heute gar nicht mehr so viel tun, weil uns viel Kon­kurrenz gemacht wird, in der Unterhaltung, in den schönen Dingen des Lebens.

Sie sehen Unterhaltung als Konkurrenz zur Kirche?

Bischof: Nein, aber wir können nicht mitkonkurrieren. Wir können Adäquates nicht aufbieten. Wir müssen ernst bleiben, und ich habe nichts gegen Unterhaltung, aber der Vorwurf, wir täten nichts für die jungen Leute, ist so nicht zu halten. Wir tun etwas, nur früher gab es da vielleicht mehr sichtbare Dinge, Jugendorganisationen, Feste und alles mögliche, was wir heute nicht tun. Es wollen alle mehr tun gegenüber den jüngeren Erwachsenen, wir befinden uns aber in einem Notstand in dem Sinn, daß wir, wenn wir ehrlich sind, kompetent nur den Glauben verkünden können. Vielleicht fehlt es auch an Phantasie und gutem Willen.

Grenzt Kirche mit ihren Standpunkten in bezug auf Homosexualität oder Sex vor der Ehe nicht aus?

Bischof: Homosexualität ist eine Sache, die niemals recht ist. Gott will das nicht, die Kirche ist heute fast allein geblieben, aber wir sagen das. Homosexualität ist etwas Böses, weil sie gegen die Ordnung der Schöpfung verstößt. Ich glaube, all das, was heute versucht wird, um die Homosexualität attraktiv zu machen, ist eine Irreführung der Menschen. Auch daß Sexualität vor der Ehe etwas Böses ist, werden wir immer sagen müssen, denn Gott wollte, daß die Ehe etwas Gutes und Großes wird.

Die Ursachen für Homosexualität sind ja nicht klar. Wenn sich herausstellen sollte, daß Homosexualität angeboren ist, kann es dann eine Sünde sein?

Bischof: Der Mensch ist immer frei, auch wenn er diese Neigung hat, deshalb verlangen wir von ihm, daß er sich bemüht, nach der Ordnung Gottes zu leben. Wenn zum Beispiel jemand Kleptomanie hat, manche können sich gar nicht dagegen wehren, und es wird keiner Kleptomanie eines Tages rechtfertigen, dem kann ich auch nur sagen, er soll sich bemühen. Auch wenn jemand in der Sünde lebt, sollen wir ihn ertragen. Was ich jedem sagen kann, der das Problem hat, ist, vertraue auf Gott und lebe nach seinen Geboten.

Wie beurteilt die Kirche die jetzige politische Situation Österreichs?

Bischof: Die Situation ist, wie sie heute ist, erst ein paar Tage alt, und es gibt sicher noch kein Urteil der Kirche über diese Sache. Warum auch? Sonst wird man ja auch dauernd angehalten, sich nicht einzumischen. Die Kirche hat nicht das Recht, in konkrete Politik einzugreifen, wenn etwas demokratisch zustande gekommen ist und auch so gewollt ist und nicht den Geboten Gottes widerspricht. Ich selbst habe eine andere Koalition erwartet, aber wenn es so gekommen ist, na gut. Nur eines sage ich auch: Vom Ausland brauchen wir uns auch nicht eine neue Selbstkritik auferlegen zu lassen.

Sie kritisieren das Ausland?

Bischof: Das Ausland hat für mich kein Recht einen souveränen Staat wie Österreich so zu behandeln, wie das manche tun. Sie können Sorgen äußern, aber es hat alles seinen Modus, seine Gründe und Gegengründe. Das Ausland, wie es sich jetzt verhält, ist weder ein gutes Beispiel für ein gutes künftiges Europa, noch für die Demokratie.

Sie sind eine Persönlichkeit, die sehr oft in den Medien steht, wie gehen Sie mit Ihrer Popularität um?

Bischof: So, daß alle Leute die mich kennen und sehen, sich freu­en. Wenn ich durch die Stadt gehe, wo viele Leute mich kennen, die mir die Hand geben und sagen, bleiben Sie so. Ich habe noch nie versucht, mich in den Medien zu produzieren, das sind immer die Medien, die mich holen. Das möchte ich auch einmal gesagt haben. Und manche meinen, ich hätte so ein krankhaftes Verlangen aufzutre­ten. Wenn momentan niemand fragt, sage ich nichts. Aber wenn es notwendig ist, werde ich sicher nicht schweigen.

Was wurde eigentlich aus dem Dialog für Österreich?

Bischof: Gott sei Dank nichts.

Wieso so vehement?

Bischof: Weil das Volksbegehren so viele falsche Positionen vertreten hat, daß ich mir nur wünschen kann, daß daraus nichts wird. Wenn man die Gebote Gottes nicht mehr ernst nimmt, dann kann ich doch so ein Volksbegehren nicht ernst nehmen. Ich habe mich in Salzburg auch mitbemüht, war gar nicht schlecht das Klima, aber die Inhalte waren falsch.

Befürchten Sie, daß die Kirche zu einer Minderheitenbewegung wird?

Bischof: Ich glaube nicht. Uns werden neue Aufgaben zufallen und wir werden keine kleine Gruppe werden, das traue ich mich zu sagen, wir werden Volkskirche sein, die allerdings manches noch besser machen muß.

Sie haben einmal gesagt: "Mit jedem Tag, den ich in dieser Diözese überlebe und tätig sein kann, wächst meine Autorität und Macht." Streben Sie danach?

Bischof: Nicht nach Macht, aber nach Vollmacht, denn ich habe ein Amt, und ein Amt kann man nur ausfüllen, wenn man die Rechte auch hat und anwendet. Ich bin nicht Bischof geworden, um nichts zu tun.

Interview: Pia Terkovits


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 10.03.2000.

 

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