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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Es zählt die Persönlichkeit
Predigt bei der Abschlußmesse
an der Militärakademie in Wiener Neustadt am 26.7.1996

In Christus geliebte Brüder und Schwestern, sehr verehrter Herr Kommandant, sehr verehrte Offiziere und Akademiker, sehr verehrte Soldaten unseres Bundesheeres, liebe Mitbrüder, lieber hochwürdiger Herr Oberkurat Lochner!

Der heutige Tag verdient es, daß wir uns an Gott wenden und mit Gott ein Werk beschließen, das wir zu Beginn des letzten akademischen Jahres angefangen haben. Wir beschließen heute das akademische Jahr an dieser Akademie, die Tradition, Treue, geschichtliche Größe, aber auch Modernität zu ihren Merkmalen zählt. Es sind diesmal drei Jahrgänge, die ein Studium abgeschlossen haben: Wellington, Ritter von Trapp und Sterneck. Es möge das Mühsame dieses Studiums, das Mühsame solcher Monate nun offenkundig werden in einem erworbenen, vermehrten Wissen, in den notwendigen Fertigkeiten, die ein Offizier braucht. Diese Mühen mögen auch in einer vertieften Bildung und in einer persönlichen Entfaltung sichtbar werden. Dies alles sei offenkundig in einem wahren Menschsein, das Sie auszeichnen soll als jene, die zu führen haben, die Verantwortung tragen müssen, die eines Tages die Letztverantwortlichen sein könnten.

Liebe Herren Akademiker, zu Ihren Erfolgen im Studium gratuliert Ihnen auch die Kirche! Wir freuen uns, wenn junge Männer in Wissen und Weisheit, in Bildung und Fertigkeiten wieder Fortschritte gemacht haben. Das gibt uns Hoffnung, daß auch Sie eines Tages so wie jetzt Ihre Generäle und Kommandanten und Vorgesetzten gut arbeiten, - daß Sie das auch später einmal tun. Ich möchte auch den Kommandanten, den Professoren und Dozenten, allen Lehrenden dafür danken, daß sie wiederum für ein Jahr unserer jugendlichen Elite Bildung und Wissen gelehrt haben. Wir alle, die wir einander zu danken haben, wollen gemeinsam Gott danken, Gott, der der Geber alles Guten ist. Wir wissen: Wenn wir vom Geber alles Guten sprechen, geht es um unsere Talente, Begabungen, es geht nicht nur um Geist, sondern auch um Geistigkeit, nicht nur um Probleme, sondern um Einsicht in Probleme und die Fähigkeit zu Lösungen. All das, liebe Freunde, liebe Herren Soldaten, ist letztlich eine Gottesgabe. Daß es uns gelingt, nicht nur zu wissen sondern auch dieses Wissen in einer Welt auszusprechen, die oft nicht vom Geist und vom Guten geprägt ist: um das geht es, diese Begabung haben wir erhalten, diese Begabung soll Sie als Führungsmenschen, als solche, die Verantwortung tragen im besonderen auszeichnen. Ich darf mich auch herzlich bedanken beim hochwürdigen Oberkuraten Lochner, hier eingeladen worden zu sein, und ich freue mich, daß ich unter Ihnen sein kann. Es ist zwar nicht das erste Mal, aber wieder ein Anlaß, den Soldaten und ihrem Tun das volle Vertrauen und den Dank der Kirche auszusprechen. Ich darf meinen lieben Mitbruder Werner, der ja der Bischof der Soldaten ist, für heute entschuldigen. Es wäre schön gewesen, und es war geplant, daß wir beide hier sind. Ich muß ihn heute vor Ihnen vertreten und bei Ihnen entschuldigen. Kehren Sie zurück, liebe Herren Soldaten, kehren Sie zurück in die Ferien, in die verdiente Freizeit. Ich wünsche Ihnen gute Erholung, Freude in Ihrer Heimat, in Ihren Familien und Freude vor allem auf die künftigen Aufgaben, die für einige von Ihnen bald Realität und Erprobung sein werden. Für all das wollen wir heute Gottes Segen erbitten.

Meine sehr verehrten Herren, es kann bei einem solchen Gottesdienst kein großer Diskurs gehalten werden über Bildung, über Wissen, über Fortschritt des Wissens und die Gefahren des menschlichen Fortschritts. Das alles können wir nicht in einem kleinen Augenblick vor Gott bestreiten. Aber eines darf ich tun, meine lieben Bürger - wir sind ja alle Bürger dieses Landes -, es ist im heutigen Augenblick vieles nicht gewiß, auch was Sie betrifft, was Ihre Arbeit und Aufgabe angeht. All das wird hin- und hergeschoben. Wir wissen auch genau, daß man weiß, was die Sache ist, aber daß es oft schwer ist, dies zu sagen. Als Offizier, als Soldat muß man all das sehen, tragen und gemeinsam mit allen im Staate zu einer Klarheit kommen. Das ist jetzt nicht meine Aufgabe. Wir sehen, wir wissen nicht genau, wie in Zukunft die Verteidigung unseres Landes gestaltet wird, ob von Soldaten, die eingezogen werden, oder von Berufssoldaten - alle diese Fragen kennen Sie viel besser als ich. Es ist auch die Frage, wie weit reicht heute die Bildung, das Wissen. Gehört es den Spezialisten, in Zukunft Verteidigung zu planen und zu organisieren? Wir wissen es noch nicht. Es ist auch die Frage: "Wie weit reicht unser Wissen?" Wir wissen doch genau, daß wir einmal zur Schule gingen und nach wenigen Jahrzehnten feststellen, daß die Jugend von heute wieder etwas ganz Neues lernen muß.

Die eigentliche Frage ist (und die will ich Ihnen allein hier beantworten): Ist alles, in der Bildung, im Wissen, ist alles wirklich relativ? Kann der, der vor 20, 30 Jahren studiert hat, nicht mehr kommunizieren mit einem, der heute studiert und lehrt? Ist wirklich alles auseinandergebrochen? Ich glaube, die Antwort liegt dort, wo wir fragen, was will der Mensch und was ist der Mensch? In der Politik, in der Wirtschaft, beim Militär, in der Kirche und auch in anderen Bereichen unseres Gemeinwesens wissen wir eines, daß die große Mangelware heute die Persönlichkeit ist. Persönlichkeiten fehlen, deswegen macht man oft unsere Einrichtungen, das was wir brauchen, was wir Öffentlichkeit und Staat nennen, lächerlich und mißtraut ihnen. Es fehlen - das wird immer wieder festgestellt - die Persönlichkeiten, jene, die wissen, was gut und böse ist, die wissen, was die Wahrheit, was die letzte Wahrheit ist, und nach ihr leben und entscheiden. Um diese Persönlichkeiten geht es, meine Herren Akademiker, vor allem. Und die Persönlichkeit ist es auch, die jenseits vom Können, das zu jeder Zeit ein anderes ist, doch etwas Gemeinsames birgt. Ich meine, daß der Soldat vor 2000 Jahren auch in dieser Sache Soldat war, aber er wußte vieles nicht, was wir heute wissen. Genauso ist es mit dem, was wir heute wissen und morgen wird es ganz anders sein. Dennoch ist nicht alles relativ, sondern es geht in der Ausbildung, es geht in dem, was wir zu erreichen haben, auch in den Ausbildungsprogrammen unserer jungen Elite um die Persönlichkeit.

Was hat diese Persönlichkeit an Zeitlosem? Diese Persönlichkeit hat viel Wissen, das heute gilt und morgen überholt ist, das relative, aber auch das absolute. Die Persönlichkeit hat das Gewissen. Das ist jenes Absolute in uns, das wir immer wieder befragen wollen. Es ist das Gewissen, das wir zu bilden haben. Es soll niemand von Gewissen reden, wenn er nicht weiß, wessen Gabe dieses Gewissen ist. Es ist die Gabe Gottes. Gott spricht dieser Gabe seine Ordnung zu, wir nennen das die Gebote Gottes. Wir nennen es das Unterscheidungsvermögen zwischen Gut und Böse, zwischen Gut und Besser; das ist das Gewissen. Das ist, was im Menschen zeitlos ist; das ist es auch, was die Menschen spüren, wenn sie sagen: "Er ist eine wahre Persönlichkeit." Persönlichkeit ist also eine Sache des persönlichen Gewissens, das man lernt, das man auch kennt und dem man treu ist. Um dieses Kleine und Wenige geht es zu allen Zeiten.

Haben wir Persönlichkeiten? Haben wir Soldaten mit Gewissen, die auch wissen, daß es nicht einfach nur um Freiheit geht? Freiheit ist ein Gut des Menschen, niemand darf es ihm nehmen, aber Freiheit ist nicht gewissermaßen der Rausch, daß man in einem Augenblick tun kann, was man will. Freiheit dient immer der Ordnung. Sie ist dazu da, daß Ordnung entsteht unter den Menschen, in den Gemeinschaften, unter den Völkern und daß Ordnung ist zwischen den Menschen und Gott. So soll auch euer Begriff von Freiheit ein hoher sein: nicht der einer subjektivistischen Freiheit, die einfach grenzenlos und bedenkenlos ist, sondern einer Freiheit, die weiß: Wir dienen durch die Freiheit einer Ordnung. Das sei gleichsam aus dem Gesichtswinkel Gottes gesagt, denn es ist ja unsere Aufgabe, von daher zu Ihnen zu sprechen, wahrhaftig nicht das leichteste, denn auch wir sind Menschen, auch wir sind fehlbar und dennoch müssen wir uns bemühen, in Christi Namen Ihnen diese Wahrheit vorzutragen.

So darf ich Ihnen gratulieren zum Erfolg, zum Geleisteten und Ihnen wünschen, daß Sie diese Persönlichkeit seien, die vom Gewissen geprägt und von der Wahrheit getragen ist; daß Sie die Persönlichkeit seien, die es zu allen Zeiten geben muß und die zu allen Zeiten die gleiche ist. Alles andere ist relativ. Aber die Persönlichkeit, die gewissenhafte Persönlichkeit, die Persönlichkeit, die Disziplin und Gehorsam auf sich nimmt und auch verlangt, diese Persönlichkeit ist uns von Gott geschenkt, ein Ausdruck der Freiheit, nicht der Unfreiheit, auch ein Zeichen, daß Gott mit allem, was er uns gibt, seine Absicht hat, seine Pläne hat, und deswegen sind wir im letzten nicht die Befreiten oder die in einer maßlosen Freiheit Lebenden, sondern jene, die sich der Absicht Gottes über den Menschen anschließen.

Liebe Akademiker, das sei Ihnen heute als geistliches Wort gesagt, seien Sie Persönlichkeiten, und werden Sie dies immer mehr, und das bedeutet auch, daß jeder Sie kennt, daß keiner sich verbirgt und dennoch alle zusammengehören. Der Mensch ist einmalig und unwiederholbar, aber dieser Mensch ist frei und zugleich auf Ordnung und auf das Gute des Nächsten verpflichtet, und dieser Mensch lebt, um Gottes Willen zu tun und Gott zu ehren und zu danken. Amen.

Anmerkung: Bei dem hier vorgelegten Text handelt es sich um eine nur leicht korrigierte Tonbandabschrift dieser Predigt. Stilistische Unebenheiten entsprechen dem gesprochenen Wort und mögen daher als solche toleriert werden.


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 25.10.1997.

 

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