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Predigt zur Missa chrismatis
am 16. April 2003
Die Möglichkeit an der Segnung der heiligen Öle
teilzunehmen versammelt heute die Priester in unserem Dom. Liebe Mitbrüder,
Priester und Diakone, nützen wir die heutigen Abendstunden zum Gebet,
zur Feier der Eucharistie und zum Innewerden unserer Gemeinschaft. Nicht oft
hat der Bischof die Gelegenheit, euch persönlich zu danken; herzlich danke
ich für eure pastoralen Mühen, für den Einsatz eurer Begabungen,
für eure Leidensfähigkeit aus Liebe zu Gott und zur Kirche; oft danke
ich Gott dafür, daß es euch gibt.
Wir feiern nunmehr wieder die heiligsten Tage im liturgischen Leben der Kirche.
Das innigste Verhältnis von Gott und Mensch hat sich ereignet in der Menschwerdung
des Sohnes Gottes aus Maria der Jungfrau, in seinem Leben, Leiden, Sterben
und Auferstehen; mit Recht dürfen wir bezeugen: Christus vereint sich
mit jedem Menschen und macht das Heil des Menschen zur Sache Gottes. Ihr, liebe
Mitbrüder, sollt als Priester dieser Vereinigung Christi dienen; so darf
ich euch zurufen: Vereinigt euch selbst mit Christus und ihr erfüllt damit
auch eure Berufung, die nur Gott schenken kann. Bekehren auch wir uns gemäß dem
Evangelium Jesu, damit Christus in uns Gestalt gewinnt. Feiert mit andächtiger
Liebe die tägliche heilige Messe, betet gewissenhaft das Stundengebet
und den Rosenkranz, versöhnt euch mit Gott in der persönlichen Beichte
und gebt in allem ein Zeugnis dafür, daß Gott uns liebt.
Ein Priester, der heilig vor Gott sein will, wird Wunderbares bei den Menschen
bewirken. Ich empfehle euch, die Lebensgeschichte von Menschen aus unserem
Lebensbereich, von Laien und Priestern, zu studieren; auch unter uns lebten
und leben heilige christliche Persönlichkeiten, die uns ermutigen und
zu neuer Heiligkeit inspirieren. Auch in unserer Diözese wollen wir alle
Spuren von zeugnishafter Heiligkeit aufgreifen und dafür unsere Jugend
im besonderen gewinnen. Warum sollte Gott nicht auch bei uns besondere Zeugen
der Heiligkeit berufen ?
Auch der Priester kann versucht sein, Jesus zu verraten; es gibt viele Weisen
des Verrats. Verrat durch Schweigen, Verrat aus Feigheit, Verrat aus Trägheit,
Verrat aus Unglauben und Hoffnungslosigkeit, Verrat durch Haß und Lieblosigkeit.
Es ist schon etwas Gutes, wenn wir nicht sündigen; über die Enthaltung
von Sünde hinaus, kann unsere Nähe zu Gott sich darin finden, daß wir
jeder Sünde das Bessere entgegensetzen: Der Lüge können wir
unser Zeugnis für den Glauben und unsere Treue zur Wahrheit entgegenstellen;
dem Neid können wir durch Wohlwollen widersagen; dem Stolz widersprechen
wir, wenn wir aus Selbsterkenntnis demütig sind. Das heilige Staunen über
die Größe Gottes muß mehr als ein Gefühl sein; in diesem
Staunen erreichen wir unsere Gottfähigkeit, denn wir sind als Menschen
ein „ens finitum capax infiniti“. Gebet und Denken, Mühen und Versuche,
Tugend und Heiligkeit als Übereinstimmung mit Gott haben ihren einzigen
Sinn und ihr Ziel im Erwerb der Gottfähigkeit des Menschen. So wird gottbezogen
im Menschen, was die Gottfähigkeit als Gnade und Verdienst ausmacht.
Liebe Mitbrüder! Der Mensch ist ein soziales Wesen mit Verantwortung
und mit Berufung zum Volk Gottes; darüber hinaus ist jeder einzelne Mensch
eine von Gott geschaffene Person mit einer unzerstörbaren Würde und
mit Rechten, die durch nichts in Frage gestellt werden dürfen. Wenn wir
den gottesfähigen Menschen als Person verstehen, spielt sich in jedem
einzelnen Menschen das Ganze der Schöpfung, der Erlösung und des
Heils ab. Bei allem pastoralen Realismus müssen wir begreifen, daß wir
uns nicht von Menge und Summe bestimmen lassen dürfen.
Wir dürfen keinen Menschen aufgeben, weil es scheinbar nur um einen einzelnen
Menschen geht, der einer großen Menge gegenübersteht. Im Reich Gottes
gibt es keine Verluste die wir verkraften dürften; auch jede einzelne
menschliche Person ist irgendwie ds „Ganze“ der Schöpfung, der Erlösung
und des Heils; das macht die Unübertrefflichkeit unserer geschaffenen
Personwürde aus. Unsere Würde ist es, den unendlichen Gott zu erkennen
und zu lieben; unsere Gottesfähigkeit ist unsere unübertreffliche
Würde. Denkt an das eine verlorene Schaf des Guten Hirten, das der Erlöser
neunundneunzig anderen Schafen vorzieht.
Mit eurer Berufung und Weihe hat Gott seinem Volk jene Hirten verheißen,
die seine göttlichen Gedanken denken und Anteil haben an seinem göttlichen
Herzen. Ja, es wird der Tag kommen, von dem Ezechiel sagt: Ich packe die Hirten
und fordere meine Schafe von ihnen zurück. Ich setze sie ab, sie sollen
nicht mehr die Hirten meiner Herde sein. Die Hirten sollen nicht länger
nur für sich selbst sorgen; denn ich reiße meine Schafe aus ihrem
Rachen, sie sollen nicht länger meine Schafe fressen (Ez 34,10).
Unser Hirtendienst muß mit dem göttlichen Guten Hirten übereinstimmen;
es wäre kein Hirtendienst, sollten wir Priester an unser eigenes Wohl
denken. Unsere Aufgabe ist es, die verirrten Schafe zu suchen, sie zurückzubringen,
ihre Wunden zu verbinden, die schwachen zu kräftigen und die gesunden
zu behüten.
Ich denke bei dieser Gelegenheit an ein Problem, das wir mit vereinten Kräften
lösen sollen. Aus der Absicht den Priestern Vertrauen zu schenken, habe
ich den Priestern nicht untersagt, die pastoralen Schreiben des Bischofs auf
geeignete Weise den Gläubigen zur Kenntnis zu bringen. Dieser Versuch
hat sich nicht bewährt; ich muß festlegen, daß in Zukunft
die pastoralen Schreiben des Diözesanbischofs zur Gänze zu verlesen
sind. Der Bischof braucht eure Mitarbeit; der Bischof hat besondere Verantwortung
für die Verkündigung des Evangeliums und für die Reinheit der
Glaubenslehre.
Oft beten wir im Stundengebet den Psalm 118, der die Gesetze des Herrn als
Weisheit und Glück beschreibt: Nach deinen Vorschriften zu leben freut
mich mehr als großer Besitz (14). Wenn wir Gott lieben, werden wir auch
kleine Gesetze gewissenhaft einhalten. Ich habe vor kurzem auf gewisse liturgische
Gesetze hingewiesen; diese Gesetze sind nicht die persönliche Erfindung
des Bischofs sondern Teil der allgemeinen liturgischen Ordnung der Kirche,
die von allen einzuhalten ist. Es wäre nicht der Weg Christi, der sich
entäußerte und bis zum Tod gehorsam war, wenn der Priester ungehorsam
wäre und im Ungehorsam seine Selbstverwirklichung suchte.
Liebe Mitbrüder schaut auf Jesus und seid so gesinnt, wie es das Leben
in Christus Jesus fordert. Es sind kaum die jungen Priester, die das geistliche
Gewand des Priesters ablehnen. Das Volk Gottes soll jeden von euch als Priester
Jesu Christi auch sichtbar erkennen. Ohne Zweifel unterscheiden wir in der
Kirche das Wesentliche und niemals Aufgebbare von dem, was zeitbedingt ist
und auch in neuen Formen gestaltbar ist. Was die Kirche zeitbedingt anordnet,
muß jedoch immer der Ausdruck unserer Liebe zu Gott und zur Kirche sein;
auch in solchen Entscheidungen müssen wir den Weg des Gehorsams und der
Liebe gehen.
In unseren Gebeten und Taten müssen wir dem Ziel dienen, daß Gott
in allem verherrlicht werde; selbst die kleinste Gewissenhaftigkeit dient der
Ehre Gottes. In allem aber gelte das größte aller Gebote: Liebt
Gott über alles und ihr werdet die Kraft finden, den Menschen in Liebe
zu dienen. Auf daß Gott in allem geliebt werde, dazu hat uns Christus
in alle Welt gesandt.
Ich darf alle für unsere Begegnung im Priesterseminar im Anschluß an
die hl. Messe einladen. Euer Kommen stärkt das Anliegen der Berufung.
Seid mutig; Christus sagt uns: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende er Welt;
fürchtet euch daher nicht. Die Zeichen der Zeit, die wir allerorts wahrnehmen,
lassen uns hoffen. Christus heiligt uns durch seine Wahrheit; seid die Zeugen
seiner Wahrheit und Liebe.