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Predigt am Ostersonntag,
dem 3.4.1994, im Dom von St. Pölten
Aus der Nacht des Todes sind wir ins Licht getreten; heute feiern wir wiederum, was wir glaubend bekennen: der eingeborene, ewige Sohn Gottes, den Gott sandte, als die Zeit erfüllt war, geboren von einer Frau, uns Menschen in allem gleich außer der Sünde: Jesus Christus, er wurde gekreuzigt, er starb und stieg hinab in das Reich des Todes, am dritten Tag stand er auf vom Tod. Heute bekennen wir: Christus, von den Toten auferweckt, er stirbt nicht mehr, der Tod hat keine Macht mehr über ihn (vgl. Röm 6,9).
Jedem sei heute jene Hoffnung, jene Gnade und jenes Leben geschenkt, das für uns alle in Christus beginnt, der nicht mehr stirbt. Ein gesegnetes Osterfest Ihnen persönlich, Ihrer Familie, Ihren Mitmenschen; der auferstandene Heiland schließe die Kranken und Leidenden in sein Herz, er heile und tröste sie; der Friede des Auferstandenen gehöre allen Menschen, unserem Land und besonders unseren vom Krieg gepeinigten Nachbarländern; wie dem Thomas biete Jesus den Suchenden und Zweifelnden seine verwundete Seite, damit auch sie ausrufen dürfen: "Mein Herr und mein Gott!" (Joh 20,28)
Das Auferstehungsfest ist das höchste Gottesfest, das wir in unserer Liturgie feiern. Was aber hat Gott selbst mit der Auferstehung zu tun? Auferstehen kann nur, wer gestorben ist. Kann aber Gott wirklich leiden, verurteilt werden, am Kreuz sterben? Nach unseren Begriffen kann Gott nicht leiden, nicht sterben, nicht im Tod versinken; Gott ist ewig, Gott ist allmächtig, Gott ist das ungefährdete Leben, Gott ist in sich und aus sich das vollkommenste Glück. Wie also will Gott selbst leiden und sterben können? Sind nicht Tod, Leiden und Auferstehung der größte Widerspruch zum großen und ewigen Gott?
Leiden und sterben jedoch kann der Mensch. Und der einzige und ewige Sohn Gottes ist Mensch geworden aus Maria der Jungfrau. Gott kennt alles, was im Menschen ist; von Ewigkeit liegt das Dasein eines jeden Menschen vor Gott ausgebreitet. Aber Gott liebte den Menschen so, daß er nicht nur von ihm wissen wollte; Gott wollte selbst ein Mensch sein, als Mensch leben, als Mensch leiden und sterben, als Mensch auferstehen. Gott wurde in Jesus Christus ein Mensch, um so Mensch zu sein, daß er auch selbst in der Unsäglichkeit des Leidens, am Abgrund der Angst, in der Finsternis des Todes und in der Ausweglosigkeit stehen wollte, um nicht durch seine Allmacht dies zu überwinden, sondern erst in der menschlich geprüftesten Liebe auferweckt zu werden. Im wahren Menschen Jesus Christus ist Gott auferstanden, der alles sich zu eigen werden ließ, was des Menschen ist. Gott lebt nun selbst, was im Menschen ist; der Mensch, sein Leben und die Geschichte des Menschen ist gleichsam zur Selbsterfahrung Gottes geworden: Nichts mehr im Menschen ist ohne Gott, nichts neben und nichts gegen Gott; damit ist die Gottesgegnerschaft des Todes und der Sünde besiegt; die Sünde und der Tod haben keine Berufbarkeit mehr auf den Menschen. Denn im auferstandenen Herrn herrscht Gott über alles in allem (vgl. 1 Kor 15,28).
In der Auferstehung Christi haben Gott und der Mensch in einer Weise zusammengefunden, die durch nichts mehr zu übertreffen ist. Daher kann Paulus geradezu herausfordernd sagen, daß ohne unsere Auferstehung auch die Auferstehung Christi nichts ist: "Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden" (1 Kor 15,13). Nichts mehr, was den Menschen betrifft, kann am Gottessohn und Erlöser Jesus Christus vorbeigehen: Was die Wahrheit Christi ist, ist die Wahrheit über den Menschen; was die Wahrheit über den Menschen ist, ist die Wahrheit Christi.
Das Jesuskind wurde einst im Tempel dem Herrn geweiht; dort im Tempel, prophezeite der greise Simeon über das Jesuskind: "Dieser ist dazu bestimmt, daß viele in Israel zu Fall kommen und viele durch ihn aufgerichtet werden; er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden" (Lk 2,34 f). Jesus, Zeichen des Widerspruchs; an ihm kommen viele zu Fall, viele werden aufgerichtet; dadurch werden die Gedanken vieler Menschen offenbar. Auch Gedankenlosigkeit, auch Flucht vor der Entscheidung sind Lebensweisen, die sich als Pazifismus tarnen: Man möchte eben nicht polarisieren und nicht polarisiert werden. Wer aber entscheidet sich für den Auferstandenen; wer denkt die Gedanken, die uns an seiner Wahrheit aufrichten; wer geht hin und lehrt die Menschen zu befolgen, was er uns geboten hat? Wer sich nicht an Jesu Wahrheit aufrichtet, der kommt an ihm zu Fall; ein Drittes gibt es nicht, auch wenn der Zeitgeist eines trägen und ungeistigen Pazifismus seine Etiketten von "Polarisieren", von "Fundamentalismus" und von "Betroffenheit" als Hindernisse gegen unsere Bekehrung zu Christus aufstellt.
Jesus fordert zur Entscheidung, auch wenn man ihm Polarisierung vorwerfen möchte. Es ist Jesus, der von den Getreuen und Ungetreuen, von den Barmherzigen und Unbarmherzigen, von den Mutigen und Feigen, von den Törichten und Klugen, von den Dienenden und Herrschsüchtigen, von den Verstockten und Bekehrten, von den Demütigen und Stolzen, von den Gottesfürchtigen und Selbstherrlichen spricht. So verschieden werden die Gedanken vieler an seiner Wahrheit, an seiner Erlösung und Auferstehung offenbar werden.
Die Jesus widersprechenden Gedanken führen zum Fall: der Ehebruch selbst im Begehren des Blickes; das böse Wort, das aus einem unreinen Herzen kommt; die Verweigerung des Glaubens aus den Vorurteilen menschlichen Denkens; die Flucht vor der Nachfolge aus Mangel an Liebe. An Jesus wird alles offenbar, was der Mensch ist: Aufgerichtetwerden oder Fall. Es wird keine Zuschauer und Kommentatoren, keine Abwartenden und Vorsichtigen, im Reich Christi wird es nur die von Christus Betroffenen geben.
Er ist auferstanden, er stirbt nicht mehr; ständig
erneuert sich die Kirche in ihm. Der Tag des Herrn hat begonnen: Gott aber ist
geduldig mit uns, denn er will nicht, daß jemand zugrunde geht, sondern
daß alle sich bekehren (vgl. 2 Petr 3,9).