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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Predigt am Ostersonntag,
dem 30.3.1997, im Dom von St. Pölten

Aus dem biblischen Bericht über die Erschaffung der Welt, der Lebewesen und des Menschen wisen wir, daß Gott nach Vollendung seines Schöpfungswerkes am siebenten Tag ruhte. Gott segnete den siebenten Tag und erklärte ihn für heilig (vgl. Gen 2,3). Die Heiligung des siebenten Tages kehrt wieder in den Zehn Geboten, die Gott am Sinai dem auserwählten Volk offenbarte: "Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebente Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun ... " (Ex 20,6-8).

Der Ruhetag des Sabbat dient gewiß der Erholung und der Freude des Menschen. Der göttliche Sinn des Sabbats liegt jedoch auch darin, daß nicht alles aus der Welt der Dinge und des Menschen kommt, was die Schöpfung trägt und ordnet und bestehen läßt; ein siebenter Tag sollte immer wieder über Arbeit, Sorge und Leistung hinausweisen und den Menschen zur Anbetung und Danksagung aufrufen. Der göttliche Ruhetag ist eine Offenbarung des Sinnes und Zieles der Schöpfung.

Derselbe Gott ist nicht nur der Erschaffer der Welt und des Menschen, derselbe ist auch der Erlöser. Unser Erlöser Jesus Christus starb am Kreuz für das Heil der Menschen. Noch bevor der Sabbat begann, wurde er ins Grab gelegt. Jesus Christus stieg hinab in das Reich des Todes; am dritten Tag stand er auf vom Tod. Die Erlösten feiern nicht mehr den Sabbat, sondern den Tag der Auferstehung Christi, den Sonntag.

Laßt uns heute die Wiederkehr des Auferstehungstages, des Ostertages, mit heiliger Freude feiern! Seit dem Tag der Auferstehung Jesu Christi ist der Mensch ein anderer geworden, ist die Welt eine andere geworden. "Wie denn?" werden manche fragen, "wir sehen alles sterben und vergehen. Welche Zeichen und welche Wirklichkeit haben wir dafür, daß an die Stelle des Todes das unzerstörbare Leben getreten ist? Wir leben noch immer in einer Geschichte, die beginnt, die dauert und endet. Das Neue durch Christus vollzieht sich immer noch in einer Zeit mit Anfang und Ende. Gibt es schon das Hereinleuchten des Dauernden, Unsterblichen und Göttlichen in unseren Leib und in unsere verwirrende irdische Zeit?"

Was bedeutet das unglaublich kühne Wort des Römerbriefes: "Christus, von den Toten auferweckt, stirbt nicht mehr; der Tod hat keine Macht mehr über ihn" (vgl. Röm 6,9)? Christus lebt, und weil er lebt, kann er uns verheißen, daß er alle Tage bis zum Ende der Welt bei uns sein wird. Weil Christus für immer lebt, lebt und wirkt auch seine Kirche. Weil Christus lebt, kann auch seine Kirche nicht untergehen. Weil Christus lebt, ist Erlösung für den Menschen das Einswerden Christi mit dem Menschen. Weil Christus lebt, geht sein Werk nie zu Ende; Christus wird als Richter die Erlösten und Geretteten als Kinder Gottes erheben und verklären: wir werden ewig leben.

Auferstehung Christi ist der Gang des immer lebenden Christus durch unsere Geschichte. Der ins irdische Dasein gestellte Mensch fragt nach seinem Ursprung: Woher komme ich? Derselbe Mensch fragt auch nach seinem Ziel: Wohin gehe ich? Solche Fragen stellt unsere Vernunft; aber unsere Vernunft reicht nicht über unser begrenztes Dasein hinaus. Was Ursprung und Ziel des Menschen ist, das ist nicht in einem bloßen Begriff der Vernunft verwirklicht. Diese so drängende und fragende Sehnsucht des Menschen erfüllt sich im Leben des Gottessohnes Jesus Christus, der aus der Ewigkeit Gottes zu uns herabstieg, als Mensch unter uns wohnte, der das Sterben erlitt, der vom Tod erstand, der lebt und nicht mehr stirbt in alle Ewigkeit. Im auferstandenen Christus kommt die Wahrheit über den Menschen zu ihrem erfüllten Ganzen, das Ursprung und Ziel als unser erlöstes Leben sichert.

Es ist gar nicht leicht, unser Leben im Plan Gottes zu begreifen und die Absichten Gottes konkret zu leben. Aber es lebt für uns und mit uns jener Gott und Mensch, der ohne Sünde ist, der der heiligste und vollkommene Mensch ist: Jesus Christus. Nichts mehr ist in Christus bloße Idee und bloßer Wunsch; er ist der Weg, er ist die Wahrheit im Leben. Wo immer wir auch stehen, was immer auch unsere Berufung ist, es gilt das Wort des Paulus: "Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinem Leiden; sein Tod soll mich prägen" (Phil 3,10).

Wer Christus erkennt, fürchtet das Sterben nicht, denn Christus lebt. Wer Christus erkennt, fürchtet nicht den Verlust von Gütern, fürchtet nicht den Verlust von Ehre und Ansehen. Wer Christus erkennt, wird heilig und mit Freude leben.

Der auferstandene Herr segne euch, die Familien und die Kinder, die Jugend, die Alten und die Leidenden, die Seelsorger und die Gläubigen. Der Sieg des Herrn ist uns geschenkt; den Tag des Herrn, der jede Woche als Sonntag wiederkehrt, wollen wir als heiligen Tag bewahren und verteidigen. Den Tag des Herrn wollen wir feiern in der Eucharistie des Sonntags, Sonntag für Sonntag. Seid so gesinnt, wie es das Leben in Christus Jesus fordert (vgl. Phil 2,5)!


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 26.11.1997.

 

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