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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Predigt am Ostersonntag,
dem 12. April 1998 im Dom von St. Pölten

Am Kreuz rief der Sohn Gottes und Erlöser des Menschen: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mt 27,46). Die Menschen, die den letzten Schrei Jesu hörten, als er den Geist aufgab und starb, erschraken und sagten: "Wahrhaftig, er war Gottes Sohn" (Mt 27,54).

Gott hat jedoch Jesus nicht verlassen; er war seinem geliebten Sohn treu; es erfüllte sich der Psalm, den Petrus in seiner Pfingstpredigt erfüllt sieht: "Du gibst mich nicht der Totenwelt preis; noch läßt du deinen Heiligen die Verwesung schauen. Du zeigst mir die Wege des Lebens, du erfüllst mich mit Freude vor deinem Angesicht" (Apg 2,27 f). Und es bezeugt die Pfingstgemeinschaft der Jünger Jesu: "Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen" (Apg 2,32). Etwa dreitausend Menschen wurden von dieser Botschaft ins Herz getroffen und ließen sich taufen. Diese Getauften verharrten in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten (vgl. Apg 2,42). Ihr Glaube war, daß nur durch den auferstandenen Herrn allein den Menschen die Rettung kommt.

Gott schenke euch am heutigen Ostertag den Frieden Christi, die Freude des Herzens und die feste Hoffnung auf Gottes Treue, die Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Die Auferstehung Christi vom Tod gehört zu seiner Menschwerdung, für die gilt, daß Christus von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt (vgl. Röm 6,9). Gott ist für uns, wer ist dann gegen uns? Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer kann also die Erwählten Gottes anklagen? Gott ist es, der gerecht macht. Wer kann uns verurteilen? Christus Jesus, der gestorben ist und auferweckt wurde, sitzt zur Rechten Gottes und tritt für uns ein (vgl. Röm 8,31-35).

In Jesus, in einem Menschen, der lebt und nicht mehr stirbt, hat Gott sich zur Liebe für uns festgelegt.

Was Gott für uns tut, ist Vorgabe und Gnade; nichts kann das Gelingen der Liebe Gottes hindern. Nur die Verweigerung unserer Liebe zu Gott macht uns verstockt und verblendet. Wenn wir die Berichte von den Erscheinungen des Auferstandenen betrachten, ist die Liebe bei der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn das erschließende Moment: Maria Magdalena stand vor dem Grab und weinte um Jesus; schließlich fragt Jesus sie: Frau, warum weinst du? Maria von Magdala hält Jesus für den Gärtner; erst als Jesus sie mit Namen ruft, erkennt sie ihn und ruft Rabbuni - Meister. Als Jesus den Jüngern am See Tiberias erschien, stand er am Ufer, doch sie erkannten nicht, daß es Jesus war; es war der Jünger, den Jesus liebte, der zu Petrus sagte: "Es ist der Herr."

Unsere Augen, unsere Sinne genügen nicht, den auferstandenen Herrn zu erkennen; erst die Liebe öffnet die Augen unseres Glaubens.

Glaube des Erlösten und Auferstehung des Erlösers gehören zusammen; nur der glaubende Mensch kann dem Erlöser wahrhaft begegnen. Nur der liebende Mensch ist des Glaubens an Christus fähig. So sind der Glaube und die Auferstehung der Christusweg zum neuen Menschen, in dem Christus Gestalt gewinnen soll. Nichts in uns darf sich der Liebe Gottes entziehen oder verweigern, alles in uns soll in der Liebe bestehen können. Der Glaube als die Weise der Liebe beansprucht unser ganzes Dasein.

Wenn wir den Auferstandenen bezeugen und feiern, wissen wir: Nur Bekehrte können bekehren; nur Wahrhaftige können die Lüge besiegen; nur Liebende können hoffen und glauben; nur Menschen als Gottes Abbild können erlöst werden.

Der Friede Christi, des auferstandenen Herrn, sei mit allen!
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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 12.04.1998.

 

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