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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Predigt zu Allerseelen 2002
im Dom zu St. Pölten1]

Jeder Priester kann heute drei heilige Messen feiern. Auch ich habe das schon getan heute. Ich habe für die verstorbenen Gläubigen dieser Diözese eine heilige Messe gefeiert. Ich habe für die Priester und Seelsorger gebetet. Und ich habe für die “Armen Seelen” gebetet, für sie alle habe ich schon gebetet. Jetzt ist der dritte Gottesdienst. Noch einmal versammeln wir uns, noch einmal konzentrieren wir gleichsam unsere Liebe, unseren Eifer, unseren Glauben auf diese Wahrheit. Gott ist der Schöpfer, Gott ist gerecht, Gott ist auch der gerechte Richter. Wir konzentrieren uns auch auf diese Wahrheit des Glaubens, er, der gerecht ist, ist auch barmherzig. Heute wollen wir noch nach der heiligen Messe in die Gruft hinuntergehen. Hier ruhen die meisten der Bischöfe dieser Diözese. Es sind ja noch nicht so viele. Seit zweihundert Jahren bestehen wir nun, und seit dieser Zeit tragen gewissermaßen die Bischöfe die Identität des Landes, die Identität der Kirche und die Identität vieler guter Leistungen im Namen Christi. Heute gehen wir dorthin. Wir wissen auch, daß, wenn wir einmal sterben, in der Stunde unseres Todes unser Heil entschieden ist. Wir sollen nicht irgendwelchen Meinungen anhängen, daß man meint, es gäbe eine Wiederkehr des Gleichen und es gäbe sogar eine Wiedergeburt in einem anderen Wesen. Alle diese Dinge, die heute oft unter die Menschen gebracht werden, sie sind nicht die Lehre Gottes, sie sind auch nicht die Wahrheit Christi. Wenn der Mensch stirbt, dann hat er gleichsam den Prüfungsteil seines Lebens abgeschlossen. Wenn der Mensch stirbt, dann weiß er auch in diesem Augenblicke, ob er gerettet oder verworfen ist. Es geht also schon um sehr Entscheidendes in dieser letzten Stunde, im letzten Augenblick des irdischen Lebens. Wir alle kennen ja auch die Todesstunde anderer lieber Menschen. Wir sind ihnen gefolgt, wir haben ihre Hände gehalten, wir haben sie gepflegt und in Tränen auch Gott anvertraut. Dies alles ist heute Wirklichkeit dieser Eucharistiefeier. Der Mensch steht vor Gottes Gericht, und er steht nicht nur, er muß auch bestehen. Bestehen heißt, geh ein du guter und getreuer Knecht, du warst im Kleinen oft treu, du sollst jetzt über Großes gesetzt werden. Geh ein in die Freude des Herrn. Das sind die Worte, die wir am Ausgang unseres irdischen Lebens vernehmen wollen. Um diese Worte bitten wir, und wir wissen auch, es gibt das Gericht, und das Gericht endet entweder mit der Bestimmung Gottes: Komm, sei bei mir für alle Zeit. Wir sind gerettet. Aber das Gericht Gottes hat es auch in sich, wenn wir in unserer Freiheit oder vielleicht in Bosheit in der Verweigerung gegen Gott gelebt haben, daß wir verworfen werden. Man soll nicht einfach sagen, die Hölle ist leer. Wir würden es uns wünschen und wir dürfen auch darum beten, daß niemand, kein einziges Menschenkind, verworfen wird von Gott. Aber, die Gerechtigkeit Gottes, die Wahrheit Gottes, sie wird diesen Spruch fällen, nicht wir. Darum, liebe Brüder und Schwestern, hängt euch nicht an bei Erklärungen, daß man ohnedies wieder neu beginnen kann, in einer Wiedergeburt, in einer Seelenwanderung, alle diese Meinungen sind falsch. Das Einzige: Gott nimmt dich und mich so ernst, das, was wir tun und entscheiden, daß er daraus die Ewigkeit gewissermaßen formt. Die ewige Seligkeit und, Gott verhindere es, aber es ist eine reale Möglichkeit, auch die ewige Verwerfung. Was ist denn mit den Verstorbenen, die zu uns gehören, für die wir heute besonders beten? Es sind dies die Menschen, die wir in der Sprache unseres Glaubens die “Armen Seelen” nennen. Wo sind sie, diese Armen Seelen ? Ich glaube, daß wir einmal zunächst das Geschick der Armen Seelen teilen werden und teilen müssen. Sie sind schon gerettet, diese Armen Seelen, die bei Gott sind. Aber sie müssen in Geduld und Demut auch durch das Einstehen der anderen, die beten, die opfern, die an sie denken, durch das Einstehen der Liebe der Menschen und durch die Verdienste Jesu Christi und seiner Heiligen diesen Stand der Läuterung beenden. Daher lehrt die Kirche, daß es das Fegefeuer gibt. Da wird viel Unrichtiges gesagt. Fegefeuer heißt, daß wir mit unserer eigenen Lebensgeschichte noch nicht dort sind, wo Gott uns haben möchte. Aber wir sind gewissermaßen schon im Lichte Gottes, wir schauen schon hin auf Gott und wissen, mein Weg führt dort hin. Ich gehe nicht mehr verloren, das ist das Schöne daran, wenn wir sterben und uns auch noch irgendwie als Sünder bekennen müssen, ich weiß, Gott zeigt mir den Weg. Der Weg ist lichtvoll. So wollen wir zusammenstehen, betend, und es hat einen Sinn, daß wir einander helfen dürfen. So wie Christus gekommen ist und er uns allen hilft, obwohl er überhaupt keinen Anlaß hätte, irgend etwas Besonderes zu tun für mich selber. Nein, er ist der Heilige, er ist der Erlöser, er ist der Allwissende, er ist der Barmherzige, er ist der Richter aller Menschen, der Lebenden und der Toten, wie wir bekennen.

Diese Seligkeit haben alle unsere Lieben, wie wir hoffen, im Blick, aber noch nicht im Herzen besitzen sie die vollkommene Freude. Weil die vollkommene Liebe noch wachsen muß, weil der Weg der vollkommenen Liebe noch durch euch, durch euer Gebet, durch euer Opfer, durch die Eucharistiefeier für die Toten zu Ende gegangen werden muß. Aber wir sind dann gerettet. Ich glaube, wir dürfen alle, wenn wir einmal bei Gott sind, froh sein, dankbar sein, daß dieser Weg uns gelungen ist, auch wenn er manchmal noch die Läuterung im Fegefeuer, wie wir sagen, braucht.

Es gibt viele Hilfen. Die Kirche lehrt, daß ein Gebet für die Verstorbenen nie umsonst ist. Wenn auch viele sagen, das ist doch unlogisch, er ist gerettet, wenn er auch noch nicht ganz dort ist, wo Gott ihn haben möchte. Ja, mit schwachen Worten beschreiben wir das, was wir ja von uns selber wissen, wir sind noch nicht vollkommen. Noch lange nicht so vollkommen, wie Gott uns haben möchte. So laßt uns beten heute und jeden Tag. Ihr sollt und dürft für eure lieben Verstorbenen beten, nicht nur heute, jeden Tag. Wir haben uns angewöhnt, daß wir auch in der Kirche jeden Tag die Gebete haben für jene, die von uns gegangen sind und die wir bei Gott sehen und wiederfinden wollen.

Ich möchte heute zum Abschluß dieser heiligen Messe und dieser Trauer- und Gedenktage  euch etwas sagen, was der Heilige Vater vor wenigen Tagen uns ans Herz gelegt hat. Am 16. Oktober war wiederum der Jahrestag seiner Wahl zum Papst, und an diesem Tag hat er uns ein Apostolisches Schreiben gegeben. Dieses Schreiben heißt “Rosarium Virginis Mariae”. „Der Rosenkranz der Jungfrau Maria“ heißt dieses Schreiben, und es ist eine Weghilfe, die er uns gibt. Rosenkranzbeten sollen wir, damit wir immer daran denken, es ist ein Weg. Ein Weg aber, den wir an der Hand Mariens ganz im Geiste Jesu Christi gehen sollen. Ich habe oft erlebt, wenn man in einer Sterbestunde dabei sein darf, was fällt den Menschen ein zu beten! Es gibt ja viele schöne, große Gebete. In dieser Stunde hat aber niemand von uns eigentlich die Freude, diese schönen, großen und wunderbaren Gebete zu sprechen. Wir werden in dieser Stunde, in der ein lieber Mensch uns stirbt, zurückkehren zu dem ganz einfachen Beten. Und Menschen, die oft jahrelang, jahrzehntelang keinen Rosenkranz gebetet haben, entdecken in dieser Stunde, daß der Rosenkranz etwas Großartiges ist in seiner Einfachheit, aber auch in seiner Beständigkeit, so groß und so hilfreich. Rosenkranz heißt, daß wir nachdenken über Christus. Der Rosenkranz beginnt ja mit dem Glaubensbekenntnis und dem Vaterunser, all den großen Gebeten der Kirche. Sie sind schon immer im Rosenkranz versammelt, und Christus ist der Handelnde. Jesus, den du o Jungfrau vom Heiligen Geist empfangen hast, zu Elisabeth getragen hast: Christus ist da, und Maria ist das Instrument dieser vollkommenen Gnade. Der Rosenkranz meint viel mehr, als wir so tun. Man meint immer, der Rosenkranz ist oft sehr langweilig, und manche ziehen dahin, wenn sie nicht in Not sind, und wollen etwas anderes dafür beten. Das kann man tun, all diese Dinge sind keine verbindliche Glaubenslehre, aber dennoch, der Rosenkranz wird immer mehr für euch, wenn ihr lernt, mit den Menschen zu leben und zu sterben. Er wird zum großen Gebet der Erlösung. Das wollte der Papst uns sagen.

Der Rosenkranz ist die Erinnerung Mariens. Denn was wir da sagen, von dem heißt es ja schon in der Heiligen Schrift: Maria bewahrte all diese Worte und alles, was sie erlebt hatte mit den Engeln, mit den Hirten und den Königen aus dem Morgenland und alles andere. Maria hat das alles bewahrt in ihrem Herzen. Der Rosenkranz ist also nicht etwas Erfinderisches. Es ist die Erinnerung an ihren Gang mit Jesus Christus. Der Rosenkranz ist auch das Geheimnis Christi. Der Rosenkranz hat nicht so sehr die Geschicke der Gottesmutter Maria zum Inhalt, sondern Christus handelt. Christus wird geboren, Christus wird verfolgt, Christus leidet und stirbt, und Christus steht von den Toten auf. Also, die Erinnerung Mariens ist das eine. Und Christus ist der, den wir mit Maria als den Sohn Gottes und Erlöser verkünden. Der Papst sagt in diesem Schreiben, daß der Rosenkranz eine Kurzfassung des Evangeliums ist. Das ist gar nicht unrecht. Alles was wesentlich war, ist geschehen und geschieht immer wieder  im Rosenkranz. Es geschieht immer das. Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Und der Heilige Vater tut nun etwas Besonderes. Wir haben ja bisher drei Rosenkranzbereiche. Wir sprechen vom freudenreichen, schmerzhaften und vom glorreichen Rosenkranz. Das heißt, es geht um die Geburt Jesu, um Leiden und Sterben, und es geht um die Auferstehung. Der Papst sagt, ich möchte euch vorschlagen, einen vierten Bereich noch mitzubeten. Und er spricht hier von den lichtreichen Geheimnissen, die wir auch einfügen dürfen und sollen. Wer also den Weg des Papstes gehen will, der kann in Zukunft beten: Jesus, der von Johannes im Jordan getauft wurde; Jesus, der in Kana das Wunder gewirkt hat; Jesus, der uns verkündet hat, das Reich Gottes ist nahe, bekehret euch und glaubt an das Evangelium; Jesus, der auf dem Berg Tabor verklärt wurde; Jesus, der uns die Eucharistie geschenkt hat. [2] Der Papst will also, daß wir mit dem Rosenkranz auch in diesen Lebensbereich eindringen. Und ich bitte euch, dringt ein! Man muß nicht bei jedem Rosenkranz alle Bereiche durchbeten, aber ich meine, dieser Vorschlag des Heiligen Vaters, einen vierten Bereich einzuführen, ist etwas sehr Gnadenvolles. Und tut es.

Liebe Brüder und Schwestern, das wollte ich euch sagen heute. Und wenn ihr fragt, was können wir tun für die Sterbenden: Mit den Sterbenden den Rosenkranz beten! Wir dürfen für die Toten den Rosenkranz beten. Wir werden das Geheimnis von Christus immer mehr begreifen, immer mehr lieben und immer mehr verkünden. Der Papst sagt in diesem Schreiben, daß der Rosenkranz jene süße Kette sei, die uns an Gott bindet. Wer den Rosenkranz betet, der muß im tiefsten Herzen demütig sein. Demütig sein heißt ja, Gott über alles lieben. Das ist auch das größte aller Gebote. So bitte ich euch, ihr, die ihr beten könnt und wollt, bindet euch und auch eure Verstorbenen an diese süße Kette, die uns mit Gott verbindet. Amen.                                                                    



[1] Es handelt sich beim folgenden Text um die leicht korrigierte Tonbandabschrift der mündlichen Fassung dieser Predigt. Von daher sind gewisse sprachliche und stilistische Unebenheiten beibehalten worden, die dem Charakter des gesprochenen Wortes entsprechen.

[2] Zum damaligen Zeitpunkt war der authentische Wortlaut der neuen “lichtreichen Geheimnisse” noch nicht bekannt. Sie lauten in der vom Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz approbierten Fassung: (1) Jesus, der von Johannes getauft worden ist; (2) Jesus, der sich bei der Hochzeit in Kana offenbart hat; (3) Jesus, der uns das Reich Gottes verkündet hat; (4) Jesus, der auf dem Berg verklärt worden ist; (5) Jesus, der uns die Eucharistie geschenkt hat.


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 23.12.2002

 

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