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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Predigt zur Priesterweihe im Dom zu St.Pölten
am 29. Juni 1997

Der Friede, der aus dem barmherzigen Herzen unseres Erlösers und Hohenpriesters Jesus Christus kommt, sei mit uns allen! Mit herzlicher Ehrfurcht begrüße ich alle hier versammelten Brüder und Schwestern, die Begleiter und Zeugen der heiligen Priesterweihe am Hochfest der Apostelfürsten Petrus und Paulus im Dom zu St. Pölten sein werden.

Ich grüße den hochwürdigsten Weihbischof, das versammelte Domkapitel, die Bischofsvikare und alle Bischöflichen Referenten, die engeren Mitarbeiter. Am heutigen Tag gelten unsere dankbaren Grüße dem Regens des Priesterseminars, dem hochwürdigen Spiritual; ich begrüße den hochwürdigen Moderator der Gemeinschaft vom hl. Josef. Mein aufrichtiger Dank gilt heute dem hochw. Dekan, den Professoren und Dozenten, den Lehrbeauftragten und Mitarbeitern unserer Hochschule. Ich grüße dankbar unsere Dechanten, die Pfarrer, die an der pastoralen Ausbildung unserer Kandidaten mitwirken, die Heimatpfarrer und Heimatpfarren unserer Weihekandidaten, die vielen Priester, die den Weg unserer fratres ordinandi begleitet haben. Mitbrüderlich begrüße ich die hochwürdigsten Äbte, die Mitglieder des Priesterrates; ergebene Grüße den Mitgliedern des diözesanen Pastoralrats. Ich begrüße die hochwürdigen Priester und Diakone und alle Mitarbeiter in der Pastoral und im Religionsunterricht. Ich grüße die ehrwürdigen Schwestern, die einen unverzichtbaren Beitrag zum Aufbau der Kirche Christi leisten. Heute gilt unser besonderer Gruß den Eltern und Familien unserer Weihekandidaten, ihren Wegbegleitern und Freunden. In der Liebe Christi sind wir vereint mit den Betern und Wohltätern, denen das Anliegen der Priesterberufe ein Herzensanliegen ist.

In dieser heiligen Stunde ist unsere Diözese in Christus geeint; es ist ein Lebensereignis unserer einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Wie zu den Zeiten der Apostel treten zur Nachfolge Christi und zum geweihten Dienst in der Kirche bereite Männer in den Lebensstrom der Kirche ein, der in der Weitergabe des apostolischen Auftrags von Christus bis zu seiner Wiederkunft dauern wird.

Liebe fratres ordinandi: Ihr tretet heute ein in die Verheißung Christi, der uns die Gewißheit gibt: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20). Heute gilt euch besonders unser aller Gebet, unsere heilige Freude; heute gelten euch die guten Segenswünsche von allen, die sich über eure Erwählung durch Christus und durch die Kirche von Herzen freuen. Wir feiern mit euch den Tag, den der Herr uns geschenkt hat.

Noch einmal erinnert - vor der Handauflegung und vor dem Weihegebet - die Kirche euch an das, was ihr in Freiheit, aber mit vollem Ernst, mit Demut, aber unwiderruflich übernehmt: Die Ausspendung der Sakramente gemäß der Ordnung der Kirche, eure Ehelosigkeit um des Reiches Gottes willen, euer besonderes Gebet und eure tägliche Heiligung, eure Sorge für die Armen und Notleidenden, die unverkürzte Verkündigung der Wahrheit Christi, die Treue zur Lehre der Kirche, das Einstehen für das Heil der Seelen; dies alles in Gehorsam und Ehrfurcht gegenüber dem Diözesanbischof, heute gegenüber mir, morgen gegenüber meinem Nachfolger. Die Last, die ihr heute übernehmt, ist nicht gering. Der demütige Mensch, der solche Lasten tragen will, steht in der Verheißung Jesu: "Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht" (Mt 11,29 f).

Unsere Lasten werden erdrückend, wenn wir uns selbst bemitleiden und wir uns für zu gut halten, um Gott über alles zu lieben. Auch die kleinste Last will mit Liebe zu Gott getragen werden, damit sich erfüllt, wozu wir berufen sind. Wer seine eigenen Mühen fürchtet und nicht trägt, der wird in Anmaßung und Kritiksucht, in Verdrossenheit und Lieblosigkeit enden. Wenn sich Christus selbst von Herzen demütig nennt, dann sollen auch wir uns nicht schämen, wie Jesus demütig, gehorsam, gütig, selbstlos und in allem wohlwollend zu sein.

Wenn alles, was der Priester wirkt, nur auf der Leistung und auf seinen persönlichen Verdiensten ruhen wollte, ist unser priesterliches Wirken nur nichtige Anmaßung. Der Glaube der Kirche hält immer wieder fest, daß der Priester in der Person Christi wirkt, damit Gnade und Heil in den Sakramenten und im Tun der Kirche den Menschen zuteil wird.

Wir möchten zuweilen ratlos sein angesichts der Geheimnisse Gottes. Wer aber wie Jesus demütig ist, wird das Geheimnis seiner Erwählung durch den Hohenpriester Christus ohne Eitelkeit und ohne Mutlosigkeit annehmen, um mit dem hl. Paulus zu sagen: " ... nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2,20).

In den Bereichen der Welt und in den Ordnungen der Natur gibt es keinen Priester. Warum jedoch steht in der Mitte der Geschichte und der Dinge dennoch ein Hoherpriester, der erwählt und beruft, der weiht und begnadet, damit in Teilhabe an seinem einzigartigen Priestertum immer wieder Menschen als Priester sein Heilswerk fortsetzen bis zum Ende der Tage?

Ist in der Welt der Dinge nicht ohnedies alles vorhanden? Wofür bedürfen wir des Priesters? Wofür also setzt Gott den Erlöser und Hohenpriester ein? Wir beantworten diese Frage mit unserem Glaubensbekenntnis über den Sohn Gottes: "für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er vom Himmel herabgestiegen". Über Berufung, Ausbildung und Dienst des Priesters hat die Kirche seit dem II. Vaticanum viel nachgedacht. Und wenn man die drängende Frage nach der "Identität" des Priesters stellte, wollte man eine Antwort finden, die zugleich die Unverzichtbarkeit des priesterlichen Dienstes, zugleich die Gegenwart göttlicher Stiftung, zugleich die Zugehörigkeit zum Wesen der von Christus gestifteten Kirche, zugleich den Wesensunterschied des priesterlichen Dienstes vom Dienst und von der Sendung des Laienchristen, zugleich das reife und vollkommene Humanum des geweihten Priesters vereinte und bedeutete. Wenn wir allerdings in der Priesterfrage nur Gegebenheiten suchen, die Therapien und Seelenforschung brauchen, die ohne Gott und Kirche die Frage des Berufenseins beantworten wollen, dann kann die vielfach beschworene "Identität" des Priesters nicht gelingen. Die Identität des Priesters ist nicht einfach ein Resultat menschlicher und persönlicher Erfahrungen.

Mit der Person und mit dem Geheimnis Jesu Christi muß vielmehr alles übereinstimmen, was "priesterlich" sein soll. Wenn wir in das Geheimnis des göttlichen Erlösers eintreten, wenn wir die göttlichen Notwendigkeiten für die Erlösung des Menschen erfassen, werden wir auch immer besser das Wesen und die Notwendigkeit des geweihten Dienstes begreifen. Wenn wir nur Menschliches vom Menschen her denken, wird uns der göttliche Bau der Erlösung nicht einsichtig sein.

Was war es, was uns der Macht der Finsternis entrissen und uns Erlösung und Vergebung der Sünden gebracht hat? Der Hymnus des Kolosserbriefes beschreibt uns den Erlöser: Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand, er ist das Haupt des Leibes, der Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten, er hat in allem Vorrang. Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen (vgl. Kol 1,15 ff).

Das Wort "Fülle" ist es, die den Dienst des Priesters im Werk der Erlösung rechtfertigt. Gott ist mehr als Sein, Wahrheit, Liebe, Macht, Weisheit und Leben; Gott ist Sein, Wahrheit, Liebe, Macht, Weisheit und Leben "in Fülle": In nichts begrenzt oder widerruft sich Gott; seine Fülle sollte in Christus wohnen, damit alle Menschen durch ihn versöhnt sind. Der Mensch soll also zu einer Fülle erhoben werden, in der ihn Gott berührt und heiligt.

Was Gott schafft, ist "gut", weil es von Gott gewollt ist. Gott haßt nichts von dem, was er gemacht hat. Der Mensch jedoch ist zu mehr bestimmt: Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung (vgl. 1 Thess 4,3). Bloßes Dasein ist noch nicht Heiligkeit; Heiligkeit des erlösten Menschen ist mehr als Einordnung in den Bereich des Guten. Heiligkeit ist das Ganze dessen, was sich zwischen Gott und jedem Menschen heilvoll ereignet; Heiligkeit muß in jeder Begegnung Gottes mit jedem Menschen das Einzigartige und zugleich Unübertreffliche sein. Heiligkeit ist das "Leben in Fülle", das uns Christus verheißt.

Der geweihte Priester Christi ist nicht der Verwalter von Wissen, von Macht und von weltlichen Gütern; sein Tun ereignet sich in der Fülle des Lebens, für die die Sakramente besondere Zeichen und Mittel der Gnade sind. Nur Jesus Christus kann diese Begegnung von Gott und Mensch vermitteln. Nur in Jesus Christus gilt und mißt sich das Tun des Priesters; ohne Christus keine Erlösung, keine Kirche, keine Gnade, kein Evangelium, keine Sakramente, keine Priester, kein Leben in Fülle, kein Heil!

Wir schreiten gemäß den Inspirationen des Hl. Vaters auf das Große Jubiläum 2000 zu. Auch unsere Diözese soll bereit sein zur größten Liebe, die immer auch Gottes- und Nächstenliebe ist. Im nächsten Jahr 1998 möge uns der Hl. Geist einführen in das Geheimnis der Berufung, in dem auch die Berufung zum Priester und zum Ordensstand ihre Gestalt gewinnt und neue konkrete Wege sich auftun.

Heute wollen wir darum beten, daß die Menschen umkehren, sich mit Gott und untereinander versöhnen; daß alle unrecht behalten, die anderen Schaden wünschen, um Recht zu haben; daß das Wort von der Liebe zur Kirche seine Wahrheit in Christus finde und nicht im stolzen Eigensinn.

Immer geht es um Maria, wenn es um das Leben in Fülle geht: Sie ist voll der Gnade, sie ist die demütige und allzeit bereite Mutter des Herrn. Ihr empfehlen wir unsere fratres ordinandi und alle geweihten Diener der Kirche, aber auch alle Brüder und Schwestern, die unser Erlöser zum Leben in Fülle berufen hat. Amen.


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 25.10.1997.

 

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