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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Ansprache bei der Jahresschlußandacht
im Dom von St. Pölten am Silvestertag 1997

Gott läßt uns heute das Jahr 1997 nach Christi Geburt beenden. Über allen unseren Bedenken und Ausblicken, über Freude und Furcht, über Bedauern und Hoffnung, über Schuldigkeit und Danksagung steht heute das Wort des Hebräerbriefes: "Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit" (13,8). Wir laufen mit der Zeit, die Zeit läuft uns davon; die Zeit hat ihre Zeichen, doch jede Zeit hat auch ihr Ende. Obwohl wir jeden Tag nützen müssen, obwohl jeder Tag seine Mühen und Aufgaben bringt, obwohl die Zeit unseres Lebens uns jeden Augenblick näher an die Stunde unseres Todes heranführt, obwohl wir Zeit haben und Zeit sparen, bleibt die Geschichte des Menschen geheimnisvoll und chaotisch, wenn sich in der Zeit nicht Jesus Christus offenbart, der gestern, heute und in Ewigkeit derselbe ist.

Wie lange wird es unsere Welt und den Menschen auf der Welt geben? Wir wissen es nicht; trotz aller Rechenkünste ahnen wir es nicht einmal. Wir leben schon in der "erfüllten Zeit", denn Gott hat uns seinen Sohn gesandt, den die Jungfrau Maria geboren hat. Unsere Zeit, in der wir nach Gottes Willen leben, ist die "letzte Zeit", denn nichts mehr kann die Menschwerdung des Sohnes Gottes, sein Leben, sein Leiden und seine Auferstehung übertreffen. In der letzten Zeit hat Christus seine Kirche gestiftet, in dieser letzten Zeit geht es nicht mehr um Evolution und Fortschritt, nicht mehr um Kosmos und Großereignisse; es geht um Jesus Christus und damit um den Menschen und um nichts als um den Menschen, den Christus erlöst.

Wenn heute ein Jahr vergeht und nie mehr zurückkehrt, wenn wir dem Jubeljahr 2000 wieder näher gekommen sind, laßt uns gemeinsam Gott danken für alle Wohltaten der Gnade und Natur, für alle guten Gaben, die uns der Schöpfer und auch wohlwollende Menschen schenkten. Laßt uns Gott danken für Frieden, Gesundheit, Wohlstand und Glück. Unsere Dankbarkeit sei für unser Volk der Ansporn zu Solidarität, zu gerechter Ordnung und zur Gottesfurcht.

Wir wissen heute aber auch, daß wir gegen Gott und gegen den Nächsten gefehlt und gesündigt haben. Der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes möge unsere Schuld und Sünde vergeben und unser Wollen erstarken lassen zur Umkehr und zur Heiligung unseres Lebens.

Am heutigen Tag gilt der Dank der Diözese St. Pölten Gott dem Heiligen Geist, der viele Frauen und Männer aus unserer Mitte zum Werk Christi berufen und mit seinen Gaben ausgezeichnet hat. Ich möchte Gott dafür danken, daß durch treue und eifrige Priester und Diakone, durch die gottgeweihten Männer und Frauen, durch gewissenhafte Mitarbeiter in der Pastoral und Verwaltung der Diözese, durch treue Eheleute und gläubige Familien, durch hilfsbereite und gebefreudige Menschen, durch zeugnisbereite Religionslehrer, durch Pfarrgemeinde- und Pfarrkirchenräte, durch unzählige ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, durch um Kinder und Jugend besorgte Gläubige, durch Beter und Leidtragende, durch die politisch Verantwortlichen unseres Landes und unserer Gemeinden, durch Menschen des Geistes und der Tat in diesem Jahr viel Großes und Gnadenvolles geschehen konnte. Mein Dankgebet an Gott gilt auch für die Mitarbeit des hochwürdigsten Weihbischofs und meiner engeren Berater und Mitarbeiter.

Niemals haben wir umsonst unsere Gläubigen um Hilfe gebeten. Herzlichen Dank besonders für die Hochwasserhilfe. Aufrichtig und herzlich danke ich allen, die treu und gewissenhaft ihren Kirchenbeitrag leisten. Wir brauchen nicht Besitz und Vermögen, aber wir möchten mit Ihrem Kirchenbeitrag möglichst viel Gutes tun und im Sinne Christi bewegen.

Ein für die Geschichte der Diözese einzigartiges Ereignis steht 1998 bevor: Der Heilige Vater Papst Johannes Paul II. wird am 20. Juni die Diözese und die Landeshauptstadt besuchen und mit uns Eucharistie feiern. Zur Feier dieses Freudentages laden wir alle Gläubigen der Diözese und des Landes Niederösterreich nach St. Pölten ein. Wir wollen uns für diesen einmaligen Gnadentag im Herzen, aber auch in den bestmöglichen Formen würdig vorbereiten. Für die Vorbereitung brauchen wir viele Frauen und Männer als Helfer, wir brauchen viele gute Ideen, wir brauchen die Begeisterung der Jugend und die Tiefe des Gebets und der persönlichen Erneuerung. Alle lade ich ein, bei der Vorbereitung und Durchführung des Papstbesuches mitzuhelfen; jeder möge seine Bereitschaft bekunden. Dem Land Niederösterreich danke ich für die Bereitschaft, den "Landhauspark" für die Feier der Papstmesse zur Verfügung zu stellen. Alle für die Pastoral zuständigen Mitarbeiter bitte ich, die Gläubigen geistlich, geistig und kulturell auf diesen Tag vorzubereiten. Der Besuchstag des Heiligen Vaters soll für alle ein Gottes- und Glaubensfest sein.

Ich habe kürzlich vom Heiligen Vater gehört, daß er sich auf St. Pölten sehr freut. Schon für 1996 hatte er diesen Besuch zur Millenniumsfeier geplant. Wir wollen um gute Gesundheit des Papstes beten, damit er uns mit Kraft und Frische die Botschaft der Erlösung durch Christus und der Barmherzigkeit Gottes verkünden kann. Die Gestalt des Heiligen Vaters wird ein Zeugnis gegen alle Unbarmherzigkeit und Arroganz, die sich für legitime Kritik hält, sein. Mit Liebe und Ehrfurcht wollen wir den Heiligen Vater in St. Pölten begrüßen.

Am 21. Juni wird der Priester Jakob Kern aus dem Prämonstratenser-Stift Geras bei der Messe auf dem Wiener Heldenplatz seliggesprochen. Wir freuen uns über den seligen Jakob Kern, den wir in Zukunft an seinem Grab im Stift Geras verehren dürfen. Leider war es nicht möglich, den Papst auch nach Geras einzuladen, was wir alle sehr gewünscht hätten. Heute schon danken wir den Massenmedien für die umfassende Berichterstattung zum Papstbesuch. Dem hochwürdigsten Apostolischen Nuntius danke ich für den umsichtigen Einsatz in der Vorbereitung des Papstbesuches.

Wir brauchen in Österreich Ermutigung und Hoffnung durch die Worte des Heiligen Vaters: Er möge mit seinen Worten die Herzen der für das Reich Gottes besonders berufenen Frauen und Männer bewegen; er möge die Familien und Ehegemeinschaften zu größerer Liebe und Treue inspirieren; er möge uns die soziale Botschaft der Kirche verkünden und Österreich betreffend auslegen.

Vieles wäre heute zu thematisieren. Eine Sorge möchte ich den Gläubigen heute besonders anvertrauen: Es geht um die Heiligung und Ruhe des Sonntags und der gebotenen Feiertage. Für uns Katholiken ist das Entscheidende der Sonntagsheiligung die gewissenhafte Teilnahme an der Sonntagseucharistie. Wenn eine große Zahl der Gläubigen sich in ihrer Praxis diesem Gebot der Kirche verweigert, wird jeder bloß soziale und wirtschaftliche Kampf um den Sonntag ideen- und kraftlos und vielleicht sogar unglaubwürdig sein.

Zu unserer Kirche gehören Wirtschaftstreibende und Arbeitnehmer: an beider Interessen hat die Kirche in ihrer sozialen Botschaft zu denken. Eingedenk aller Notlagen und Interessen müssen wir dennoch daran unbeugsam festhalten: Der Sonntag muß der Sonntag bleiben; es gibt dafür keinen Ersatz durch andere freie Tage. Wenn unsere Gesellschaft den festen Punkt des Sonntags aufgibt, geraten Familie, Bürgergemeinschaft und auch das religiöse Leben auf eine schiefe Ebene, die ins Abseits des Gottesverlustes und der Würdelosigkeit führt. Nur mit Geld und sozialen Vergünstigungen läßt sich nicht friedlich bewältigen, was letztlich eine Gewissens- und Gottesfrage des Menschen ist.

Ich danke allen, besonders den Mitarbeitern aus der Diözese, die sich für die Heiligung und Ruhe des Sonntags wirkungsvoll einsetzen. Wo ein wahrer Wille ist, dort wird auch ein richtiger Weg zu finden sein. Besonders die Familien und die Mütter werden jede gute und dauerhafte Sicherung des Sonntags zu schätzen wissen. Wir stehen mit der Sonntagsfrage mitten in der Dringlichkeit der Gottesfrage.

Geht es um Gott, geht es radikal um den Menschen, geht es daher um die wahre Solidarität zum Wohl und Heil der Menschen, geht es um die Würde des Menschen, die durch das System des bloßen Profits gefährdet ist.

Die Arbeitslosigkeit in unserem Land - und mehr noch in der übrigen Welt - ist zu einer drückenden Last und zu einer Gefährdung des unteilbaren sozialen Friedens geworden. Forderungen gibt es viele, Konzepte allerdings wenige. Vor allem die Jugend braucht unsere Hilfe, um Ausbildung und Arbeitsplatz zu finden. Ich bitte wiederum alle Wirtschaftstreibenden, wie ich es bereits einmal getan, um die Bereitstellung von Lehrplätzen. Wir nehmen Christus auf, wenn wir einem jungen Menschen Arbeit und Ausbildung geben.

Mit dem Jahr des Papstes widmen wir uns 1998 mit großem Einsatz auch dem "Dialog für Österreich", der im Oktober des kommenden Jahres mit einem Delegiertentag in Salzburg seinen Höhepunkt finden soll. Im Jahr des Heiligen Geistes seien Versöhnung miteinander und Vertrauen zueinander die Gaben des Geistes für die Erneuerung der Kirche. Wer allerdings die Wahrheit der Glaubens- und Sittenlehre bewußt verläßt, wählt eine Sackgasse, die nicht zur erneuerten einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, sondern zu einer "anderen" Kirche, die nicht die wahre Kirche Christi ist, führt. Unterstellen wir uns bei aller Rede und Gegenrede der Wahrheit Christi und der Lehre der Kirche: dann werden Versöhnung, Vertrauen und Friede möglich sein.

Auf dem Niveau von Talk-Shows oder höherer gesellschaftlicher Unterhaltung bleibt die Wahrheit des Glaubens oft vernachlässigt. Mit dem, was in den Medien unter dem Titel Religion geboten wird, können wir oft nicht zufrieden sein. Es müssen Möglichkeiten gefunden werden, daß die Kirche in der Öffentlichkeit in eigener Verantwortung sprechen kann. Gerade die Vorkommnisse der letzten Wochen haben gezeigt, daß die Kirche eine öffentliche Stimme braucht, um von der Sache des Glaubens sprechen zu können und nicht ständig einen aussichtslosen Kampf gegen Vorurteile und Optionen einer verständnislosen Welt führen zu müssen. Wie wäre sonst jene Animosität gegen die Instruktionen des Heiligen Stuhls über die "Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester" entstanden, die nichts Neues sagte, sondern nur an die geltende Ordnung der Kirche erinnern wollte. So entsteht der Irrtum, der Ungehorsam in der Kirche sei der bessere pastorale Dienst.

Wir vertrauen uns und unsere geliebte Kirche im kommenden Jahr Gott dem Heiligen Geist an. Demgemäß wird das Jahresmotto der Diözese und das Leitwort zum Papstbesuch sein: "Komm, Schöpfer Geist". Der Heilige Geist verbürgt der Kirche Christi unfehlbar die Wahrheit; der Heilige Geist wird Christus verherrlichen, damit in allem gilt und erblühe, was der Erlöser dem Menschen geschenkt hat. Die Gottesmutter, die Braut des Heiligen Geistes und die Mutter der Kirche, lasse durch ihre Fürsprache unsere Kirche und unser Land in der Gnade erblühen, die Christus und Friede heißt.

St. Pölten, am 31. Dezember 1997

+ Kurt Krenn

Diözesanbischof

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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 31.12.1997.

 

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