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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Ansprache bei der Jahresschlußandacht
im Dom von St. Pölten am Silvestertag 1998

Der letzte Tag des Jahres 1998 ist ein Tag wie jeder andere Tag. Dennoch stellen wir diesen Tag, mit dem das Jahr unwiederbringlich in die Vergangenheit versinkt, noch einmal der Prüfung durch den allwissenden und allmächtigen Gott anheim.

Laßt uns Gott danksagen für alles, was uns zur Wohltat, zum Erfolg und zur Gnade geworden ist. Was hast du Mensch, was dir nicht von Gott geschenkt wäre? Was hast du, was nicht andere wohlgesinnte Menschen dir bereitet haben? Nichts haben wir in die Welt mitgebracht, einst können wir auch nichts aus ihr mitnehmen. Wenngleich wir im Tod alles Irdische verlieren werden, können wir Menschen einen Schatz sammeln, mit dem wir das wahre Leben erlangen; wir wollen dafür wohltätig sein, reich an guten Werken, freigebig sein, und mit anderen teilen, was wir haben (vgl. 1 Tim 6,18 f).

Wer dankbar ist, wird wissen, wie oft Sünde und Schuld wir vor Gott zu bereuen haben. Laßt uns mit unserem recht gebildeten Gewissen unsere Sünden erkennen, unsere Schuld in Gottes Liebe bergen, den Weg der Umkehr zu Gott gehen und die Versöhnung mit unseren Brüdern und Schwestern suchen, die uns verzeihen mögen. Die Sünde - die schwere Sünde - ist es, in der wir in armseliger Einsamkeit vor Gott stehen. Wer seine Sünde erkennt und bekennt, der gibt Zeugnis von der Wirklichkeit Gottes. Wer dem Menschen die Sünde ausredet, wer die Sünde nur in Strukturen festmacht, wer nur die anderen anklagt, sich selbst aber schont und betrügt, der leugnet Gott. Im Angesicht des wirklichen, lebendigen, gerechten und barmherzigen Gottes wollen wir der Sünde und dem Bösen widersagen: Wir wollen heilig sein, weil Gott heilig ist. Jeder von uns ist aus Gnade zur Heiligkeit berufen. Gott will, "daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen." (1 Tim 2,4).

Wir werden nicht gerettet, weil wir irren; Gott ist die Wahrheit, wer glaubend und dankend Gott vertrauen will, der kann nicht Zweifel und Irrtum als gottgewolltes Menschsein ausrufen. Mehr als je zuvor erfahren wir heute die Herrschaft des Vaters der Lüge; Jesus nennt den Teufel den Vater der Lüge, einen Mörder von Anfang an. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt, denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge; er steht nicht in der Wahrheit und keine Wahrheit ist in ihm.

Menschenkinder, werdet Gotteskinder; bekehrt Euch zu Gott; hört die Worte Gottes; verhärtet Eure Herzen nicht in Selbstgefälligkeit und Ungehorsam. An Jesus richtete ein Jünger die Bitte: "Herr, zeig uns den Vater, das genügt uns" (Joh 14,8). Nicht menschliche Klugheit und Wissen weisen uns den Weg zum Vater; Jesus sagt uns: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen." (Joh 14,9). Alle zum Heil führende Wahrheit kann nur die Wahrheit Christi sein. Wie können Christen heute behaupten, daß Christus und seine Kirche sich der Realität des heutigen Menschen anpassen müssen, daß Gott sich ändern muß, damit wir ihn annehmen? Wiederholt sich die Tragik: "Er kam in sein Eigentum, doch die Seinen nahmen ihn nicht auf" (Joh 1,11)?

Kann es sein, daß die Seinen Jesus nicht aufnahmen, weil sie mit "Mehrheit" seine Botschaft und sein Gesetz ablehnten? Die Gottesverneinung unserer Zeit hat viele Weisen, aber immer ist sie ein Widerstand gegen den Willen Gottes, dessen Gebote und Ordnung dem erbsündigen Menschen nicht gefallen. Jede Diskussion und jede Auseinandersetzung in Religion und Kirche betreffen die Wahrheit und Wirklichkeit Gottes. Jene aber, die den Sohn Gottes aufnehmen, sie hören die Wahrheit und befolgen sie.

Es ist nicht richtig, die Vorgänge in Österreich als einen Streit um nichtige Dinge anzusehen; worum es geht, ist eine ernste Sache: Es geht um die Identität der Kirche in der Glaubenslehre; es geht um das Bleibende, das wir von Christus und den Aposteln für alle Zeiten übernommen haben; es geht nicht um Macht, sondern um die Vollmacht, die jene auszuüben haben, die als Bischöfe, Priester und Diakone je auf ihre Weise den Aposteln Christi nachfolgen. Es geht aber auch um die "Wahrheit über den Menschen", die darin gründet, daß Gott jeden Menschen als sein Abbild schuf; die Würde der menschlichen Person ist eine Wahrheit über den Menschen, die weltgestaltende Kraft hat, weil sie die Menschheit immer tiefer in das Begreifen und Respektieren der Menschenrechte hineinführt. Friede wird kommen, und Friede wird sein, wenn die Menschenrechte überall, für jeden Menschen und für alle Zeiten gelten.

1998 ist für unser Land ein Jahr dankbarer Erinnerung: Unser Heiliger Vater, Papst Johannes Paul II., besuchte ein drittes Mal Österreich. Für Niederösterreich und für unsere Diözese St.Pölten war der 20. Juni dieses Jahres der Besuchstag des Papstes. Wir feierten mit dem Nachfolger des Petrus im Landhauspark der neuen Landeshauptstadt die heilige Eucharistie; wir beteten um die Fülle der Gaben des Heiligen Geistes; wir hörten die Botschaft des Heiligen Vaters, daß jeder Mensch erwählt ist und in seinem Dasein eine ganz konkrete Berufung empfangen hat. Sehr bewußt ging der Heilige Vater auf die Frage der Berufung zum Priester oder auch zum Ordensstand ein. Sehr deutlich hat der Papst festgestellt, daß der geweihte Priester in Kirche und Seelsorge unersetzbar ist. Wenn wir die Unersetzbarkeit des Priesters bejahen, werden wir auch neue Berufungen erhalten, durch Gebet und durch Umkehr unseres Lebens.

Die Sorge um Priesterberufe ist dem Bischof und den Priestern im besonderen auferlegt. Aber auch der Beitrag der gläubigen Familien, der lebendigen Pfarrgemeinde, des guten Religionsunterrichtes und einer Erziehung der jungen Christen zu Gottesliebe, Glaube, Reinheit von Seele und Leib, Solidarität und humanem Anstand soll jenes Umfeld schaffen, in dem Gott zum geweihten Dienst und zur Nachfolge Christi berufen kann. Bei aller Vorbereitung, die wir bejahen, sind es dennoch nicht das Wissen und die erworbenen Fähigkeiten, die das Amt des geweihten Dienens ausmachen; es ist die Weihe, die das Amt ausmacht, aus dem sich die Aufgaben ergeben. Auch wenn alles wie Mühe aussieht, ist es dennoch Gnade, Gnade über Gnade.

Drei vorbildliche Menschen in der Nachfolge Christi hat uns der Heilige Vater am 21. Juni beim Schlußgottesdienst in Wien geschenkt: die selige Glaubenszeugin Sr. M. Restituta, den seligen Ordensgründer P. Schwartz, den seligen Sühnepriester Jakob Kern. Wir haben Fürsprecher bei Gott und Vorbilder auf dem Weg zur Heiligkeit, die auch unsere Berufung ist.

Vielen habe ich für das Gelingen der Gnadentage mit dem Heiligen Vater zu danken. Der Republik Österreich, dem Land Niederösterreich, der Landeshauptstadt St. Pölten; dem hochwürdigsten Apostolischen Nuntius für seine weise und erfolgreiche Vermittlung; den diözesanen Vorbereitungskomitees und der gesamtösterreichischen Vorbereitung; Beamten und Militärs, Feuerwehren und Rettungsorganisationen; Tausenden freiwilligen und ehrenamtlich mitwirkenden Frauen und Männern, Mitgliedern der Katholischen Aktion; künstlerischen Mitgestaltern; unterstützenden Firmen und wohltätigen Gebern.

Vor allem aber danken wir dem Heiligen Vater selbst, der trotz der Mühen seines Alters mit Freude zu uns gekommen ist. Es gäbe für viele Gläubige nun berechtigten Anlaß, im Heiligen Jahr 2000 Rom zu besuchen und damit einen Gegenbesuch abzustatten. Greifen wir die Herzensanliegen des Papstes für das Große Jubiläumsjahr 2000 auf; bereiten wir im Jahr 1999 mit Blick auf den ewigen göttlichen Vater unsere Herzen zur Versöhnung mit Gott und mit dem Nächsten. Der ewige Vater ist der Gott allen Erbarmens, der seine Kinder nie vergißt.

Der Papstbesuch war eine große Gnade für unser Land und für unsere Diözese. Viele Menschen im Landhauspark haben mit fast gleichen Worten bestätigt, daß eine Gestimmtheit des Friedens und der Freude über die Zugehörigkeit zur einen wahren Kirche Christi sie in der Stunde der Eucharistie ergriffen hat. Mit der Botschaft des Papstes kennen wir den gottgewollten Weg unseres Landes ins dritte Jahrtausend.

Vor kurzem haben wir die tausendjährige Erinnerung des Namens "Österreich" gefeiert. Was wird nach den nächsten tausend Jahren sein? Vieles Gewaltige und zum Stolz Verführende wird längst nicht mehr sein. Wohin führt der rasche Fortschritt? Zu einem Rückschritt? In eine Weltkatastrophe? Es werden die Kindeskinder unserer Kinder sein, die das neue Jahrtausend erleben und gestalten werden. Jesus verheißt uns: "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen" (Mt 24,35). Je verworrener und unsicherer unsere Zukunft ist, desto mehr laßt uns auf den ewigen Gott und auf das Bleibende im Werk Gottes schauen.

Im Jahr 3000 wird immer noch Wahrheit sein, was die Wahrheit Christi und unseres Glaubens ist. Unsere Kirche wird immer noch sein, denn sie ist ein Werk Gottes, das selbst die mächtigsten Feinde nicht zerstören können. Am Ende der Weltzeiten wird die Kirche in Herrlichkeit vollendet sein; dann werden alle Gerechten von Adam an, von dem gerechten Abel bis zum letzten Erwählten, in der allumfassenden Kirche beim Vater versammelt werden (vgl. Vat. II, LG 2). Jeden Menschen hat Gott in seine Hand geschrieben; keiner ist von Gott vergessen, auch wenn einst vieles verändert oder zerstört ist. Es wird die Familie bestehen, denn Gott will sie, solange diese Erde dem Menschen gehört; es wird die Menschenrechte geben, denn Gott liebt den Menschen und haßt nichts von dem, was er gemacht hat. Es wird Friede aus Einsicht oder sogar Friede aus Liebe sein, denn die Liebe ist stärker als der Tod. Was sündig und böse ist, wird zerfallen, je näher wir dem neuen Himmel und der neuen Erde entgegengehen.

Immer mehr liegt das "Neue Jerusalem" im Ziel der Weltgeschichte. Das neue Jerusalem kommt von Gott her aus dem Himmel, wie eine Braut für ihren Mann geschmückt: Gott wird unter den Menschen wohnen, sie werden sein Volk sein und Gott wird bei ihnen sein. Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen. Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Thron sitzt sagt: Seht ich mache alles neu (vgl. Offb 21,1 ff).

Inmitten einer Welt, die einmal ganz anders sein wird, haben wir auch heute schon den Durchblick auf jene Stadt Jerusalem und jene Zeit, in der Gott alles in allem ist. Die Kirche Christi schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Weg dahin.

In der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Herrn leuchtet Maria als Bild und Anfang der in der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voraus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Durch Maria zu Christus, durch Christus zum Vater; dies sei der Weg unserer Kirche zur Vollendung, die wir hoffend erwarten.

(Teil 2:)

Abschließend habe ich für vieles zu danken. Ich danke den Gläubigen der Diözese, die trotz mancher Mühen und Wirren der Kirche die Treue halten, die mitarbeiten am Werk Christi, die mit ihrem Kirchenbeitrag den Auftrag und die Verpflichtungen der Kirche unterstützen, die sich mit Arbeit und Opfern vielfach am Guten beteiligen, die zu den Priestern und Seelsorgern stehen.

Ich danke den Priestern, Diakonen und pastoralen Mitarbeitern für ihre Mitarbeit um das Heil der Seelen. Ich lade sie vor allem ein, sich der Suchenden und der Fernstehenden anzunehmen. Für jene, die aus der Kirche ausgetreten sind, gelte die besondere Einladung des Gnadenjahres 2000 zur Heimkehr in die Kirche. Allen, die Verantwortung tragen und Dienste tun, wollen wir Gottes Lohn erbitten: den Pfarrgemeinderäten und Pfarrkirchenräten, den vielen Religionslehrern, der Caritas und ihren Mitarbeitern, den selbstlosen Helfern und stillen Betern. Gott wird besonders jene seligpreisen, die sich um die Alten, Behinderten und Kranken und um die Kinder annehmen. Liebe Brüder und Schwestern! Werdet nicht müde, Gutes zu tun; vergeltet nicht Böses mit Bösem, und seid so die Boten der Gesinnung Christi in unserer Kirche.

Laßt euch nicht verwirren und aus der Fassung bringen, wenn Lüge und Irrtum euch bedrängen.
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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 31.12.1998.

 

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