Ansprachen |
Ansprache bei der Jahresschlußandacht
im Dom von St. Pölten am Silvestertag 2000
Die letzten Stunden eines Jahrtausends haben nun begonnen. Das Gnadenjahr 2000 geht seinem Ende zu. Nunmehr beginnt mit dem morgigen Tag das erste Jahr des dritten Jahrtausends. Wenn die Menschheit wieder ein nächstes Jahrtausend beginnt, wird kaum jemand von uns noch in der Erinnerung der Menschen sein. Auch wenn unser Leben uns noch so wichtig erscheint, sind wir in der Geschichte bald verblüht und verschwunden wie die Blumen des Feldes. Und was sind tausend Jahre in der Geschichte des Kosmos, der Schöpfung, in der wir mit Milliarden von Jahren rechnen.
Mit dem Glauben an den Schöpfer, mit dem Wissen um den unabwendbaren Tod unseres irdischen Leibes betrachten wir heute unser Dasein und stellen fest, daß sich für unser Leben und Heil alles in unserem kurzen eigenen Leben entscheidet. Jedem von uns folgen die guten Werke, die er getan hat, nach, und werden zu unserer Hoffnung für das ewige Leben, in dem wir Gott schauen wie er ist. Das Innehalten mit Gott in diesen letzten Stunden des vergehenden Jahrtausends hat dennoch einen Sinn und gibt unserem Leben die Richtung auf Gott hin.
Wir bringen in dieser Stunde zur Sprache, was unser Land und unsere Diözese St. Pölten in diesem Jahr 2000 aus der Sicht Gottes gestaltet hat. Wie nachhaltig wird sein, was wir aus Liebe zu Gott versucht haben ? Sind wir bekehrt von der Sünde, sind wir geduldiger geworden; vertrauen wir mehr auf Gott als bisher; sind wir treuer zu Gott und zu den uns anvertrauten Menschen ? Ist nachhaltiger geworden, was Christus uns sagt: Folge mir nach ?
Viele Menschen haben die Botschaft unseres Heiligen Vaters begriffen und ein Gnadenjahr 2000 gefeiert. Wir wollten auch und sollten auch dieses Gnadenjahr feiern, das schließlich nicht Ende eines Festes ist sondern ein Gnadenjahr das sich fortsetzt und immer mehr Früchte bringt. Ich danke den Seelsorgern der Jubiläumskirchen in unserer Diözese, die an vielen Orten die Gläubigen an die Erlösung durch Christus erinnert haben. Nicht alles ist sichtbar, was die Gnade Gottes in den Herzen der Gläubigen wirkt; dennoch dürfen wir hoffen, daß ein neues Denken und Urteilen, eine neue Hoffnung und neues Gottvertrauen in den Ehen und Familien gestiftet ist und daß in der Jugend und in unseren Pfarren die Gottesfurcht zugenommen hat.
Das pastorale Ziel der Kirche in Österreich, so haben wir Bischöfe das festgehalten, ist die Heiligung des Sonntags; ich hoffe, daß viele nunmehr wieder die Sonntagsmesse mitfeiern und ihr Leben an der Botschaft Christi ausrichten und im eucharistischen Brot des Lebens eine neue Mitte, Trost und Kraft finden.
Weltweit, es wurde zu einem überraschenden Erlebnis für die ganze Kirche, haben viele Gläubige auch in der persönlichen Beichte und in der Erforschung des Gewissens die Gnade der Bekehrung und der Gottesbegegnung gefunden. Liebe Brüder und Schwestern, es ist nie zu spät für die Bekehrung. Schiebt niemals auf, wenn euer Herz euch anklagt; beichtet, bereut und beginnt mit Entschlossenheit eure Bekehrung und Besserung im Sakrament der Buße. Was hast du, was dir nicht von Gott geschenkt ist ? Seid dankbar, zufrieden, demütig und gerecht vor Gott.
Wenn heute die besondere Stunde des Dankes an Gott und des Gebetes um Gottes Hilfe und Schutz zu feiern ist, sei es mir auch erlaubt, allen Mitarbeitern und allen Gläubigen zu danken; zu danken für das Vorbild ihres Christseins; für ihre treue Liebe zur Kirche; für ihre wohlwollende Unterstützung der Anliegen des Reiches Christi; für ihr Gebet und Opfer. Ich danke auch ganz besonders für den gewissenhaft geleisteten Kirchenbeitrag, der der Besoldung der Mitarbeiter, Priester und Laien, den vielen kirchlichen Bauten und notwendigen pastoralen Initiativen zugute kommt: wenn wir etwas Gutes tun konnten, waren es unsere Gläubigen, die uns durch den Kirchenbeitrag dazu geholfen haben. Ich muß weiter danken. Ich danke dem hochwürdigsten Apostolischen Nuntius für seinen Dienst des Friedens und der Wahrheit für unsere Kirche in Österreich.
Jedes Jahr gebührt der Dank des Bischofs denen, die in Treue und in hervorragenden Leistungen die Ämter, Dienste und Aufträge in der Diözese wahrnehmen. Allen voran danke ich dem hochwürdigsten Weihbischof und Generalvikar, den Mitgliedern des Konsistoriums, den Dienststellenleitern, den Dechanten, den Priesterräten, den Pastoralräten in der Diözese und in den Pfarren, den Organisationen und Gliederungen, kurzum all denen, mit denen uns der Glaube der Kirche verbindet. Dank sei den hochwürdigen Priestern, Dank sei den hochwürdigen Diakonen. Aufrichtig danke ich auch dem Landeshauptmann von Niederösterreich und den Mitgliedern der N. Ö. Landesregierung, den Abgeordneten und Beamten, dem Bürgermeister der Landeshauptstadt, den vielen Bürgermeistern der Gemeinden und allen Bürgern dafür, daß wir gemeinsam ein gutes Jahr 2000 für unsere Heimat mit Gottes Hilfe gestalten durften.
Respektvoll grüße ich den Herrn Superintendenten für Niederösterreich, seine Mitarbeiter und die evangelischen Gläubigen. Bei allem notwendigen Unterschied konnten wir in diesem Jahr auch Gemeinsames vollbringen und ein Vorauszeugnis dafür geben, daß wir schon im Gebet Jesu um die volle Einheit uns bewegen. Was anderorts zu Konflikten führt, konnte bei uns brüderlich und christlich getan werden, weil wir die Identität unserer Glaubensgemeinschaften schützen und einem falsch verstandenen ökumenischen Minimalismus, der überall hineinredet, uns nicht preisgeben. Allen Christen entbieten wir gute Wünsche für 2001; geben wir einander ein Zeugnis der Geduld miteinander und der Ehrfurcht voreinander.
Alles, was wir an Gutem tun, hat letztlich seinen Ursprung aus Gott; alles, was uns aus Gottes Gnade gelingt, ist letztlich Heimkehr zu Gott, der unser Ziel und Heil ist. Wir sind alle Heimkehrende zu Gott und ich rufe uns allen zu: Erschweren wir einander nicht diese Heimkehr durch Stolz und Unbelehrbarkeit, durch Egoismus und Machtliebe, durch ungehemmte Schadenfreude, Neid und Ehrsucht.
Seit neun Jahren bin ich Bischof der Diözese St. Pölten; mancher Bruder hat versucht, es dem Bischof schwer zu machen. Ich will diese Mühe nicht zurückweisen, weil auch sie zu meinem Amt gehört. Jedes Jahr hat man darauf gewartet, ein Wort des Bischofs anzugreifen oder gar zu verdrehen; ich würde mich freuen, wäre im Jahr 2001 manches mehr Freude am gemeinsamen Ziel ist und ein Zeugnis dafür, daß wir uns Christus und seiner Kirche in Eintracht unterstellen. Der Friede des Herrn sei mit uns allen. Rechtfertigen wir unser Tun nicht an Moden und Programmen, die nicht von Christus kommen. Rechtfertigen wir unser Tun an der Lehre und Ordnung der Kirche; dafür haben wir eine gute Handreichung; das II. Vat. Konzil müßte nur ernst, genaugenommen werden und wir hätten dafür Maßstab und Richtschnur .
Unserem Land blieben im vergangenen Jahr politische Prüfungen nicht erspart: Österreich wurde aus törichten Motiven beurteilt und zeitweilig in der EU isoliert. Dank sei den politisch Verantwortlichen, die in dieser Zeit Ruhe, Geduld und Sinn für Gerechtigkeit bewiesen haben. Kein Lob gebührt den Staatsmännern und Ländern, die in erschreckender Weise demonstriert haben, daß die europäische Familie noch wenig Sinn für Recht und Gerechtigkeit hat.
Durch Wahlen wurde in Österreich ein neue politische Konstellation herbeigeführt. Auch heute wollen wir nicht vergessen, daß auch die vorausgehenden politischen Kräfte viel Gutes erreicht haben und vom Wähler das entsprechende Votum erhielten. Nunmehr jedoch soll auch der neuen Regierung das Vertrauen der Bürger gelten. Es soll immer die demokratische Mehrheit sein, der das Gesetz des Handelns rechtmäßig anvertraut ist.
Freilich hat die Demokratie auch ihre Grenzen; eine Mehrheit darf nichts gegen das Leben und gegen die Würde der menschlichen Person tun oder beschließen; wenn also eine Mehrheit die Straffreiheit für die Abtreibung des ungeborenen Kindes oder für Euthanasie beschließt, muß festgestellt werden, daß ein Menschenrecht verletzt wird, das auch ein Gottesrecht ist. In keinem Fall kann die Tötung eines unschuldigen Menschen erlaubt sein. Wir sehen durchaus auch interessiert und mit vielen guten Wünschen die bescheidenen Versuche, den Abtreibungen Einhalt zu gebieten; dennoch müssen wir die Forderung nach dem Ganzen erheben; niemals und unter keinen Umständen gibt es die Rechtfertigung für die Tötung eines ungeborenen Kindes, eines behinderten Menschen, eines unheilbar Kranken auch nicht eines Sterbenden. Gott allein ist der Herr des Lebens, er gibt das Leben und bestimmt auch dessen irdisches Aufhören.
In einem europäischen Land wurde kürzlich durch Gesetz des Parlamentes ein weiterer Damm durchbrochen: Menschliches Leben wird verfügbar gemacht für Therapie und Forschung; auch in diesen Fällen geht es um menschliches Leben, das nicht frei verfügbar ist und unwiederbringlich getötet wird. Es heißt für unsere Zeit, die so stolz auf alles Errungene ist, wir dürfen nicht alles tun, was wir tun können. Gegen vieles wird heute protestiert; wo aber bleiben unsere Proteste gegen diesen genetischen Kannibalismus, der wie harmloser Fortschritt auftritt ? Vieles gehört uns Menschen; eines aber darf es niemals sein: daß das Leben des anderen uns gehörte.
Das Jahr 2000 hatte viele wichtige Themen; nicht alle können heute zur Sprache kommen. Als der für das Wohl der Diözese verantwortliche Bischof möchte ich Ihnen eine Sorge mitgeben, die ich allein nicht tragen kann: Es ist die Frage der Priesterberufe und der Ordensberufungen von Frauen und Männern. Ich, und das sage ich Ihnen mit aller Verpflichtung, ich werde niemals zu denen gehören, die von der Sonntagsmesse in den Pfarren abrücken und - oftmals auch ohne Not - Wortgottesdienste und Ersatzliturgien einführen. Noch einmal sage ich, was die Kirche lehrt: Die Sonntagspflicht ist ein Gebot der Kirche und die Sonntagspflicht erfüllt nur der, der an der vom Priester gefeierten Messe teilnimmt. Es kann sicher entschuldigende Situationen geben; ich möchte jedoch alle Pfarrer, Dechanten und Pfarrgemeinderäte nochmals verpflichten, für die eucharistische Feier des Sonntags alles zu tun. Urlaub oder andere menschliche Anlässe können kein gerechter Grund sein, dem Volk Gottes in der Pfarre die Eucharistie vorzuenthalten.
Unser Heiliger Vater sagte bei seinem Besuch in St. Pölten, daß ein Priester wiederum nur von einem Priester ersetzt werden kann. Die lebendige Weitergabe der pastoralen Sorge von Priester zu Priester durch den Bischof muß die Lebensform der Pastoral sein. Wenn in einer Diözese manche den Priester für überflüssig halten und nichts mehr tun, um Berufungen zu entdecken und zu fördern, wird es bei uns eines Tages keine Kirche mehr geben. Es muß uns alle unruhig machen, daß in diesem Heiligen Jahr kein einziger Kandidat für das Priesterseminar sich gemeldet hat. Maßnahmen sind notwendig: Die Dechanten, der Priesterrat und der Pastoralrat haben einhelligst gesagt, daß sie das Anliegen des Bischofs mittragen wollen, in Seitenstetten ein “Haus der Berufung” zu errichten, in dem jeder mögliche Kandidat seinen Weg zum Priestertum bedenken und beginnen kann. Schon Jesus fordert uns auf, um Arbeiter im Weinberg zu beten. Keine gute Idee soll ungeprüft bleiben, gestern schon sollten wir begonnen haben, was für heute von höchster Dringlichkeit ist.
Die Krise der Jugend meldet sich heute besonders als der Mangel an Priester- und Ordensberufen. Jeder Priester möge sich um die Jugend annehmen, ob er alt oder jung ist. Unsere gläubigen Familien mögen es als wirkliche Gnade ansehen, daß Gott ein Kind aus ihrer Familie beruft. In Reinheit und keuscher Liebe möge unsere Jugend sich auf das Wesentliche besinnen; Jesus sagt uns, daß die Liebe zu Gott das größte Gebot ausmacht.
Leben wir nicht so, als ob es Gott nicht gäbe. Es ist gut und interessant, daß heute wieder mehr auf “Werte” dieses neue und alte Wort Bedacht genommen wird; sicher ein guter erster Schritt auch in unserem profanen Bewußtsein; man redet wieder von Werten und von Wertegemeinschaften. Werte können jedoch nur Gutes bewirken, wenn sie mit dem Wesen Gottes übereinstimmen und Norm für unseren Weg zu Gott sind. Wir brauchen für die Werte, die uns tragen sollen, die auch all das aufbauen sollen, damit Friede in der Welt und Gerechtigkeit unter den Menschen ist, diese Werte müssen Wahrheit über Gott und den Menschen sagen. Die Wahrheit über Gott und über den Menschen wird uns freimachen; wir wissen auch, bei Gott ist nichts unmöglich. Mit diesem Wort mögen auch Sie heute aufbrechen in das neue Jahrtausend, das uns geschenkt wird.
Laßt uns heute Gott danken für alle Gnaden und Wohltaten des Jahres 2000. Laßt uns preisen und anbeten den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Vertrauen wir uns der Gottesmutter, allen Engeln und allen Heiligen an, damit wir bestehen in dem, was das neue Jahrtausend uns bringt. Beten wir auch für unsere lieben Toten.
So darf ich Ihnen allen Segen Gottes wünschen und erbitten. Ich möchte gleichsam damit enden, daß ich Ihnen wünsche: Jesus Christus gestern, heute und immerdar, er, der war und ist und sein wird, Jesus Christus sei uns Weg, Wahrheit und Leben. Mit diesen guten Wünschen wollen wir beten, mit diesen guten Wünschen wollen wir Gemeinschaft haben in Gott, im Glauben und in der Liebe zu Gott und zueinander. Amen.