Ansprachen |
Ansprache bei der Jahresschlußandacht
im Dom von St. Pölten am Silvestertag 2002
Es ist Gott, der unsere Welt erschaffen
hat; es ist Gott, der uns damit auch die Zeit geschenkt hat. Jede Stunde hat
ihre Bedeutung für den Menschen; ohne Bezug zum Menschen ist die Zeit ein
Nichts, denn die Zeit will gelebt werden und mit dem Leben des Menschen verbunden
sein.
Heute beschließen wir das Kalenderjahr 2002. Der ernsthafte Mensch wird
in dieser Stunde an Gott denken. Laßt uns Gott danken für seine Wohltaten,
für seine sorgende und weise Vorsehung und für seine Gnade, die nichts
anderes als seine Barmherzigkeit ist. Gott vergebe uns, was in uns Sünde,
Untreue und Gottwidrigkeit war.
Ich möchte heute aber auch
allen danken, die sich in der Sache Christi und seiner Kirche in unserer Diözese
gemüht haben. Ihr Lohn wird es sein, daß Gott nichts in Vergessenheit
geraten läßt, was sie Gutes getan haben, was sie um Christi willen
ertragen und erleiden mußten, was sie für das Wohl des Volkes Gottes
vollbrachten.
Ich danke unserem Weihbischof für seinen selbstlosen Dienst; ich danke
allen, die mit mir Verantwortung und Lasten trugen: den Dienststellenleitern,
dem Domkapitel, den Räten, den Dechanten, den Pfarrern, Moderatoren und
Kaplänen, den Diakonen und Religionslehrern, den pastoralen Mitarbeitern
und den vielen Helfern, die in den Pfarren der ganzen Diözese segensvoll
wirken. Ich danke jedem Gläubigen, ob Frau oder Mann, ob Kind oder Jugendlicher,
ob sichtbar oder bescheiden und verborgen - für alle Liebe, Sorge und Wohltaten,
die sie uns tagtäglich und in großer Treue zuteil werden ließen.
Ich danke besonders und ausdrücklich jedem Gläubigen für den
Kirchenbeitrag, der in unserer Diözese vieles Notwendige möglich macht.
Wir wollen im Kirchenbeitrag auch ein Zeugnis der Treue zur Kirche sehen. Über
diesen Pflichtbeitrag hinaus haben unzählige Gläubige großzügig
gespendet: für die Caritas unserer Diözese, für die Mission und
Glaubensverbreitung, für die Sorgen des Heiligen Vaters, für die Armen
und Hungernden in allen Erdteilen, für den Nachbarn in Not. Die katastrophale
Überschwemmung im Sommer dieses Jahres war ein negatives Jahrhundertereignis;
liebe Gläubige, eure Hilfsbereitschaft war einzigartig; Gott möge
allen lohnen, was sie in der Nächstenhilfe geleistet haben. In den Tagen
der Katastrophe ist eine neue Solidarität entstanden; jeder hilft, jeder
opfert, jeder setzt sich für den Nächsten ein. Die Caritas und die
Pfarreien haben sich in diesen schweren Tagen als bestens funktionierend bewährt.
Auch die Schäden an Kirchen und kirchlichen Gebäuden waren an manchen
Orten sehr groß. Die Diözese wird sicherlich helfen und auf die Geschädigten
Rücksicht nehmen. Das ist nur möglich, weil wir als Katholiken und
Christen uns zur Solidarität verpflichtet wissen. Aus solchen Katastrophen
lernt der Mensch, daß zerbrechlich ist, was er baut und plant. In wenigen
Stunden ist oft verloren, was das Werk unseres Lebens ist. Richten wir alle
unsere Arbeit und Pläne am Willen Gottes aus, dann werden wir im Erfolg
demütig und in der Not wachsam und mutig sein.
Das Jahr 2002 war in mancher Hinsicht ein ungewöhnliches Jahr, das Jahr
der Katastrophe. Wir lernen aber auch, daß Gott zum Guten wenden kann,
was uns oft erschreckt. Nachhaltig soll werden, was wir oft in Stunden der Angst
uns zum Vorsatz machen: Wie oft wird debattiert und beschlossen, was wir schnell
vergessen; seien wir nicht Menschen der großen Worte, die viel beschließen,
aber kaum etwas tun.
Was zur lebensgefährlichen
Not in unserer Diözese geworden ist, ist der Mangel an Priestern und Ordensleuten.
Der Priester ist niemals ersetzbar; die gottgeweihte Frau und der gottgeweihte
Mann: in den Schulen und Spitälern sind sie nicht ersetzbar. Es ist nicht
zielführend, wenn Institutionen von Orden ihr Aussterben durch Zusammenschlüsse
verdecken wollen. Wir brauchen den berufenen Mann und die berufene Ordensfrau,
die in einer persönlichen Entscheidung Christus ihr Leben lang nachfolgen.
Der Diözesanbischof trägt die höchste Verantwortung für
den Priesternachwuchs und die geistlichen Berufungen. Im heurigen Studienjahr
haben elf Männer sich als neue Seminaristen gemeldet; eine überraschend
gute Zahl. Der neue Regens Propst Küchl bemüht sich mit gutem Erfolg
in der Unterweisung der Kandidaten. Wir haben Hoffnung, daß wir für
die kommende Zeit genügend Studierende und Professoren der Theologie an
unserer Hochschule haben werden. Beste Professoren sollen die beste Ausbildung
garantieren. Für den Priesternachwuchs darf uns nichts zu aufwendig sein.
Auch wenn die Ernte bislang äußerst gering ist, wollen wir dennoch
die Kleinen Seminarien in Melk und Seitenstetten weiterführen; das neu
errichtete “Haus Gennesaret” in Seitenstetten soll gleichfalls uns
Priester- und Ordensberufungen zuführen.
Ein Werk von großer pastoraler Bedeutung wird der Neubau des Konservatoriums
für die Kirchenmusik sein. Die Chorsänger in den Pfarren, die Organisten
und die Musiker gehören zu jenen, auf deren Dienste wir nicht verzichten
können. Sobald die vorgeschriebenen archäologischen Untersuchungen
abgeschlossen sind, wird im nächsten Jahr mit dem Bau begonnen; die Finanzierung
belastet nicht das laufende Budget der Diözese. Ich bitte die Priester
und Gläubigen um das Wohlwollen und Verständnis für die Notwendigkeit
dieses Anliegens. Unser Volk ist reich an Begabungen für Musik und Kultur,
dieser Gabe sollen wir auch Rechnung tragen.
Auch wenn Katastrophen uns nicht
verschonen, müssen wir Gott dennoch für vieles Gute danken; immer
noch geht es uns gut. Wir können immer noch mehr Menschen begegnen, denen
es schlechter als uns geht. Not und Segen, Gesundheit und Krankheit, Gebet und
Gnade: all dies gehört zu unserem Dasein, in dem es uns aufgegeben ist,
Gott über alles zu lieben.
Schmerzlich ist es für die Kirche, wenn jemand Gott vergißt, den
Glauben verliert oder gar die Glaubensgemeinschaft der Kirche verläßt.
Jedes Jahr wird der Kirche vorgehalten, wie viele aus der Kirche austreten;
leider spielt der Kirchenbeitrag dabei keine unwichtige Rolle. Jeder Austritt
ist bedauerlich, es gibt keinen wahren Grund, Christus zu verlassen. Ich lade
alle, die einmal ausgetreten sind, zur Rückkehr in die Kirche ein. Lieber
Bruder und liebe Schwester, kehr zurück zur Kirche, je früher desto
besser; für Gott ist es jedoch nie zu spät. Jeder Gläubige trägt
auch Verantwortung für den Glauben seiner Brüder und Schwestern. Allen
verlorenen Söhnen und Töchtern wollen wir nachgehen; allen voran soll
der Bischof diesen Gotteskindern nachgehen und sie zum Vater heimführen.
Bei der Bischofsweihe verspricht der Bischof ausdrücklich, auch diesen
verlorenen Kindern wie der gute Hirte nachzugehen.
In unserer Diözese will ich auch denen der Bischof sein, die lieber mit
der Kirche streiten als Gemeinschaft und Zusammenarbeit zu suchen. Die Zahl
der Streitenden wird zweifellos geringer; doch haben wir es nötig, neidisch
oder schadenfroh zu sein? Es ist der Bischof, in dessen Verantwortung die ganze
Pastoral der Diözese liegt. Ich bitte die Ordenshäuser um gute Zusammenarbeit,
die den Kontestatoren keinen Freiraum gibt und uns alle zusammenführt.
Die kommende Zeit soll uns vor allem in der korrekt und würdig gefeierten
Liturgie und im Rosenkranzgebet vereinen. Der Heilige Vater hat sein 25. Amtsjahr
mit dem erneuerten Gebet des Rosenkranzes verbunden. Johannes Paul II. fordert
uns auf, die Inhalte des Rosenkranzes zu erweitern im “lichtreichen”
Rosenkranz. Ich bitte die Priester und Gläubigen, diese Erweiterung des
Rosenkranzes aufzunehmen und in das gemeinsame Gebet einzuführen. Jedes
Geheimnis des Rosenkranzes lebt in der Erinnerung Mariens und von der Erlösungstat
Christi.
Das sittliche Bewußtsein der Welt wird dann reifen, wenn wir die Konflikte
und Rätsel nicht in unserer Klugheit auflösen, sondern wir uns an
den Geboten Gottes, an der Lehre der Kirche und an der Wahrheit des Schöpfers
ausrichten. Der Heilige Vater fordert in seiner Friedensbotschaft zum Neujahr
2003 für den Frieden in der Walt eine neue sittliche Ordnung mit internationaler
Geltung. Das Böse muß von allen Menschen in aller Welt besiegt werden;
das Gute aber ist unteilbar und nur eines, weil es nichts anderes als die liebende
Übereinstimmung mit Gott ist. Die Wahrheit Christi ist gesellschaftsfähig
und die einzige Wahrheit. Auch die Nicht-Christen müssen wir zur Wahrheit
über Gott und zum Leben nach Gottes Geboten hinführen. Es ist nur
der eine und dreifaltige Gott, den wir verehren und lieben; dafür wollen
wir alle Menschen als Brüder und Schwestern gewinnen. Jesus Christus ist
der einzige Sohn des ewigen Vaters. Unser Heil liegt darin, daß wir Söhne
und Töchter im Sohn sind.
Gott schenke uns im Neuen Jahr Frieden,
Gnade und Gesundheit an Seele und Leib. Wir wollen beten für unser Land
und unsere Hauptstadt. Das Gebet und das gebildete Gewissen erweitern unseren
Blick auf die Zukunft. In dieser Perspektive dürfen wir feststellen, daß
eine gute und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Land Niederösterreich,
der Landeshauptstadt St. Pölten und unserer Diözese uns für die
Zukunft viel hoffen läßt. Ich danke den dafür verantwortlichen
Politikern und entbiete beste Wünsche in großer Dankbarkeit.
Wir wollen auch gute Wege für Arbeit und Wohlstand in unserem Land Niederösterreich
finden. Wir wollen unsere Menschen davor bewahren, daß sie Gott und den
Glauben verlieren. Gebt ein begeisterndes Vorbild all denen, die zu uns gehören.
Viel Gutes ist schon geschehen; wer aber rastet, der rostet. Unsere Stadt braucht
das rege Leben der Bürger; unsere ländlichen Gebiete mögen weiterhin
blühen.
Wir brauchen mehr Kinder in unseren Familien. Unsere Familien müssen auf
der Grundlage einer christlichen Ehe gegründet sein und für die Zukunft
bestehen. Ehe und Familie seien die wahren Werte, von denen man heute in Europa
spricht. Europa aber muß ein christliches Europa sein, das sich auch dazu
bekennt eine Gemeinschaft zu sein, in deren Mitte Gott wohnt und regiert.
Wir entbieten dem Heiligen Vater zu 25 Jahren seines Petrusdienstes alle unsere
Danksagungen und Gebete. Mehr als dreizehn Jahre war Erzbischof Donato Squicciarini
unser Apostolischer Nuntius; sein Wirken war für die Kirche in Österreich
große Gnade. Erzbischof Squicciarini war für uns ein Vorbild der
Treue zur Lehre der Kirche und zum Nachfolger Petri. Klugheit, umfassendes Wissen,
große Erfahrung und eine überzeugende Menschlichkeit zählen
wir zu den Vorzügen des Nuntius, der vor wenigen Tagen nach Rom zurückgekehrt
ist.
Den neuen Apostolischen Nuntius Erzbischof Georg Zur begrüßen wir
herzlich und mit großer Hoffnung.
Die Gottesmutter trage uns kraft ihrer Fürbitte durch die Zeit, in der
wir als heiliges Volk Gottes leben wollen. Amen.