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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Weihnachtspredigt beim Hochamt
im Dom von St. Pölten am 25.12.1996

Als die Nacht am dunkelsten war, begann der neue Tag des Lichtes für die Menschheit. Nun leuchtet beim dritten Gottesdienst des Weihnachtsfestes das volle Licht, dessen Aufgehen wir durch die Heilige Nacht begleitet haben: In der mitternächtlichen Stunde der Geburt Jesu Christi aus Maria der Jungfrau; mit den Hirten Betlehems in der Morgendämmerung; mit dem gläubigen Volk Gottes der Landeshauptstadt St. Pölten am hellen Tag.

Selbst jene Menschen, die Gott vergessen und verloren haben, sind geprägt von dem, was sie in ihrer Kindheit zum Weihnachtsfest erlebt haben. Wie eine helle Spur leuchtet auch bei diesen gottfernen Brüdern und Schwestern noch heute die weihnachtliche Erinnerung an die Mutter, die alles aufbot, um selbst in großer Armut dem Kind noch etwas zu schenken. In der Seele des Menschen sind Stunden von Weihnacht geblieben, die immer wieder klingen und bewegen, wenn wir etwas von Weihnachten hören. Wer seine Mutter und seinen Glauben nicht vergessen hat, der kehrt zu den seligen Stunden zurück, auch wenn er alt und vom Leben durchschüttelt ist, auch wenn er fern und heimatlos ist.

Mutter und Vater, Familie und Geschwister, gute und wohlwollende Menschen werden in unserer Erinnerung gegenwärtig. Viele erinnern sich auch an die Mutter Kirche, die mit viel Liebe das Weihnachtsfest für ihre Kinder feierte. Vieles Wahre können wir über das Weihnachtsfest sagen, über die Liebe Gottes, die uns zuerst geliebt hat. Weihnachten ist ein Fest der Kinder, weil das göttliche Kind Jesus Christus als Mensch zu uns kam, um uns die Liebe des göttlichen Vaters zu offenbaren: Er, der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht (vgl. Joh 1,18).

Heute bekennt unsere Kirche in der ganzen Welt: "Puer natus est nobis et filius datus est nobis" - ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Kann es eine bessere Botschaft über das Kind geben als die des heutigen Festtags: Mütter und Väter, liebt eure Kinder, schützt sie und bildet den Geist und das Herz eurer Kinder in Gottesfurcht. Ohne Kinder haben wir keine Zukunft, auch wenn wir täglich wohlhabender werden. In unserem Volk fehlen immer mehr die Kinder. Die Wiegen bleiben leer, weil die Berufung zur Elternschaft von unfruchtbarem Lustgewinn unterdrückt wird. Zuweilen ist es die Notsituation der Frau, die eine glückliche und sorgenfreie Mutterschaft erschwert. Manchmal verliert das Kind das Recht auf Leben, weil es ungeboren getötet wird.

Immer mehr vergreift sich eine gewissenlose Generation heute auch an der Schönheit, Würde und Unschuld des Kindes. Wie erregt gab sich in letzter Zeit die Öffentlichkeit zu Schändung und Mißbrauch der Kinder. Zugleich aber werden Gesetze eingebracht, die mit der Senkung des gesetzlichen Schutzalters den Mißbrauch von Kindern legalisieren sollen. Gilt jeden Tag in unseren Ländern etwas anderes als erlaubt und unerlaubt? Wenn wir Unzucht an Kindern dann verharmlosen, wenn das Alter stimmt, dann sind wir ein Volk von Feigen, Treulosen, Unzüchtigen und Lügnern (vgl. Offb 21,8), die den zweiten Tod erleiden werden und aus der heiligen Stadt Gottes am Ende ausgeschlossen sind (vgl. Offb 22,15).

Das Kind ist Abbild von Vater und Mutter. Noch mehr als das ist das Kind Gottes Bild und Gleichnis, denn als sein Abbild schuf Gott den Menschen schon am Anfang. Trotz aller Sünden und trotz aller Armseligkeit hat der Mensch die Würde des Abbildes Gottes nicht verloren; der Erlöser Jesus Christus stellt noch wunderbarer her, was durch die Sünde Adams und der Menschheit beschädigt, aber nicht zerstört wurde.

Eines der unbeantworteten Geheimnisse, wie denn das Böse in die Schöpfung kam, wird manchmal von Glaubenslehrern so verständlich gemacht: Es war der Neid des Teufels, der den Teufel und sein Gefolge zum Abfall und zur Feindschaft mit Gott trieb. Gott eröffnete dem Teufel, daß er die Menschen so liebt, daß sein Sohn ein Mensch wird. Es ist der Neid des Teufels, der den Menschen haßt, weil Gott ihn liebt.

Immer noch wirkt der Neid des Teufels in unserer Geschichte. Im Gefolge des Teufels hassen die Menschen: Sie hassen die Guten, sie hassen die Wahrhaftigen, sie hassen die Treuen, sie hassen die Unschuldigen. Der Neid bestreitet das Lebensrecht der Ungeborenen; der Neid vergeht sich an der Schönheit und Unschuld des Kindes, denn der Neid will zerstören und mißbrauchen, was im Menschen an Gott erinnert.

Der Neid verschwindet dort, wo einer dem anderen in Ehrfurcht, in Würde und in jenem Wohlwollen begegnet, das dem anderen nicht mehr sagt als: "Wie gut, daß es dich gibt!"

Weihnachten hat viele notwendige Themen: Friede und Versöhnung unter den Menschen, Freude und Glück eines jeden Menschen, Bekehrung und Heil eines jeden durch Jesus Christus, Hilfe für die Notleidenden, Armen, Flüchtlinge, Arbeitslosen, Ermutigung für alle, die ohne Hoffnung sind.

Heute rufen wir zur Gottesmutter, deren Kind wir anbeten und lieben. In einem einzigen kleinen Gebet können wir zusammenfassen, was wir arme Menschen brauchen: "Maria mit dem Kinde lieb, uns allen deinen Segen gibt!"


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 26.11.1997.

 

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