Medienberichte |
"ZUR SACHE SPEZIAL"
Dr. Heide Schmidt (Bundessprecherin des Liberalen Forums)
im großen Sommerinterview des ORF mit Dr. Margit Czöppan (Moderation)
am 10. August 1997 in ORF 2, 21.55 Uhr
Die Teilnehmer und einige markante Sätze:
Heide Schmidt: Mit den Liberalen vorwärts, statt rechts oder links stecken bleiben!
Krista Sager, Grüne Hamburg: Bürgerrechte und Ökologie gehören zusammen!
Herbert Krejci: Für Homosexuelle und gegen die Kirche sein, ist zu wenig!
Bischof Krenn: Liberalismus ist eine Wohlstandskrankheit!
Das Protokoll
(erstellt vom ORF, leicht korrigiert nach Rechtschreibfehlern)
CZÖPPAN:
Guten Abend meine Damen und Herren! "Liberalismus ist eine Wohlstandskrankheit", sagt Bischof Krenn. Hat er recht?
SCHMIDT:
Das ist zwar schon eine Verbesserung. Denn Sie hatten schon einmal gesagt, Liberalismus ist ein Krebsgeschwür. Aber ich glaube, das kann man nur sagen, wenn man Liberalismus als Egoismus mißversteht oder mißverstehen will. Denn Liberalismus heißt vielmehr: für die Selbstbestimmung zu kämpfen und vor allem den Menschen in die Lage zu versetzen, daß er sich selber bestimmen kann. Aber, Herr Bischof, ich verstehe, daß aus genau diesem Grunde der Liberalismus für Sie immer schon ein Feindbild war.
KRENN:
Das ist gar nicht so wichtig. Es geht ja heute um Ihre liberale Position, und ich glaube, eine ganz oberflächliche historische Reflexion zeigt uns ja bereits in der politischen Weltgeschichte, daß der Liberalismus überhaupt nur blüht oder gegeben ist, wenn es dem Menschen gut geht. Aber es gibt ...
SCHMIDT:
Französische Revolution! Da ist es den Menschen gut gegangen?
KRENN:
Na ja, da ist es ihnen nicht gut gegangen. Aber da sind sie erst überhaupt auf diese Ideen gekommen.
SCHMIDT:
Eben!
KRENN:
Ja, aber wir reden ja nicht über die ...
SCHMIDT:
Sie haben den historischen Rückblick gemacht.
KRENN:
Sondern ich rede über die historische Reflexion z. B. zu den letzten zwei Jahrhunderten. Sie sind ja nicht älter als 200 Jahre. Wir, die Kirche, wir sind 2.000 Jahre alt. Stellen Sie sich einmal den Unterschied vor an Reflexionspotential, das wir haben. Und jetzt sagen wir halt einmal: Wenn es dem Menschen gut geht, dann wird es auch die politische Idee des Liberalismus geben. Ist denn das eine Schande? Aber ich sage, wenn es dem Menschen schlecht geht, und es geht zur Zeit eher in die andere Richtung, dann braucht man Ordnung, dann braucht man auch Ordnung, die nicht am Individuum festgeschrieben ist, wie Sie das gerne tun. Man braucht mehr. Man braucht Begriffe, man braucht Ordnungen, und in diesem Zeitpunkt ist der Liberalismus verschwunden. Sie werden das auch erleben. Der ist gewesen, in der Zeit, in der es gut geht. Aber Sie werden auch sehen, sollte unsere Entwicklung nicht die beste sein, dann werden Sie ganz von selber eigentlich wieder aufhören zu existieren.
SCHMIDT:
Ich weiß nicht, ob das wirklich uns weiterbringt, wenn der Herr Bischof hier seine politischen Hoffnungen ausdrückt, was die Kraft des Liberalen Forums betrifft. Erstens einmal: ich teile Ihre Einschätzung ganz und gar nicht. Sondern ich glaube, wir sollten einmal darüber reden, was unter politischem Liberalismus zu verstehen ist und welche Aufgabe wir, und ich spreche jetzt von Österreich, oder welche Aufgabe der politische Liberalismus schlechthin hat. Und das habe ich eben gemeint damit, wie ich vorher gesagt habe, es geht darum, um die Selbstbestimmung des einzelnen zu kämpfen. Und gerade in Zeiten, in denen wir uns jetzt befinden, ist diese Selbstbestimmung schwieriger denn je geworden. Denn daher ist diese soziale Verantwortung ein Selbstverständnis des Liberalismus, und wenn ich mir die Beschäftigungssituation, wenn ich mir die Arbeitsmarktsituation schlechthin anschaue, wenn ich mir den Zustand unseres Sozialstaates anschaue, wo die Schere immer weiter auseinandergeht und wo die Armen durchaus ärmer werden, hingegen die Reichen reicher, so ist das eine Aufgabe für Liberale. Und weil hier eine Vertreterin der Grünen sitzt: Wir werden uns wahrscheinlich einig sein in den Bedrohungen, was die ökologische Situation betrifft. Auch hier ist natürlich die Selbstbestimmung des einzelnen massiv beeinträchtigt. Und nun geht’s darum, mit welchen Instrumenten will man diese Selbstbestimmung möglich machen. Und das ist auch das, was ich immer sage, wenn ich von einem ungeteilten Liberalismus rede, daß diese Selbstbestimmung jetzt nicht nur auf dem wirtschaftlichen Gebiet möglich sein soll, sondern selbstverständlich auch auf dem gesellschaftspolitischen. Weil der Herr Prof. Krejci in seinem Eingangsstatement eben hier nur eine Seite der Medaille beleuchtet hat. Also das ist für mich eine Herausforderung der Liberalen, von der ich glaube, daß sie wahrscheinlich jene politische Orientierung ist, die sogar den Ton angeben wird. Und ich sage das auch deshalb, weil ich ja merke, daß andere Parteien, ob das nun die ÖVP ist, ob das die Sozialdemokraten sind, ob das die Grünen sind, diesen Begriff des Liberalen gerne für ihre politische Handlung in Anspruch nehmen. Die Frage ist halt nur: Muß dieser Liberalismus nicht organisiert werden in einer Partei, die das zum Handlungsmaßstab macht?
CZÖPPAN:
Versuchen wir doch bitte jetzt den Begriff des Liberalismus gleich an konkreten
Themen festzumachen, Herr Prof. Krejci.
KREJCI:
Also ich bin noch streng erzogen worden. Da hat man gelernt, daß man
einem Bischof nicht widerspricht. Aber Exzellenz, nicht böse sein, wenn
ich hier doch mit allem Respekt ein bißchen Widerspruch anmelde. Was Sie
gesagt haben, daß Liberalismus eine Wohlstandskrankheit ist, das hat mich
eigentlich tief getroffen. Ich bin ein Uranhänger der sozialen Marktwirtschaft.
Ich hasse den Neoliberalismus als Brutalkapitalimus. Die Gräfin Dönhoff
hat nicht umsonst geschrieben: Zivilisiert den Kapitalismus! Aber aus Ihren
Worten spricht etwas, was ich so eine Urangst vieler katholischer Kreise gegen
das Liberale nennen möchte. Wie es bei den Liberalen heute immer noch einen
Antiklerikalismus gibt, daß ist alles ..... geworden. Klassenkampf brauchen
wir nicht, Kulturkampf brauchen wir auch nicht. Ich sage vielmehr: Liberalismus
ist nicht eine Wohlstandskrankheit, sondern - in sozialer Verpflichtung aufgefaßt
- ein Wohlstandsrezept. Und da teile ich auch die Meinung von der Frau Dr. Schmidt.
Liberalismus ist heute eine Grundströmung. Er ist auch eine Grundströmung
des europäischen Denkens, und er einfach aus unserer Welt nicht wegzudenken.
Wir stellen überall fest, daß der Trend weg geht vom Staat, von den
istitutionalisierten Organisationen, die Sozialpartner leiden drunter usw.,
mehr Freiheit, Selbstbestimmung aber das alles in Ordnung. Und nicht zufällig,
Herr Bischof, hat der Müller Armag, der Vater der sozialen Marktwirtschaft,
ja auch über Religionssoziologie geschrieben. Und die alten Liberalen der
sozialen Marktwirtschaft waren zum Teil tief gläubige Menschen. Also hier
soll man keinen Gegensatz konstruieren. Aber .....
KRENN:
Herr Professor, ein kleiner Einwurf. Es ist schön, daß Sie der Frau Doktor so helfen.
KREJCI:
Ich will ja gar nicht helfen.
CZÖPPAN:
Bitte um Entschuldigung, meine Herren. Darf ich Ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Frau Dr. Schmidt lenken!
KRENN:
Aber lassen Sie mich doch wieder einmal über den Liberalismus reden. Sie haben ja gesagt, wir müssen lernen, was Liberalismus ist.
SCHMIDT:
Das habe ich nicht gesagt. So belehrend, Herr Bischof, bin ich nicht.
KREJCI:
Ich habe mir die Mühe gemacht, die sich viele ihre Parteileute nicht gemacht haben. Über das will ich reden.
CZÖPPAN:
Ich will wirklich nicht unhöflich sein. Der Herr Prof. Krejci hat aber
angesetzt und ist nicht dazugekommen zu formulieren.
KRENN:
Der Herr Prof. Krejci ist im Grunde an einem anderen Begriff von Liberalismus irgendwie beteiligt, das kann er ruhig sein. Aber es geht im Letzten bei uns, und das sage ich als Kirche, es geht im Letzten bei uns um ganz andere Dinge, und über die möchte ich dann mit Ihnen reden. Nicht, Sie haben ja schon wieder Ihre alte, wie soll ich denn sagen, Platte gespielt, von den Arbeitsplätzen oder weiß ich was. Ich stelle Ihnen jetzt eine Frage. Sie müssen sie nicht sofort beantworten ...
SCHMIDT:
Sie meinen, das sei eine Platte, die Arbeitsplätze. Da würde die Bevölkerung sich schön bedanken, wenn das die Geisteshaltung wäre.
KRENN:
Darf ich ungestört eine Frage stellen, einen Satz. Warum steht bei ihnen im Programm des Liberalismus nie das Wort Gott? Das können sie mir nachher beantworten. Jetzt soll der Herr Professor wieder.
CZÖPPAN:
Darf ich jetzt wirklich ums "aber" bitten.
KREJCI:
Ich bin schon der Meinung, Herr Bischof, ich habe sogar einmal ministriert bei den Schulbrüdern, ein Komödiant könnte einen Pfarrer lehren, heißt es schon beim Faust.
SCHMIDT:
Herr Bischof, wir führen eine politische Diskussion und keine Glaubensdiskussion.
KREJCI:
Der Glaube hat sehr viel mit Politik zu tun.
CZÖPPAN:
Entschuldigen Sie, jetzt werde ich autoritär. Bitte jetzt kommt der Herr Prof. Krejci!
KREJCI:
Ja, Gott sei dank. Ich glaube, der liebe Gott sollte aus der Politik sich ein bißchen heraushalten. Er soll ....
SCHMIDT:
Er tut es, nur der Herr Bischof tut es nicht.
KRENN:
Der liebe Gott hat die Welt geschaffen, hat Sie geschaffen, hat die Frau Dr. Schmidt geschaffen. Warum soll man denn nicht über ihn reden?
KREJCI:
Ich bin auch sehr dankbar. Aber schön langsam habe ich das Gefühl, wir sind bei einem nachchristlichen Konzil. Und ich glaube, wir müssen uns jetzt langsam ...
Ich wollte so lieb zu Ihnen sein, aber Sie machen es ein bißchen schwer.
KRENN:
Machen Sie es mir leichter!
KREJCI:
Ich beichte nicht, das sage ich auf jeden Fall.
CZÖPPAN:
Was soll ich mit Ihnen beiden machen? Darf ich Ihre Aufmerksamkeit bitte auf die Frau Dr. Schmidt lenken!
KRENN:
Die Frau Abgeordnete in spe soll ja auch einmal etwas sagen.
KREJCI:
Ich wollte was sagen. Ich war ja mitten drinnen.
SCHMIDT:
Die Moderation macht eigentlich die Frau Czöppan.
KRENN:
Seid Ihr denn Volksschullehrerinnen, die uns jetzt da belehren, wie man es macht?
KREJCI:
Nein, aber Ordnung muß sein. Sie haben für die Ordnung plädiert. Daher muß Ordnung sein.
SCHMIDT:
Ich finde es nur wirklich unglaublich. Entschuldigen Sie bitte, das ist meine Sendezeit, Herr Bischof.
KRENN:
Auch meine.
SCHMIDT:
Das ist der Irrtum. An und für sich geht es um die Sommergespräche der Politiker.
KRENN:
Sie enttäuschen mich, Frau Dr. Schmidt. Das ist genauso unsere. Wir haben das Recht, etwas zu Ihrer Sache zu sagen.
KREJCI:
Ja, aber machen Sie es im Kirchenfunk, aber bitte nicht hier. Ich glaube, der Liberalismus ist auch notwendig in der Wirtschaft, und das was wir heute erleben, ist eine neue Identitätskrise einer Abart des Liberalismus, der sich heute tarnt als Neoliberalismus, der eigentlich mit dem Liberalen wenig zu tun hat.
SCHMIDT:
Der Neoliberalismus ist genau das, was Sie vorher als brutalen Wirtschaftskapitalismus bezeichnet haben ...
KREJCI:
Ja, genau das, ganz richtig. Das, was wir brauchen, ist eine Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft.
SCHMIDT:
Was ich übrigens bitte nicht teile, diese Einstellung!
KREJCI:
Das weiß ich. Nein, aber weil der Herr Bischof gesagt hat, es ist nicht so wichtig, Arbeitsplätze zu erweitern. Um Gottes willen!
KRENN:
Das habe ich nie gesagt, Herr Präsident. Erzählen sie keine Geschichten!
SCHMIDT:
Sie haben das mit der abwertenden Bemerkung, ich hätte eine Platte aufgelegt, gesagt.
KRENN:
Ich habe nur gesagt: Wo ist das Wort Gott? Und man kann - sie reden viel über den Menschen und auch manches Kluge -, aber man kann vom Menschen nicht reden, wenn man nicht auch von Gott redet oder es erlaubt. Sie erlauben es ja nicht einmal im Programm!
SCHMIDT:
Das ist der Unterschied zwischen uns, Herr Bischof, daß Sie mit dem Erlauben immer sehr schnell bei der Hand sind.
KREJCI:
Aber ich glaube, es ist jetzt einmal wichtig, daß wir wissen, wie kommen wir heute, gerade wenn wir die Pensionsreform diskutieren, die ja sicher ein Zentralthema sein wird. So ist das derzeit ein bißchen eindimensional, die Diskussion. Wir reden über Pensionen. Aber wir reden nicht, daß gleichzeitig etwas geschehen muß, daß die Basis für die Pensionen, eine gesunde Wirtschaft, gestärkt wird. Und ich glaube, das ist genauso wichtig, und da ist das Liberale im guten Sinn, mit sozialer Verpflichtung, einfach ein Grundrezept für wirtschaftlichen Erfolg und für soziale Sicherheit. Ich sage das nicht, verehrte Exzellenz, weil ich ein alter Interessensvertreter bin, über dieses Stadium bin ich hinaus. Ich habe heute eigene Gedanken, und ich bin ein sehr gläubiger Mensch. Nur habe ich es manchmal schwer mit manchen Kirchenfürsten, nicht mit Ihnen, aber ich meine, ich habe immer zu ihnen mit großem Respekt aufgeschaut, wir werden den heutigen Abend auch noch überleben. Der liebe Gott wird dafür sorgen. Aber gehen wir jetzt endlich dazu über, daß die Frau Dr. Schmidt oder irgendjemand noch sagen kann, wie sie sich vorstellt, wie wir die wirtschaftlichen Probleme der nächsten Zeit behandeln können, positiv, ob liberal, sozialdemokratisch usw. Aber so, daß Menschen wieder Arbeit haben, daß wir Pensionen finanzieren können. Daß wir wissen, wie es weitergeht.
CZÖPPAN:
Möglichst konkret, vielleicht gleich zum Thema Pensionen.
SCHMIDT:
Wenn man mich ließe, hätte ich gerne auch hin und wieder etwas gesagt. Das habe ich nämlich damit gemeint, daß eigentlich diese Gespräche dem Deutlichmachen der Konturen der politischen Parteien dienen, die hier vertreten werden. Ich möchte mich nur gegen einen Zusatz, Herr Professor, bei Ihnen wehren, wenn Sie sagen, Liberalismus im positiven Sinn. Ich glaube nicht, daß solche Zusätze Sinn machen. Das ist das, was ich eingangs gesagt habe. Das ist Liberalismus. Alles andere ist Egoismus, ist weiß nicht irgendwelche Abart. Aber verstehen wir.
KREJCI:
Da verstehen wir uns.
SCHMIDT:
Das glaube ich nämlich auch. Und was ich damit auch nur deutlich machen wollte, ist, daß ich glaube, daß dieser Liberalismus unteilbar ist. Und Sie haben mit Sicherheit recht, daß die Wirtschaftspolitik heute eine der stärksten Herausforderungen ist, nämlich auch, um den Sozialstaat zu sichern, das steht außer Streit. Ich glaube, darüber können wir uns einig sein. Ich weiß jetzt nicht - Wirtschaftspolitik, Pensionsreform. Ich habe jetzt vorhin in den Nachrichten gehört, daß der Kanzler Klima angekündigt hat, eine Pensionsreform für das Jahr 1997. Ich frage mich, wo er sie hernehmen will? Denn alles, was jetzt unter dem Titel Pensionsreform läuft, verdient den Namen nicht. Denn es geht ja um ganz andere Dinge. Ich habe hier keinen einzigen Reformvorschlag gehört, außer dem einen, daß man eine Angleichung der Beamtenpensionen an das ASVG herbeiführen will. Im übrigen ist diese Diskussion wieder erstickt, nachdem der Herr Dohr, das ist unser Beamtengewerkschafter, ein klares Nein gesagt hat.
KREJCI:
Den müßten Sie kennenlernen.
SCHMIDT:
Das wäre eine Bereicherung hier jetzt. Ich will mich gar nicht ausdrücken,
wo er dazupassen würde.
SAGER:
Ich bin gespannt auf diesen Herren.
SCHMIDT:
Aber, das ist der einzige Ansatz gewesen. Alles andere sind ja keine Reformvorschläge, sondern sind einfach der Versuch, das Budgetloch zu stopfen. Und ich halte das für einen der zahlreichen Etikettenschwindel, das mit dem Wort Pensionsreform zu belegen. Was ich glaube, ist, daß es notwendig ist, hier zu einem einheitlichen Pensionssystem zu kommen und zu einem System, das eine grundsätzlich andere Weichenstellung erfordert. Nämlich, und da sind wir bei einem Thema, von dem ich glaube, daß das die soziale Verantwortung einfach gebietet, aber auch die wirtschaftliche Vernunft. Nämlich zu einer Grundsicherung zu kommen. Daher auch bei der Altersvorsorge eine Grundsicherung, die eine staatlich bezahlte ist. Daneben die Erwerbspension und eigenständige Pensionen. Also eine Art Dreisäulensystem, wobei ich der Meinung bin, zwei Füße sind es, auf denen man stehen kann, das ist jene Grundsicherung und die Erwerbspension, und die weitere freiwillige Versicherung ist das, was das ganze noch absichert. Und davon ist überhaupt keine Rede in den Ansätzen, die jetzt auf der politischen Ebene diskutiert werden. Und diese Weichenstellung wäre aber jetzt anzugehen, wobei ich schon etwas zugebe. Ein Zwischenschritt müßte sein, daß man die Angleichung Beamtenpension an die ASVG-Pension macht. Wobei es für mich selbstverständlich ist, daß es der gleiche Durchrechnungszeitraum sein muß, der hier zugrunde gelegt wird, nämlich 15 Jahre, und nicht jetzt ein Zurückgehen Schritt um Schritt, sondern selbstverständlich der gleiche. Aber daß dann das Ziel das einheitliche Pensionssystem sein muß. Und darüber wird nicht einmal geredet. Also was hier von Reform, was da eine Reform sein soll, weiß ich nicht. Ist mir schleierhaft.
CZÖPPAN:
Frau Sager, sie sind Spitzenkandidatin der Grünen in Hamburg, und in Deutschland schlägt man sich ja mit sehr ähnlichen Problemen, gerade im Zusammenhang mit Pensionen und Renten, herum. Wie sehen Sie das vor diesem Hintergrund?
SAGER:
Ja, wir diskutieren das Problem bei uns natürlich auch, und ich merke, daß teilweise in Österreich der gleiche Begriffswirrwarr herrscht. Als wir zu Anfang standen in dieser Diskussion, war das bei uns auch so, daß z.B. das Thema Grundsicherung und Bürgergeld sehr verschwommen hin und her ging. Und ich glaube, wenn man heute sagt, in welche Richtung muß es gehen, dann muß man sagen, wir brauchen mit Sicherheit für die Systeme, die bei Ihnen Nothilfe und Sozialhilfe heißen, brauchen wir sicher so etwas wie eine Grundsicherung, die eine Existenzsicherung beinhaltet und die abgekoppelt ist auch von dem Gedanken, daß es immer wieder durchgehende Erwerbsbiographien geben wird, von typisch Männern. Da hat sich die Gesellschaft groß geändert, und da müssen die sozialen Sicherungssysteme darauf reagieren. Und das bedeutet sicher auch, daß man bei der Alterssicherung z. B. auch einen Mindestsockel haben muß, oder bei der ....
SCHMIDT:
Das ist ein durchgehendes Prinzip nach unserer Konzeption.
SAGER:
.... Sicherung gegen Arbeitslosigkeit auch einen Mindestsockel haben muß. Was ich z.B., um das einmal aus meiner Sicht zu sagen, nicht sinnvoll finde -, ich finde es nicht sinnvoll, die Grundsicherung als ein Bürgergeld für alle zu zahlen. Weil ich finde es notwendig, daß doch an dem Bedarf festzumachen, und ich finde es auch nicht sinnvoll, die Solidarsysteme durch die Grundsicherung völlig zu ersetzen. Weil die Solidarsysteme sind eben ein großer Fortschritt, daß es Solidarität unter Fremden gibt und nicht nur Solidarität in der Familie oder unter engen Verwandten.
SCHMIDT:
Jetzt frage ich Sie, das ist ja genau das, was durch eine Grundsicherung zum Ausdruck kommt. Denn wenn Sie jetzt sagen, daß es vom Bedürfnis abhängig gemacht werden soll. Wir haben hier einen Zwischenschritt für die derzeitige Situation ja schon vor Jahren vorgestellt, das ist unser Transfermodell, wo die Transferleistungen abhängig vom Einkommen bezahlt werden sollen. Bis vor etwa einem Jahr waren sämtliche Parteien in Österreich überhaupt nicht willens, darüber nachzudenken. Auch die Grünen nicht, im übrigen. Denn da gehört z. B. die Familienbeihilfe dazu, und da haben sich die österreichischen Grünen heftig dagegen ausgesprochen, daß z.B. wohlhabende Familien keine Familienbeihilfe mehr bekommen sollen. Weil sie gesagt haben, das ist für das Kind. Wir gehen davon aus, daß eben solche Zuschüsse des Staates nur an jemanden bezahlt werden sollen, der es auch tatsächlich braucht. Das wäre jetzt sozusagen ein Zwischenschritt. Aber die Grundsicherung, von der ich vorher gesprochen habe, die ein durchgängiges Prinzip sein soll und die eben abgekoppelt vom Erwerbsleben sein soll, wird ja praktisch durch die Besteuerung so gekürzt, daß der Besserverdienende davon praktisch nichts mehr hat. Das heißt, wir wollen es ausbilden als ein Negativ-Steuersystem. Diejenigen, die im untersten Bereich sind, würden das bar auf die Hand bekommen, und diejenigen, die im Einkommensbereich drüber sind, würden das wegbesteuert bekommen. Das heißt, sobald Sie es als ein Instrument der Negativsteuer nehmen, haben Sie genau diesen Gedanken verwirklicht. Weil ich auch Ihrer Auffassung bin, daß es anders wahrscheinlich gar nicht machbar wäre und wahrscheinlich finanzierbar wäre. Es ist schwierig genug, die Finanzierbarkeit für dieses System sicherzustellen. Aber es geht.
SAGER:
Es kann aber natürlich nicht sein, daß alle Transferleistungen dadurch ersetzt werden. Ich glaube, daß man z.B. die Frage des Kindesgeldes davon unabhängig diskutieren sollte. Das kann ich; und dann müssen Sie natürlich die Finanzierungsfrage klären.
SCHMIDT
Das ist genau der Punkt.
SAGER:
Was wir immer gesagt haben: Erbschaftssteuer muß dann erhöht werden, Vermögenssteuer muß dann erhöht werden.
SCHMIDT:
Nein, das geht auch ohne die Erhöhung.
SAGER:
Das bezweifle ich, ob das seriöse Berechnungen sind.
KRENN:
Kurz, weil ich bin schon lange einmal schweigend.
KREJCI:
Ich habe nur ein bißchen Bedenken immer gegen diese Worte, Frau Dr. Schmidt, "Grundsicherung". Das ist so wie mit dem "Grundeinkommen". Ich glaube, vom Versicherungsprinzip sollten wir nicht abgehen und ...
SCHMIDT:
Was heißt: nicht abgehen? Wir haben ja gar keines.
KREJCI:
Na ja, gut! Wieso? Jeder leistet einen Beitrag dazu.
SCHMIDT:
Das ist doch Etikettenschwindel. Das ist doch kein Versicherungsprinzip, was wir derzeit haben, sondern das wird doch praktisch durch die Steuern bezahlt.
KREJCI:
Die Holländer haben einen herrlichen Ausdruck dafür gefunden, vom Cappucinoprinzip. Sie kennen das, den Kaffee gibt die Sozialversicherung, das Schlagobers oder die Sahne gibt das Unternehmen, das kann man nicht immer verpflichtend machen, und die Schokolade oder die Kakaosplitter zahlt der Einzelne. Und ich glaube, daß wäre eine große Aufgabe für das Liberale Forum. Diese Eigenvorsorge ist auch eine Frage des Kapitalmarkts, Pensionsfonds usw.
SCHMIDT:
Das ist genau unsere Konzeption. Nur eines wundert mich, daß Sie das derzeitige System als ein Versicherungssystem bezeichnen.
KREJCI:
Das nennt sich so.
SCHMIDT:
Eben! Das ist einer der zahlreichen Etikettenschwindel. Und das macht aber auch die Diskussion so schwer, für den Umstieg. Wenn man so tut, als würden jetzt sozusagen die Versicherungsnehmer all das bezahlen, und nachher müsse der Staat einspringen ...
KREJCI:
Also, Kinsey hat gesagt, man muß erst die Begriffe klären.
SCHMIDT:
Und das ist falsch, weil es der Staat bereits bezahlt. Eben über die Steuern. Es ist ja nichts anderes. Es wäre nur nachher eine gerechtere Verteilung, als es derzeit der Fall ist.
KRENN:
Ich weiß nicht, wie viel die Menschen, die uns zuschauen, verstehen von dem, was gesagt wird. Ich glaube, es ist wichtig, und manches ist wahrscheinlich richtig. Aber, Frau Doktor, Sie haben vorhin ein Wort gesagt, das kann ich nicht stehen lassen. Sie haben gesagt, das ist meine Sendung, meine, Ihre! Nein, das ist auch meine, das ist die des ...
SCHMIDT:
Ich nehme das Wort zurück, dann brauchen wir drüber nicht mehr zu diskutieren, einverstanden?
CZÖPPAN:
Können wir uns darauf einigen, es ist unsere Sendung.
SCHMIDT:
Es ist die Sendung des ORF und damit hat sich’s.
KREJCI:
Es ist eine Sendung des ORF.
KRENN:
Dann ist’s gut. Aber, jetzt darf ich auch sagen, was der ORF mir gesagt hat. Ich komme ja nicht her, um mit Wissenden über Pensionssysteme zu diskutieren.
KREJCI:
Das ist aber wichtig momentan.
KRENN:
Ist eh recht. Ich werde mir schon das Urteil bilden. Aber, was mir der ORF gesagt hat, war, daß es gewisse Punkte gibt: Liberales Forum - Kirche, über die wir reden sollen, Ethikunterricht, Religionsunterricht.
CZÖPPAN:
Wir kommen noch dazu.
KRENN:
Ja, Moment, aber das geht alles in eine ganz andere Richtung. Ich meine, wenn es die Leute wollen, aber ich prophezeie auch einen starken Zuseherabfall mit einer solchen Diskussion, weil sie zu schwierig ist. Aber ich komme wieder mit der Frage der ...
SCHMIDT:
Ob die Pensionen gesichert sind, ist eine Existenzfrage für die Menschen.
KRENN:
Das wissen wir alles. Wir sind ja auch nicht so unmenschlich.
SCHMIDT:
Und daher gebe ich hier die höhere Priorität, wie wohl ich gerade den Ethikunterricht gerade sehr -, mir sehr dafür engagiere. Aber die Prioritäten sind wohl klar.
KRENN:
Frau Doktor, ich bin gekommen auf Wunsch des ORF. Bitte zuhören, ich tu’s auch. Ich bin gekommen, über das Menschenbild zu reden, über den Religionsunterricht zu reden. Und Ihr redet jetzt von der Pension, die wichtig ist, aber ich glaube, erstens einmal werden viele vielleicht, ich will nicht schulmeistern, aber viele es nicht so verstehen, weil es kompliziert ist. Aber ....
CZÖPPAN:
Herr Bischof, wir haben noch viel Zeit, und wir kommen mit Sicherheit noch dazu.
KRENN:
Ich bin nicht so sicher.
SCHMIDT:
Wissen Sie, was zum Menschenbild gehört? Den Menschen Sicherheit zu geben.
KRENN:
Was ich anmelde, ist das Wort "Gott", "Familie", das nicht vorkommt in Ihrem Programm.
SCHMIDT:
Das ist unrichtig, was Sie sagen.
KRENN:
Das ist richtig.
SCHMIDT:
Das ist unrichtig.
KRENN:
Das können wir gleich nachsuchen. Ich werde es Ihnen sagen, daß sie von der Familie nie was sagen.
SCHMIDT:
Ich habe es mitgeschrieben. Ich weiß es vielleicht ein bißchen besser.
KRENN:
Aber vielleicht doch nicht so gut, wie das Programm ist. Das hat es nicht. Das können wir nachsuchen, sogar gemeinsam.
SCHMIDT:
Das ist unrichtig, was sie sagen. Das ist schlicht und einfach unrichtig.
KRENN:
Das ist richtig! Darf ich es einmal so sagen. Und das nächste ist natürlich dann der Religionsunterricht, das Verhältnis zur Kirche. Das interessiert uns. Es ist nicht das einzige. Aber jetzt abzutauchen, gewissermaßen, in die Pensionsreform, und keiner weiß, was der andere wirklich ganz genau sagt, so klug bin ich noch, das mitzuhören. Aber gehen wir doch auch auf andere Punkte dann. Aber ich laß Ihnen gerne den Vorschlag, Kirche, Religionsunterricht usw.
CZÖPPAN:
Herr Bischof, ich wiederhole, wir kommen mit Sicherheit auf diese Themen. Nur lassen Sie uns noch ein bißchen bei den Themen Pensionen, Wirtschaft und Soziales.
KRENN:
Jetzt werde ich mich wieder zurückziehen und schweigen.
CZÖPPAN:
Nein, ich würde sie herzlich einladen, bei allen Themen mitzureden. Aber zum Spezialthema "Kirchen - Liberales Forum" kommen wir dann noch.
KREJCI:
Man darf sagen, die Frau Dr. Heide Schmidt hat ja in ihrem Liberalen Forum auch eine Reihe sehr guter, auch erfolgreicher Wirtschaftsexperten. Wie stellen Sie sich also das Thema Arbeitsplätze für die Zukunft in einer globalisierten Welt - ein grauenhaftes Wort, dem man auch das Schreckliche wahrscheinlich nehmen muß, wenn man es ruhig erklärt -, wie stellen Sie sich das vor? Kann Staat Arbeit schaffen? Wer schafft Arbeit? Wie kann man Menschen zu unternehmerischem Denken bringen usw.? Das wär', glaube ich, eine wichtige Frage, die meiner Ansicht nach mindestens so wichtig ist wie die Frage des Religions- und Ethikunterrichts. Ich bin ein sehr gläubiger Mensch, aber wir müssen ...
KRENN:
Das stimmt aber dann doch nicht.
CZÖPPAN:
Bitte reizen Sie den Herrn Bischof nicht, bitte reizen Sie ihn nicht!
KREJCI:
Oh ja! Frau Doktor könnten Sie uns das vielleicht ... Das interessiert mich als Ökonom.
KRENN:
Fehleinschätzung des Lebens, ja.
SCHMIDT:
Das ist ja auch die Grundfrage. Ich glaube, daß das Wesen und das ... Ich glaube, daß wir überhaupt von falschen Bewertungskriterien derzeit ausgehen. Aber vielleicht führt uns das zu weit. Der Kernpunkt ist mit Sicherheit, und das ist eben das, was Österreich nicht hat, ein funktionierendes - weil wir hier im Haus der Bank Austria sind - Finanz- und Bankensystem. Aber dazu kommt, und das sind die Kernfragen und das ist Punktliberalismus, nämlich bei uns gehört dazu: Rückbau des Staates, das ist ein Synonym. Das heißt Deregulierung und d. h. Flexibilisierung. Das sind die Punkte von denen ich überzeugt bin, daß auf diesen drei Ebenen die Wirtschaft angekurbelt würde und Arbeitsplätze geschaffen würden. Ich meine, es ist eine Binsenweisheit, daß natürlich der Staat keine Arbeitsplätze schafft, sondern daß die Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen von der Politik, damit Arbeitsplätze entstehen. Aber wenn ich mir anschaue, was in der Vergangen jetzt im österreichischen Parlament beschlossen wurde und dann lese ich jetzt in den Sommermonaten, daß der Klubobmann Khol meint, zwei Drittel der Arbeit seien bereits erledigt. Und unter anderem sagt er, und übrigens die Gewerbereform war eine Radikalreform, dann ist das genau der Punkt, der zeigt, warum wir nicht weiterkommen. Also wenn wir, und bei der Flexibilisierung ist es genau dasselbe. Wir haben einen kleinen Schritt gesetzt bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit. Allerdings in eine falsche Richtung deshalb, weil wir es dem Kollektivvertragspartner überlassen, diese Flexibilisierung dann auch umzusetzen. D. h. den Schritt den Betrieben zu überlassen, hat man nicht gewagt. Mit dem Ergebnis, daß alles stockt und wir eben keine Arbeitszeitflexibilisierung haben.
KREJCI:
Eine Reihe von Betrieben machen es an der Gewerkschaft vorbei. Mit großem Erfolg.
SCHMIDT:
Das sind die großen, die es sich leisten können und wo man wegschaut. Und das ist genau die Ungerechtigkeit, daß nämlich dort, wo es notwendig wär, im Mittelbereich, es nicht geht. Und nur die großen es sich erlauben können. Ich bin durchaus ...
KREJCI:
Niki Lauda hat es Samstag im Kurier geschrieben, die Sozialpartner brauchten irgendeinen, der da das letzte Wort hat. Da ist was Wahres dran.
SCHMIDT:
Ich habe es gelesen. Es wäre Sache der Politik, die Rahmenbedingungen so zu schaffen, daß die Betriebe in die Lage versetzt werden. Aber es ist ihnen nicht zu verwehren. Das ist genau der Punkt. Und wenn wir, und das ist eine Binsenweisheit, die in Deutschland ja nicht viel anders besprochen wird, wenn von den hohen Lohnnebenkosten die Rede ist. Na selbstverständlich sind auch die Lohnnebenkosten zu hoch. Und da gibt es eine Reihe von Ansätzen hier etwas zu verändern. Die ökologische Steuerrefom ist eine Weichenstellung, und zwar eine wesentliche, wo wir uns wahrscheinlich treffen werden. Aber es gibt eine Reihe von anderen Punkten auch. Ein Mosaiksteinchen, aber ein kleines Mosaiksteinchen, nicht um Sie zu reizen, aber weil es auch dazugehört, daß man z. B., weil auch das gehört letztlich zu den Lohnnebenkosten, daß man durchaus auch bei den Feiertagen, und Österreich liegt im Spitzenfeld, bei den Feiertagen einen Abstrich machen kann. Daß wir Eigenverantwortung einfordern. Ich sage jetzt nicht bei den Krankenstandstagen, aber z.B. bei einer Kur, die jemand macht, kann man durchaus zumuten, daß auch hier Urlaubstage in Anspruch genommen werden. Das sind alles Bereiche, die auch zu den Lohnnebenkosten fallen. Aber die höchsten Kosten, bitte, verursacht die Bürokratie. Und das ist der Wahnwitz in Österreich, weil wir sind noch mehr reguliert als in Deutschland, und da ist es schon schlimm genug.
KREJCI:
An der großen Umschichtung der Arbeitsmärkte ist die Bildungspolitik ein ganz entscheidendes Element.
SCHMIDT:
Wem sagen sie das!
KREJCI:
Etwas sehr Kluges hat kürzlich ein amerikanischer Arbeitsminister gesagt, ein früherer, ich kann nicht Menschen einen Arbeitsplatz ewig sichern, aber ich kann ihnen eine Garantie geben, daß sie einen Arbeitsplatz kriegen, wenn sie einen verloren haben. Daß sie entsprechende Ausbildung vorher genossen haben. Denn wir stellen heute fest, daß die Unausgebildeten jene sind oder die mit schlechtem Ausbildungsniveau, die am längsten arbeitslos bleiben. Und hier ändert sich radikal etwas, und hier muß wirklich etwas geschehen. Und ich meine, die Rechtschreibreform ist ja noch nicht der Kernpunkt der Bildung. Ich meine der Genscher hat in Wien gesagt, was hat ein arbeitsloser Werftarbeiter, wenn er weiß, daß man Schiffahrt mit drei "f" schreiben kann.
SCHMIDT:
Wir haben unsere diesjährige erste Maiveranstaltung unter den Titel gestellt: "Bildung schafft Arbeit" und jetzt eine Bildungsoffensive gestartet, von der ich doch glaube, daß sie einiges an öffentlicher Diskussion und daher auch hoffentlich an politischen Handlungen hervorrufen wird. Ich glaube, daß der Kernpunkt der sein muß, daß man den Menschen beschäftigbar erzieht. D. h. nicht die Beschäftigung, es hat der Matthias Horx bei uns einen Vortrag gehalten, wo er vom goldenen Uhrsyndrom gesprochen hat, das einfach keine Relevanz mehr hat. D. h. also diese 50 Jahre irgendwo beschäftigt zu sein und dafür die goldene Uhr zu kriegen, ist einfach etwas, was der Vergangenheit angehört. Und das Wesentliche ist, daß man beschäftigbar für die verschiedensten Funktionen, für die verschiedensten Berufe sein muß. Daher gehört ja auch eine völlig Umstrukturierung des Budgeteinsatzes her, was die Erwachsenenbildung betrifft.
KREJCI:
Auch neue Berufsbilder.
SCHMIDT:
Die Berufsbilder sowieso. Aber es gehört auch ganz anderes Bildungsziel definiert. Denn auch das ist etwas, wo wir mit falschen Begriffen arbeiten. Das spielt alles so zusammen. Ich habe vorher gesagt: funktionierendes Finanz- und Bankensystem. Die Bewertung, nach denen heute ein Betrieb erfolgt und daher bei einer Bank ein Kredit auch erteilt wird, geht nach all dem, was sozusagen in Ziffern geschrieben ist. Aber was das eigentliche Kapital eines Unternehmens ist, nämlich die Kreativität seiner Mitarbeiter und die Qualität der Arbeit, alles das, was ich nicht direkt hinschreiben kann, findet eigentlich keine Berücksichtigung. Und wer traut sich schon, jemandem einen Kredit zu geben, der sagt, ich habe eine gute Idee, ich habe ein gutes Projekt. Da sagt er, erst möchte ich die Bilanzen vom Vorjahr sehen. D.h. das Ziffernwerk ist die Grundlage, weil man einfach ...
KREJCI:
Risikokapital schaffen!
SCHMIDT:
Richtig! Weil man einfach sich nicht traut, jemandem auch einmal das Wirtschaften aufgrund eines Projektes zuzumuten. Das hängt alles zusammen, weil wir auch im Bildungssystem einfach Menschen erziehen, die abfragbares Wissen, wenn es gut geht, haben, aber die nicht denken lernen.
KREJCI:
Drei mal drei ...
SCHMIDT:
Genau so ist es! Wo nicht die Kreativität gefördert wird, wo nicht - ich sag jetzt - die musische Intelligenz, also die verschiedensten Intelligenzen, die halt nicht abfragbar sind, sondern die einen Menschen in die Lage versetzen, mit seinem Leben anders umzugehen. Und daher auch später weiterzulernen. Dieses "von der belehrten Gesellschaft in die lernende Gesellschaft umzusteigen".
KREJCI:
Zu wissen, daß das Leben nicht nur ein Spaß ist, wie das heute immer heißt!
SCHMIDT:
So ist es!
SAGER:
Ich stimme vollkommen mit Ihnen darin überein, daß die alte Paukschule für eine moderne Gesellschaft zu wenig leistet, und daß das sicher etwas ist, was in der Diskussion im Moment eigentlich gar nicht gesehen wird. Wenn es um Leistung geht, darum geht, daß die alte Paukschule zu wenig leistet. Ich möchte aber gerne auf etwas zurückkommen, das mir zu pauschal war. Nämlich dieser rein positive Bezug auf den Begriff der Deregulierung. Wir können, glaube ich, sehr schnell uns darüber verständigen, daß man sowohl in Deutschland als sicher auch in Österreich Hierachien abbauen kann. Daß man Verwaltung modernisieren kann, sie schlanker machen kann, daß man die Frage stellen kann, müssen eigentlich Professoren und Lehrer Beamte sein und weshalb. Da können wir uns sicher verständigen. Aber es bleibt nach wie vor eine staatliche Aufgabe, soziale Gerechtigkeit herzustellen, es bleibt nach wie vor eine staatliche Aufgabe, den Rahmen zu setzen für den Erhalt der Lebensgrundlagen.
SCHMIDT:
Da sind wir uns völlig einig.
KREJCI:
... soziale Marktwirtschaft nicht.
SAGER:
Und das heißt natürlich, was wir in Wirklichkeit brauchen, ist ja nicht Deregulierung, sondern Reregulierung. Und ich glaube z. B., daß bei der Reregulierung auch der Arbeitsverhältnisse man nicht von vornherein sagen sollte, laßt das mal in jedem kleinen Betrieb machen. Die einzelnen Belegschaften sind im Moment unglaublich erpreßbar. Und es ist ein Stück weit notwendig, daß die einzelnen Belegschaften aus ihrer totalen Erpreßbarkeit wieder auf einer Ebene zusammengeführt werden, wo auch Reregulierung unter Bedingungen der Solidarität stattfinden kann.
CZÖPPAN:
Relativ kurze Antwort und dann machen wir einen Themenwechsel. Aber darauf bitte noch eine Antwort.
SCHMIDT:
Im übrigen, weil Sie jetzt zum Schluß den Begriff der Solidarität verwendet haben, das ist ja so das Schlagwort der Gewerkschaften. Was mich so sehr stört, ist, daß Sie diesen Begriff denaturieren, wenn Sie mich fragen, weil sie haben nur Solidarität mit dem Besitzenden, nämlich mit jenen, die einen Arbeitsplatz haben und verteidigen diesen mit Zähnen und Klauen und begreifen nicht, daß sie damit den anderen den Zugang ...
SAGER:
Das ist bei Überstundenabbau und Arbeitszeitverkürzung - und bei uns das VW-Modell zum Beispiel - nicht mehr so. Da haben die Gewerkschaften wirklich dazu gelernt.
SCHMIDT:
Das ist wahr. Da sind sie in Österreich weit weit hinten, wenn ich das vergleiche.
KREJCI:
In Einzelunternehmer sind sie voraus, aber Einzelunternehmen.
SCHMIDT:
Das ist das, was ich eigentlich einbringen wollte. Denn ich glaube einfach, daß das Bild des ausbeutenden Unternehmers wirklich der Vergangenheit angehört. Nun gebe ich Ihnen aber in einem ...
SAGER:
Das will ich gar nicht malen. Wir haben viel zu viele Freiberufler und Unternehmer auch inzwischen bei den Grünen.
SCHMIDT:
Es ist einfach ein Gesetz der Vernunft, wenn Sie so wollen, daß ein Arbeitgeber Interesse haben muß, auch Arbeitnehmer zu haben, die sich mit diesem Betrieb identifizieren und die einsichtig sind. Und daher glaube ich sehr wohl, daß es vernünftig ist, daß man von der Fremdbestimmung durch Kollektivvertragspartner zur Eigenbestimmung innerhalb eines Betriebes kommt. Dafür gibt es Betriebsräte. Und ich würde sogar sagen, in jenen Bereichen, wo es keinen gibt, soll es dann ein Zustimmungsrecht der Gewerkschaft oder ähnliches geben. Also da bin ich für jede ...
KREJCI:
Es gibt auch schon Vertrauenskrisen zwischen Gewerkschaften und ihren Mitgliedern.
SCHMIDT:
Mit Recht! Weil die Mitglieder genau erkennen, daß die Gewerkschaften hier einer Schimäre nachlaufen bzw. nicht weitergedacht haben.
KREJCI:
Wie sich überhaupt alle Institutionen abkoppeln von der Basis.
SAGER:
Aber man muß sehr aufpassen, daß man da nicht das Kind mit dem Bade ausschüttet.
SCHMIDT:
Da haben sie recht.
CZÖPPAN:
Kann man dieses Thema dann ganz kurz abschließen!
SCHMIDT:
Weil Sie gesagt haben: Reregulierung. Ich glaube schon, daß in Österreich jedenfalls der Begriff der Deregulierung schon noch richtig ist. Weil wir, ich sage noch einmal, noch über Deutschland hinaus eine Dichte an Regelungen haben, nicht nur im Wirtschaftsleben, aber insbesondere im Wirtschaftsleben, die wirklich unerträglich ist. Und weil eingangs der Begriff des Menschenbildes eingeworfen wurde, und da gebe ich dem Herrn Bischof recht, ich glaube wirklich, daß die unterschiedliche Politik auch davon abhängt, welch unterschiedliches Menschenbild hat der einzelne. Und ich glaube, daß der einzelne einfach Verantwortung übernehmen kann. D.h. ich würde das Risiko eingehen, in den meisten Bereichen einfach nur Mindeststandard vorzusehen. Und die Gewerbeordnung, von der ich vorher gesprochen habe, ist für mich ein Paradefall. Wir haben verlangt, die Gewerbeordnung wirklich radikal zu verändern. D.h. daß ich einfach mein Gewerbe anmelde, außer in jenen Bereichen, wo Gefahr für Leib und Leben verbunden ist oder für die Umwelt oder die Gesundheit, also diese drei Bereiche, und der Rest einfach anmelden. Und eine Partei wie die ÖVP, die sich gerne den Begriff Wirtschaftspartei gibt, hat aufgebrüllt und hat gemeint, das würde die österreichische Qualität beeinträchtigen. Was ich damit sagen will, ist, daß entweder diese Partei nicht an den Markt glaubt oder aber sie an die Leistungsfähigkeit des einzelnen nicht glaubt. Mit Mindeststandards in der Gewerbeordnung, in der Bauordnung und in allen möglichen Bereichen auszukommen, wird eine ganz andere Eigenverantwortung und damit ein anderes Klima in diesem Land schaffen.
CZÖPPAN:
Jetzt bitte einen harten Themenwechsel. Jetzt darf ich zwischendurch ein paar Fragen stellen.
KREJCI:
Sonst fließt Blut.
CZÖPPAN:
Stichwort Bundespräsidentenwahl: Sie haben in einem News-Interview angedeutet, daß Sie unter Umständen in Erwägung ziehen selber anzutreten und daß auch die Entscheidung noch nicht gefallen ist, ob das Liberale Forum einen Kandidaten aufstellen wird. Ist das schon ein bißchen weiter gediehen mittlerweile?
SCHMIDT:
Das ist nicht weitergediehen, und ich habe auch nichts anderes gesagt, als daß das eine von mehreren Optionen ist und ich sie daher nicht ausschließe. Das war keine Ankündigung, sondern das war die Feststellung, daß ich es nicht ausschließe, und dabei bleibe ich auch. Ich glaube, es geht darum, erst einmal zu sehen, wie sieht die Konstellation insgesamt aus. Ich würde es für einen Fehler halten, wenn es keine Alternative zum amtierenden Bundespräsidenten gibt. Und aus diesem Grund sage ich: Entweder soll es einen überparteilichen Kandidaten oder Kandidatin geben, oder aber wir überlegen einen eigenen Kandidaten oder Kandidatin aufzustellen. Und wenn wir zu letzterer Variante kommen, dann ist eine der Optionen auch, daß ich als Kandidatin zur Verfügung stehe. Aber es ist auch da hier nicht die einzige.
CZÖPPAN:
Jetzt ist natürlich so ein Bundespräsidentwahlkampf eine ziemlich teure Angelegenheit, und es gibt da keine Wahlkampfkostenrückerstattung. Anders als bei den Nationalratswahlen. Es kann eigentlich nicht wirklich darum gehen zu gewinnen. Es hat noch nie ein Kandidat gegen einen amtierenden Bundespräsidenten gewonnen.
SCHMIDT:
Das sind Signale. Da haben Sie Recht. Es ist schwierig.
CZÖPPAN:
D.h. was ist dann eigentlich das wirkliche Motiv? Warum soll man sich das antun, diese Kosten?
SCHMIDT:
Erstens haben sie recht, daß natürlich die finanzielle Überlegung eine ist, mit der wir ja auseinandersetzen. Das ist wahr. Aber ich glaube, daß auf diese Weise einfach Signale gegeben werden können. Also, erstens einmal halte ich es einfach für eine demokratiepolitische Notwendigkeit, daß eine Bundespräsidentenwahl auch tatsächlich eine Wahl ist und nicht ein Abstimmungsmanöver. Und das zweite ist, daß ich mir denke, je nachdem welche Persönlichkeiten hier zur Verfügung stehen, für deren Geisteshaltung, für deren Vorstellung von Gesellschaft, für deren Verständnis von Politik und Miteinander, wird ein Signal gegeben. Und das macht demokratiepolitisch Sinn.
CZÖPPAN.
Hat es nicht einfach auch damit zu tun, daß das Liberale Forum durch seinen Wahlkampf Rückenwind bekommen könnte.
SCHMIDT:
Das ist ein Nebeneffekt, und zwar einer der natürlich wünschenswert ist, das ist schon wahr. Aber in der Abwägung muß ich schon sagen, geht’s mir wesentlich darum, was kann man damit ausdrücken. Welches Zeichen kann man damit setzen.
KREJCI:
Es hat ein deutscher Schriftsteller, der einmal beim Psychiater war, hat einmal etwas Großartiges geschrieben: Es gibt im Leben auch eine Notwendigkeit des Vergeblichen. Ich bewundere Sie, wenn Sie antreten würden, Chancen haben Sie gegen den amtierenden Bundespräsidenten sicher nicht. Aber wenn dadurch gesorgt würde, daß man ein bißchen vom Untertanengeist medial wegkommt, daß da dieses Thema einmal behandelt wird, wäre das sicher eine Variante, über die diskutiert werden kann. Aber die Chancen sind nicht groß.
SCHMIDT:
Das gebe ich schon zu, daß das vielleicht etwas vermessen wäre, sich das auszurechnen. Aber ich halte es wirklich für eine Art Artikulation der Bürgerinnen und Bürger, bei einer Wahl zum Ausdruck zu bringen, welches Signal sie geben wollen, welches Zeichen sie setzen wollen. Es gibt auch eine Auseinandersetzung über Funktionen.
CZÖPPAN:
Bleiben wir noch ein bißchen bei dem Punkt Rückenwind für das Liberale Forum. Bei allem Respekt für die demokratiepolitischen Signale, die da drin stecken, aber natürlich gibt’s diesen Gedanken dann auch.
SCHMIDT:
Natürlich gib’s den auch.
CZÖPPAN:
Aber unter diesem Aspekt, wird’s dann nicht eigentlich am allermeisten Sinn machen, jetzt aus der Sicht des Liberalen Forum, wenn Sie selber antreten? Dann würde sozusagen das Liberale Forum wahrscheinlich aus dem Wahlkampf am meisten lukrieren können.
SCHMIDT:
Frau Czöppan, das hängt wirklich von den Möglichkeiten ab, die realistisch werden. Und das ist auch der Grund, warum ich gesagt habe, es ist eine Variante und ich halte nichts davon, so kreuz und quer zu reden. Es ist wahr, es ist eine Variante, aber es ist nicht die ausschließliche. Und das abzuwägen, welches die vernüftigste Entscheidung ist, halte ich einfach für zu früh.
KREJCI:
Darf man vielleicht eine Frage anknüpfen? Szenario Regierungsbeteiligung: Was wäre Ihr Ideal, in welcher Regierungsform? Ampelkoalition? Eine Partei ist ja auch dazu da, daß sie irgendwann mitregiert.
SCHMIDT:
Da haben Sie recht. Da war auch immer unser Selbstverständnis.
KREJCI:
Wollen Sie also Rot - Grün - Gelb, oder können Sie sich theoretisch vorstellen Rot - Schwarz und das Liberale Forum. Man kann ja nicht ewig nur in der Opposition bleiben. Das ist ja ein bißchen ein frustrierender Zustand.
SAGER:
Das bestimmt ja aber leider der Wähler.
SCHMIDT:
Es kann mitunter sogar frustrierender sein, in der Regierung zu sein und sich durchzusetzen. Also ich glaube, das ist nicht das einzige Unterscheidungskriterium, sondern es geht sowieso ...
KREJCI:
Aber was würde Ihnen lieber gefallen?
SCHMIDT:
Wir haben jetzt zwei Nationalratswahlkämpfe geschlagen, und die Frage kommt natürlich jedesmal. Und wir haben uns zu einer Antwort gefunden, die ich für wirklich, nicht für die taktisch klügste, sondern für die ehrlichste halte. Nämlich sich selber zu prüfen, was wären die Mindestbedingungen, mit welchen man ja zu so einer Regierungsbeteiligung sagte.
KREJCI:
In welcher Form?
SCHMIDT:
Dann ist es eben egal. Und wir haben für die letzte Nationalratswahl sieben Mindestbedingungen formuliert, und darin sieht man schon, daß das nicht irgend eine Taktik war, sondern daß es das Nachdenken -, und das Schwerste ist wirklich es zu reduzieren, daß wir dann auf sieben gekommen sind, das war gar nicht so einfach, wie es dann im Ergebnis aussieht. Wir haben uns überlegt, wo sind unserer Meinung nach die wichtigsten Weichenstellungen, wo wir uns liberale Handschrift erwarten. Und dann kann man ja sagen, wenn man das Gefühl hat, man kann Handschrift hinterlassen. Das würden Grüne genauso sagen, wie das eben Liberale jetzt sagen. Nämlich das Handschrift hinterlassen. Hoffe ich doch jedenfalls.
SAGER:
Auf jeden Fall. Man will ja das nicht zum Selbstzweck betreiben.
SCHMIDT:
Genau das ist es. Und da haben wir in unseren sieben Mindestbedingungen eben jenen ungeteilten Liberalismus festgelegt. Und interessanterweise waren Punkte dabei, die sich jetzt herausgestellt haben als die wesentlichen Weichenstellungen. Das ist: Einfrieren des Aufwandes für den öffentlichen Dienst. Das war die Gewerbeordnung. Das war das Fremdenrecht, um gleich auf die andere Seite auch zu gehen. Wir würden für die nächste Wahl wieder solche Mindestbedingungen formulieren, um die Frage jetzt zu beantworten und mit wem auch immer eine derartige Konstellation zusammenkommt. Das wäre dann die inhaltliche Weichenstellung.
SAGER:
Glauben sie denn mit Ihrer schwachen Basis in den Landtagen, ihren Erfolgskurs weiter fortsetzen können?
CZÖPPAN:
Schauen wir uns zwischendurch einmal die Kräfteverhältnisse überhaupt an. Bevor wir über Koalitionsmöglichkeiten reden, schauen wir uns die Kräfteverhältnisse überhaupt an. Darf ich da um die Grafik bitten - die Sonntagsfrage? Damit wir einmal sehen, wie das Liberale Forum derzeit liegt. D. h. nach den letzten Meinungsumfragen liegt das Liberale Forum bei etwa 5 % und ist damit wieder hinter die Grünen, anderes als bei den letzten Nationalratswahlen, zurückgefallen.
SAGER:
Was mich natürlich freut.
SCHMIDT:
Nicht zu früh, weil das sind nur Momentaufnahmen.
CZÖPPAN:
Es gibt nun Meinungsumfragen, die besagen, das theoretische Potential für die Liberale würde bei etwa 15 % liegen. Tatsächlich, das Ausgeschöpfte liegt bei etwa 5 %. Wo sind die 10 %, die da dazwischen liegen? Einer der Gründe, der immer wieder angeführt wird, warum es Ihnen nicht gelingt, das auszuschöpfen ist, die Liberalen befaßten sich zu sehr mit Randthemen. Und da sind wir jetzt bei Ihrem Satz: Z.B. gegen die Kirche und gegen Homosexuelle zu sein ist zu wenig.
KREJCI:
Jetzt ist der Bischof am Wort.
KRENN:
So locker geht das nicht. Ihr macht eine Diskussion, die Frau Schmidt stellt dar, das ist ihr gutes Recht. Aber zu dem bin ich nicht gekommen und eingeladen worden. Ich wollte Ihnen ja Gegenfragen stellen und nicht, was sie da herumzaubern. Am Schluß werden die 5 % nicht entscheidend sein in Österreich. Das müssen sie auch längst schon wissen. Und deswegen gehen wir doch ein auf Fragen, nicht dauernd Koalition oder Taktik.
KREJCI:
Das ist aber wichtig.
CZÖPPAN:
Es steht gerade eine konkrete Frage im Raum, die Sie betrifft, Herr Bischof!
KRENN:
Aber diese Fragen verdienen unsere Zuhörer nicht. Wir haben Fragen von der Kirche aus an Sie, und ich komme nicht dran. Ich sehe schon heute und jetzt ...
CZÖPPAN:
Gerade jetzt liegt diese Frage am Tisch.
KREJCI:
Weil sie zufällig kommt. Die müssen wir schon direkt angehen oder die Sonntagsfrage oder weiß ich was. Was kommt jetzt. Sagen Ssie’s!
CZÖPPAN:
Ich habe gerade gesagt, wir können jetzt über das Thema reden, ob sich das Liberale Forum zu stark nur mit Randthemen befaßt. Die da sind, z. B. gegen die Kirche aufzutreten oder für Homosexuelle aufzutreten.
KRENN:
Ich habe der Frau Doktor schon in Amstetten einmal gesagt, da hat sie über die Homosexuellen gesprochen bei einer Tagung, Weihnachtsfest, bei dem wir beide waren, an das ich mich gerne erinnere. Da habe ich gesagt, das Wort zum Sonntag ist schon gesprochen. Das hat die Frau Doktor gesprochen, für die Homosexuellen, das kann ich nie tun. Aber es sind ja nicht nur die Homosexuellen. Es geht ja um den ganzen Bereich Familie, Ehe, Person. Da geht es ja um Fragen, um die ich einfach bitte, daß Sie auch antworten! Denn wenn Sie nichts sagen oder wenn Sie sagen, das geht schon so vorbei, dann haben wir Österreich, unseren Menschen und Ihren Menschen keinen Dienst geleistet. Und deswegen, bitte, schlagen Sie selber ein Thema vor. Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, der Religionsunterricht. Sie wollen den Religionsunterricht nicht mehr verpflichtend haben, dafür einen Ethikunterricht. Das sind ja Fragen, die bewegen uns auch. Und langfristiger als z. B. die Frage nach der Pensionsreform. Man muß halt einmal sagen, man muß über Gott und den Menschen reden.
CZÖPPAN:
Wir waren gerade ohnehin beim Thema Verhältnis des Liberalen Forums
zur Kirche.
KRENN:
Und wir haben einen gemeinsamen Satz gefunden, das war der, der Mensch soll machen was er will ...?
SAGER:
Und das sind keine Geschöpfe Gottes, aus ihrer Sicht?
KRENN:
Lassen wir uns einmal Zeit. Ich werde antworten. Natürlich sind sie Geschöpfe Gottes, aber jedes Geschöpf Gottes ...
CZÖPPAN:
Bitte stellen Sie jetzt bitte die konkrete Frage. Sie beschweren sich, sie kommen nicht dazu Fragen zu stellen. Bitte stellen Sie ihre Frage.
KRENN:
Ja, Moment. Aber wenn dazwischen gefragt wird, muß ich auch antworten. Ich bin ein höflicher Mensch. Geschöpfe Gottes ja, aber genau deswegen haben sie auch eine Ordnung zu befolgen. Und das ist das Problem nämlich der Liberalen, daß sie einen Menschen vorstellen, der ist frei, der ist verantwortungsbewußt ...
SCHMIDT:
So ist das!
KRENN:
Offene Gesellschaft, aber eines ist Ihnen entgangen, daß der Mensch von seinem Wesen und von seinem Verstehen her nicht einfach nur sich selber determiniert. Das wissen sie auch ganz genau, und das ist so ein, wie soll ich sagen, oberflächlicher Liberalismus, daß man sagt, der Mensch soll machen, was er will, dann wird es gut sein.
SCHMIDT:
Das sagt doch kein Mensch, Herr Bischof. Also wollen wir nicht eine vernünftige Diskussion führen?
KRENN:
Das ist die Schlußfolgerung aus Ihren Dingen.
SCHMIDT:
Nein, daß ist Ihre Schlußfolgerung. Die kann ich Ihnen zwar nicht nehmen, nur sie ist nicht objetivierbar.
KRENN:
Ja, ich weiß schon, an diesen Stellen distanzieren wir uns. Aber lassen Sie es mir behaupten und lassen Sie dann mir auch sagen, daß es halt so ist. Und ich kann sagen, ein Programm, das nur von freien Menschen spricht, vom freien Individuum spricht, das z.B. auch, jetzt gebe ich andere Dinge an, das nichts gegen die Abtreibung hat ...
SCHMIDT:
Wollten Sie mich eigentlich etwas fragen oder wie?
KRENN:
... das nichts gegen die Euthanasie hat, das nichts gegen die Auflösung der Familie hat. Ich weiß nicht, ob die Leute denn gar nicht kapieren, daß Sie im letzten mit Ihren Grundsätzen die Familie auflösen!
SCHMIDT:
So, darf ich jetzt auch einmal etwas sagen? Erstens wollte ich klarstellen, daß wir nicht gegen Kirchen auftreten, sondern daß wir für eine Trennung von Kirche und Staat auftreten. Das ist keine Gegnerschaft. Zweitens möchte ich nur richtigstellen den Begriff für Homosexuelle. Wenn ich von einer Gleichbehandlung spreche, bin ich weder für Hetero- noch Homosexuelle. Sondern es ist ein Selbstverständnis, daß der Mensch nicht nach seiner sexuellen Orientierung zu beurteilen ist. Das ist mein und unser Selbstverständnis. Sie haben ja ein offenkundig anderes. Daher, nachdem hier Menschengruppen benachteiligt sind, diskriminiert sind, ist es für mich ein Selbstverständnis und demokratische Aufgabe, für die Gleichstellung zu kämpfen. Überall dort, wo man Defizite sieht, muß man gegen diese Defizite kämpfen, und nachdem wir in Österreich hier eine Reihe von Diskriminierungen haben, habe ich es auch als eine Aufgabe gesehen, daß sich eine politische Partei dieser Aufgabe annimmt. Das ist jetzt nur eingangs gesagt.
KRENN:
Eine kleine Frage, die Sie mitbeantworten wollten. Ich bin sofort fertig. Was ist für Sie im Letzten gut oder böse? Was ist Urteil des Gewissens? Das ist gut, das ist böse. Das gute zu tun, das böse zu meiden. Was ist das für Sie? Woher kommt Ihr Kriterium?
SCHMIDT:
Herr Bischof, das glaube ich nicht, daß das Gegenstand des heutigen Abends sein kann.
KRENN:
Sie sollen es ja nicht verschieben. Wir kommen nicht mehr so jung zusammen wieder.
SCHMIDT:
Ich glaube, die Politik ist dazu da, um Rahmenbedingungen zu schaffen.
KRENN:
Sie reden schon über Gewissen, und Gutes und Böses und Ethik. Jetzt können sie nicht sagen, das besprechen wir heute nicht.
SCHMIDT:
Und bei diesen Rahmenbedingungen geben sozusagen die Gesetze jenes vor, was getan, was nicht getan werden darf. Sagen wir es einmal so.
KRENN:
Welche Gesetze?
SCHMIDT:
Jene Gesetze, die im Parlament oder in den Landtagen beschlossen werden.
So, und ...
KRENN:
Das paßt nicht ganz zusammen mit Ihrer ...
SCHMIDT:
... nun glaube ich, daß es eine Frage, das ist ganz wichtig, daß wir Menschen heranbilden, die nicht nur eine Kritikfähigkeit entwickeln, sondern die auch bereit und fähig sind, Verantwortung zu übernehmen. Und zu dieser Verantwortung gehört für mich natürlich auch eine Wertskala, die man erkennt und nach der man lebt. Und diese Werteskala halte ich für falsch so zu beurteilen, wie Sie das gerne tun, als hätten Religionen, welche auch immer es ist, ein Monopol darauf. Ich glaube, daß Werte etwas sind, die jemand, einer für sich, für die Gesellschaft entwickelt, und das können Werte sein, die von Religionen abgeleitet sind, aber sie müssen es nicht sein. Und aus diesem Grund glaube ich, daß ein Ethikunterricht hier einen wesentlichen Beitrag für das Verantwortungsbewußtsein von Kindern, von Jugendlichen und daher dann von einen erwachsenen Menschen bringen könnte. In denen natürlich auch die spirituelle Dimension eines Menschen, die er hat, auch davon bin ich überzeugt, berücksichtigt wird. Und wir haben ja glücklicherweise in Österreich auch eine Reihe von Schulversuchen, wo es auch schon Lehrpläne für solchen Ethikunterricht gibt, wo die Prinzipien in einer Gesellschaft, aber auch die Unterschiedlichkeiten in den unterschiedlichsten Gesellschaften und auch in den unterschiedlichsten Religionen gelehrt werden, sodaß dann derjenige, der damit konfrontiert ist, sich sein eigenes Bild macht. Und ich glaube, daß das viel wichtiger ist, als ein vorgefertigtes Antwortpäckchen hinzulegen, wie das in einem Religionsunterricht passiert. Und noch etwas kommt dazu. Es ist Aufgabe eines Religionsunterrichts, natürlich Glauben zu vermitteln. Und ich glaube, daß das alleine schon daher nicht in das System von Pflichtfächern paßt. Weil ich es für ...
KRENN:
Warum?
SCHMIDT:
... daß die Glaubensvermittlung benotet wird.
KRENN:
Mathematik wird auch benotet.
SCHMIDT:
Das ist doch keine Glaubensvermittlung, sondern eine Wissensvermittlung. Das macht den wesentlichen Unterschied aus.
KRENN:
Oh, da ist auch vieles Voraussetzungswissenschaft.
SCHMIDT:
Also, daher denke ich, ein Ethikunterricht mit einem Religionsunterricht ...
KRENN:
Frau Doktor, darf ich kurz unterbrechen. Wir kommen dann wirklich zu weit weg. Wenn Sie Ethikunterricht einführen wollen, wer bestimmt dann, was ist ethisch, was ist sittlich, gut und böse?
SCHMIDT:
Das bestimmt niemand. Sondern es gibt ...
KRENN:
Das Parlament oder der Parteitag vom Liberalen Forum?
SCHMIDT:
Nein, sondern es gibt eine Information. Dieser Unterricht ...
KRENN:
Nein, nein, wir sagen Kirchen, damit die Leute das auch wissen. Wir sagen, vor allem beziehen wir aus dem Glauben und auch aus einem, es ist nicht die Natur und das Geschöpf und all das, das ist nicht alles rein willkürlich. Wir haben auch so etwas wie ein Naturrecht ...
SCHMIDT:
Die Information über die katholische Lehre wäre auch Gegenstand des Ethikunterrichtes.
KRENN:
... und wir wollen auch in dem unterrichten. Nicht einfach sagen, daß ...
SCHMIDT:
Ich will es Ihnen nicht nehmen.
KRENN:
...aber wir wollen das ja nicht nebeneinander haben.
CZÖPPAN:
Da sind die Standpunkte.
KRENN:
Und deswegen noch einmal bitte, wer soll bestimmen, in einer solchen Fiktion, wie sie sie haben, was ist gut, sittlich gut, sittlich böse. Wird es das Parlament bestimmen? Sie haben nämlich vorhin von den Gesetzen gesprochen und auch ...
CZÖPPAN:
Die Frage hat die Frau Dr. Schmidt eigentlich schon beantwortet.
KRENN:
Nein, die war nicht beantwortet.
CZÖPPAN:
Doch!
KRENN:
Schlecht gehört vielleicht!
KREJCI:
Da muß ich ausnahmsweise Frau Dr. Schmidt bißchen was kritisch sagen. Ich habe viele alte Freunde in der Sozialistischen Partei, und je älter die Sozialisten werden, desto konservativer werden sie. Sie sind konservativer als viele Bürgerliche.
SCHMIDT:
Das ist aber nicht nur eine Frage des Alterwerdens.
KREJCI:
Nein, nein! Und einer meiner alten Freunde hat gesagt, wie Sie gegen den Religionsunterricht aufgetreten sind, ein alter Sozi, hat er gesagt, ich bin zwar ein Agnostiker, aber das, was die Frau Schmidt macht, das tut man nicht. Der Kreisky hat sich schon bemüht, daß der Religionsunterricht ...
SCHMIDT:
Wie fest das drinnen sitzt in den Menschen!
KREJCI:
Das ist das eine. Und zur Homosexualität, das ist jetzt langsam, das ist ja, glaube ich, kein Zentralthema dieses Staates, das ist eine private Angelegenheit.
SCHMIDT:
Das ist keine private Angelegenheit. Menschen zu bestrafen, ist keine private Angelegenheit.
CZÖPPAN:
Jetzt sind wir vielleicht genau bei dem Punkt, daß das Liberale Forum sich vielleicht zu sehr in Themen verliert, von denen dann viele sagen, daß ist doch kein zentrales Thema. Ist das ein Grundproblem?
SCHMIDT:
Ich glaube, daß Grundrechte immer zentrale Themen sind, und daß Grundrechte in ihrer Wichtigkeit nicht danach zu messen sind, wieviele Menschen betroffen sind. Sondern daß es eine Frage ist, wie sehr der einzelne davon betroffen ist.
KRENN:
Klingt gut!
SCHMIDT:
Und daher ist das für mich ein genauso intensives Anliegen, wie für die Selbstbestimmung in der Wirtschaft zu kämpfen. Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, die Vorurteile, wie sie auch, ich sage jetzt sogar die katholische Kirche, ...
KRENN:
Wie ich sie habe. Aber das laß ich gerne Vorurteil sein!
SCHMIDT:
... aber insbesondere der Herr Bischof, bei jeder Gelegenheit festschreibt, daß diese Vorurteile sich gegen Menschen richten. Und genau das passiert in dieser Gesellschaft und passiert in Österreich immer noch, durch das Strafgesetz. Und da rede ich gar noch nicht von den anderen Bereichen, wo es darum geht, daß man homosexuellen Menschen einfach gar nicht ermöglicht, Verantwortung füreinander in einer Gemeinschaft zu übernehmen. Das sind für mich alles Dinge, die einer offenen Gesellschaft widersprechen. Das gehört dazu.
CZÖPPAN:
Noch eine Wortmeldung dazu und dann schließen wir dieses Thema.
KRENN:
Das sind aber auch Dinge, die wir wirklich nicht wollen.
SCHMIDT:
Ich weiß das ja!
KRENN:
Homosexualität ist für uns ein sittlich verfehltes Tun.
SCHMIDT:
Sehen sie, und deswegen ist es so wichtig ...
SAGER:
Auch wenn die sich aufopfernd umeinander kümmern? Ich kenne z.B. Paare, wo der aidskranke Partner bis zum Tode aufopfernd gepflegt wird, und diese Menschen diskriminieren Sie hier. Das ist doch absurd!
KRENN:
Es muß ja nicht um diesen Preis sein. Man kann Gutes tun und gut sein.
CZÖPPAN:
Kann man das Thema Homosexualität ...
SCHMIDT:
Sagen Sie nicht von der Kirche. Da ist es jetzt ganz wichtig zu unterscheiden zwischen der Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche. Die Äußerungen der Evangelischen Kirche ...
KREJCI:
Eine kleine Anekdote, damit das Ganze entspannt wird. Ich bin ein alter Adenaueranhänger und sammle sämtliche Anekdoten über Adenauer. Adenauer war übrigens jener Mann, der gesagt hat, er küßt nie einem Bischof den Ring, daß ist mir zu unhygienisch. Er war ein tiefgläubiger Mensch ...
KRENN:
Das ist ein Spaß, der am falschen Ort jetzt ist.
KREJCI:
Na wieso, daß war doch sehr nett. Der war gläubiger als wir alle.
KRENN:
Lassen sie die Menschen ...
KREJCI:
Na, der Adenauer war sehr gläubig, ebenso wie der alte Raab. Und da hat man ihm einmal zugetragen, daß sein Außenminister Heinrich von Brentano, ein ästhetischer Junggeselle, homosexuell sei. "Herr Bundeskanzler, Ihr Außenminister ist homosexuell." Da hat er den tief angeschaut und hat gesagt, lieber Freund, bei mir hat er es noch nicht versucht. Und ich glaube, damit kann man dieses Thema abschließen.
CZÖPPAN:
Damit können wir, glaube ich, dieses Thema abschließen.
KRENN:
Aber darf man auch festhalten, das hat nicht die Kirche aufgerührt. Das Thema haben Sie aufgerührt.
SCHMIDT:
Und darauf bin ich stolz.
KRENN:
Jawohl, und deshalb stehen wir auch im Gegensatz.
SCHMIDT:
Denn gegen Diskriminierung zu kämpfen ist mir ein Anliegen.
CZÖPPAN:
Wir haben uns darauf geeinigt, daß wir dieses Thema jetzt wirklich abschließen. Und jetzt kommen wir bitte zum Thema Frau Dr. Schmidt als Obfrau des Liberalen Forums, ihre spezielle Rolle, die sie in ihrer Partei hat. Sie gelten eindeutig als der Erfolgsgarant für Ihre Partei. Sie haben gute Umfragewerte. Wir haben da jetzt eine Grafik, die wir uns anschauen können, die Ihre derzeitigen Werte zeigen, 36 %. Das ist nicht so gut wie am Beginn des Jahres, aber Sie liegen damit an zweiter Stelle, hinter dem Bundeskanzler. Hier könnte man sagen, das ist für Sie persönlich natürlich unglaublich schmeichelhaft. Auf der anderen Seite kann sich eigentlich niemand das Liberale Forum ohne Frau Dr. Schmidt vorstellen. Das ist ja wiederum ein Alarmsignal für die Partei, ein Schwächezeichen der Partei. Wie gehen Sie damit um?
SCHMIDT:
Ich glaube auch nicht, daß das noch stimmt. Natürlich ist mit jemandem, der einen so hohen Bekanntheitsgrad hat, wie ich aufgrund meines Berufes, aufgrund meiner politischen Tätigkeit, man darf nicht vergessen, daß ich einen Bekanntheitsgrad auch in meinem früheren Zivilberuf, wenn ich das unter Anführungszeichen setzen darf, erworben habe, daß es damit natürlich schwer ist, dann zu konkurrenzieren. Und aus dem ergeben sich meiner Meinung auch diese Werte, an die meine Kolleginnen und Kollegen aus der eigenen Partei schwer herankommen. Aber daß das Liberale Forum schon lange nicht mehr eine Einfraupartei ist, ist glaube ich, ist wirklich evident, und wenn es auch immer wieder behauptet wird.
CZÖPPAN:
Ist es wirklich evident?
SCHMIDT:
Natürlich, ist es evident!
CZÖPPAN:
Sie sagen es immer wieder. Ich bin sicher, wenn man eine Meinungsumfrage oder wenn wir auf die Straße hinunter gehen und fragen, wen kennen sie vom Liberalen Forum, ...
SCHMIDT:
Natürlich wird mein Name am häufigsten genannt. Aber das liegt auch an dem Bekanntheitsgrad der, was weiß ich, zwischen 98 % und wieviel Prozent liegt. Das ist auch kaum einholbar. Das ist so. Aber daß wir einen Hans-Peter Haselsteiner haben, von dem ich wirklich glaube, daß sein Name für Kompetenz im Wirtschaftsbereich spricht. Daß ein Helmut Peter für Kompetenz im Wirtschaftsbereich spricht. Jetzt nur um sie anzusehen, weil sie meinen, daß wir hier zu wenig in diesem Bereich brächten.
KREJCI:
Artikulieren müßte man es vielleicht noch mehr.
SCHMIDT:
Das ein Volker Kier beide Seiten in einer Weise abdeckt, wie es einfach empfunden wird. Daß meine Stellvertreterin Maria Schaffenrath jetzt die Bildungsoffensive in einer Weise transportiert, daß ihr Name tatsächlich mit Bildungspolitik zunehmend verbunden wird. Und jetzt will ich nicht unfair sein den anderen Kolleginnen und Kollegen gegenüber. Ich kann jetzt nicht alle aufzählen. Aber, das glaube ich, ist einfach wirklich, das ist spürbar. Aber das braucht seine Zeit. Sie dürfen nicht vergessen, wir sind 4 ½ Jahre alt. Also eine Partei, die 4 ½ Jahre alt ist und bereits an den Maßstäben der etablierten Parteien gemessen wird. Was Bekanntheit, was Durchsetzungsvermögen und was Sonstiges betrifft. Ich glaube, das hat es noch nie gegeben. Man hat seinerzeit gemeint, wir wären eine Sternschnuppe, und heute sind wir ein fixer Bestandteil der politischen Landschaft. Also, daß das natürlich seine Zeit braucht, bis man dann auch die jeweiligen Exponenten für ihre Sachbereiche so kennt, daß sie in einem Atemzug abgefragt werden können, das halte ich für ganz logisch. Das halte ich wirklich für logisch. Und es ist mir übrigens ein Anliegen, also nichts liegt mir ferner, als das auf mich zu reduzieren.
SAGER:
Darf ich einmal aus meiner bundesrepublikanischen Erfahrung fragen: Glauben Sie nicht, daß das Spektrum der Parteienlandschaft, das sie hier in Österreich vertreten, daß das doch zu eng ist? Es zeigt sich ja auch, daß Sie große Probleme haben bei den Landtagswahlen und daß sozusagen aus dem Land heraus nicht so richtig etwas nachwächst. In der Bundesrepublik ist es ja so, daß der Teil des Liberalismus der Menschenrechtsliberalismus ist, der inzwischen bei den Grünen integriert ist, und wir denken aber das große Zukunftsthema Ökologie mit und auch soziale Gerechtigkeit. Und ich glaube, so breit muß heute eine Partei auch angelegt sein, um zukunftsfähig zu sein.
SCHMIDT:
Erstens einmal, ist es selbstverständlich, daß eine Partei so breit angelegt sein muß, und es wäre mir das noch zu eng. Denn was hier jetzt dabei gefehlt hat, ist eben besagte Wirtschaftskompetenz. Ich glaube auch, daß ...
SAGER:
Das gehört sowieso dazu!
SCHMIDT:
Ich glaube auch, daß die Dinge nicht so vergleichbar sind. Abgesehen davon, daß meine Freunde der FDP jetzt heftig widersprechen würden, wenn sie sagen, das wäre jetzt sozusagen von ihnen übernommen worden. Aber wahr ist ...
SAGER:
Die vertreten das ja nicht mehr in Deutschland.
SCHMIDT:
Sie vertreten es schon, aber sie vertreten es vielleicht nicht mit jenem Engagement, das ich mir für manche Bereiche wünschen würde. Das gebe ich schon zu. Aber das ist auch jetzt ein Unterschied, daher tue ich mir mit dem Vergleich so schwer, eine Regierungspartei einerseits und eine Oppositionspartei kann vielleicht manche Dinge je nach Koalitionspartner schwerer artikulieren. Aber wir wollen jetzt gar nicht auf die deutsche Ebene gehen. Aber daß selbstverständlich das Spektrum von den Grundrechten, von den Menschenrechten bis zur Wirtschaftspolitik und der Zukunftskonzeption in einer globalisierten Welt gehen, das ist aber für mich wirklich das kleine Einmaleins für eine Partei. Sonst hat sie für mich wirklich keine Daseinsberechtigung als fixer Bestandteil in einer politischen Landschaft.
SAGER:
Die Felder sind doch zum Teil besetzt von anderen. Wirtschaftsliberal sind ja in Österreich auch andere, und grün sind die Grünen, da bleibt ja nicht mehr viel übrig.
SCHMIDT:
Das ist genau das Problem, was die Liberalen zugegebenermaßen wirklich haben. Daß man offenbar nur gewöhnt ist, in einem Rechts-Links-Schema zu denken.
SAGER:
Ich spreche ja gar nicht von links/rechts, ich rede von Themen.
SCHMIDT:
Genau das ist das, daß man meint, o.k. der Wirtschaftsliberalismus könnte ja hier aufgehoben sein und der Gesellschaftsliberalismus könnte hier aufgehoben sein. Abgesehen davon, daß ich das nicht glaube, daß ich das nicht glaube, daß er es ist, ist das Alleinstellungsmerkmal der Liberalen für jene Selbstbestimmung, und zwar so haben wir eigentlich begonnen, in allen Bereichen zu kämpfen und damit Maßstab für die anderen zu werden. D.h. wir sind der originäre Wettbewerber, an dem sich auch andere orientieren. Aber ohne dieses Ferment, bin ich überzeugt, hätten wir nicht einmal jene Einsprengsel, jene liberalen Einsprengsel in den anderen Parteien, die ich gar nicht in Abrede stelle.
KREJCI:
Nach der österreichischen geschichtlichen Erfahrung war er nie eine Massensache. Schon der Hermann Baar hat gesagt, der Liberalismus blieb immer im Salon, er ging nie hinaus.
SCHMIDT:
Völlig richtig! Der Salon ist der Fehler.
KREJCI:
Aber eine Frage. Es ist ein Widerspruch in sich, daß es eine liberale Partei als Organisation geben muß. Die Liberalen sind ja an sich dagegen, daß sich neue Organisationsskrukturen bilden. Vielleicht können Sie diesen Widerspruch einmal erklären?
SCHMIDT:
Ich kann mich gut erinnern, daß ich vor ein paar Jahren zu einem Thema, übrigens in Deutschland, eingeladen war, zum organisierten Liberalismus. Und mein erster Reflex war auch, ist das nicht ein Gegensatz, Organisation und Liberalismus? Er ist es natürlich nicht. Erstens einmal versteht man unter organisiertem Liberalismus einfach, daß es eine eigene Partei ist. Und ich glaube, daß eine solche eigene Partei, die liberale Maßstäbe in die Politik einbringt, wirklich zum Wettbewerbsmaßstab auch der anderen Parteien wird. Und wenn ich mir anschaue, wie festgefahren sowohl die ÖVP aufgrund ihrer Konservativismen oder aber aufgrund ihrer Kammerstrukturen oder Kammerlastigkeit ist ...
KREJCI:
Haben Sie trotz allem nicht mehr in der Hand.
SCHMIDT:
Da passiert überhaupt nichts. Aber die Sozialdemokraten mit ihrem Strukturkonservativismus, die aber durchaus in manchen Bereichen hier offen sind, die einfach auch zu fordern in dieser Eigenbestimmung und Selbstbestimmung, das halte ich für eine Notwendigkeit, die nur von einer eigenen Partei ausgehen kann. Und so, eines möchte ich den Grünen gar nicht wegnehmen, und das ist hier an diesen Tischen besprochen worden. Wie der Herr Prof. Kienzl gemeint hat, daß die Grünen so eine Art Klima geschaffen haben, für ein ökologisches Bewußtsein. Das ist wahr, das glaube ich auch. Heute ist es allerdings so, daß jetzt die jeweiligen Konzeptionen im Wettstreit stehen. Sie sind tatsächlich hereingetragen worden von einer Organisation, die die Ökologie zu ihrem Thema gemacht hat und hat damit die anderen herausgefordert, Konzepte ...
KREJCI:
Sind alle grün.
SAGER:
Das bestreite, daß alle grün sind ...
SCHMIDT:
Jetzt kann man darüber streiten, wie ökologisch ist der eine oder der andere. Aber, daß das ökologische Bewußtsein Bestandteil aller Parteiprogramme ist, das kann man nicht bestreiten, das ist Realität.
KREJCI:
Selbst die Unternehmerorganisationen ...
SCHMIDT:
Wie zielführend, wie durchsetzungsfähig, über alles, das kann man. Und nun glaube ich, daß das eine solche Bewegung für Eigenverantwortung, für Selbständigkeit, für Selbstbestimmung, dieser Begriff der Eigenverantwortung, der auch gelebt werden muß, das einzubringen in die Gesellschaft und zu einem Umdenken zu führen, daß nicht eine Mentalität, ich mach nur, was mir angeschafft wird, und sobald es brenzlig wird, delegiere ich meine Verantwortung. Denn dazu wird man ja erzogen, auch in unserem Bildungssystem. Da fängt es ja an.
SAGER:
Aber vertreten das auch nicht inzwischen schon alle Parteien?
SCHMIDT:
Nein!
SAGER:
Das sagt doch jeder heute.
SCHMIDT:
Nein, eben nicht!
CZÖPPAN:
Diese Thematik hat ... Ich würde jetzt gerne, bitte, noch einmal zurückkommen zur Person Frau Dr. Schmidt, die ja doch eine spezielle Rolle beim Liberalen Forum hat. In Ihrer relativ jungen Parteigeschichte sind ihnen auch schon einige Mitarbeiter abhanden gekommen wieder. Und zwar eigentlich alle mit den gleichen Begründungen. Einmal waren es inhaltliche Begründungen, das Liberale Forum befasse sich zu sehr mit Randthemen, das haben wir schon besprochen. Zweiter Grund war immer Ihr Führungsstil, autoritär, kühl. Man könne mit Ihnen nicht arbeiten. Ist das es etwas, wo Sie sagen, im Kern ist da vielleicht was Wahres dran an diesem Vorwurf, oder ist er einfach ungerecht. Wie sehen Sie das selber?
SCHMIDT:
Dieser Vorwurf ist nicht so gekommen, wie Sie das sagen von allen. Sondern wahr ist, daß den einmal jemand erhoben hat. Und in weiterer Folge wurde dann eigentlich mehr interpretiert als tatsächlich erhoben.
CZÖPPAN:
Ich könnte ihnen die Zitate von allen, die gegangen sind, vorlesen, die es immer gesagt haben.
SCHMIDT:
Das kann deswegen schon nicht sein, weil es ja einige waren, die auf Gemeinderatsebene tätig waren, mit denen ich eigentlich nie etwas zu tun hatte.
CZÖPPAN:
Gut, Fierlinger, Stix, die alle damit argumentiert hatten.
SCHMIDT:
Mit Stix hatte ich auch nie was zu tun.
CZÖPPAN:
Die es aber trotzdem gesagt hat.
SCHMIDT:
Das meine ich. Damit wollte ich die Glaubwürdigkeit dieses Satzes ein bißchen durchleuchten und sonst eigentlich gar nichts dazu sagen. Es gab nur zwei Personen, die unmittelbar mit mir zu tun hatten, das war die Brigitte Peschl und das war Reinhard Fierlinger. Und wenn man sich anschaut, zu welchen Zeitpunkten mit welchen sonstigen Begründungen sie gegangen sind, so glaube ich, daß man zwar solche Vorwürfe dennoch hinterfragen muß, nämlich jetzt auch für sich selber, aber, daß der Boden schon sehr dünn ist, auf dem sie stehen.
CZÖPPAN:
Also, Sie würden von sich sagen, Sie sind nicht autoritär?
SCHMIDT:
Also ich glaube wirklich nicht, daß ich das bin.
KREJCI:
Das sagen alle, die autoritär sind. Das macht ja nichts, autoritär gehört ja auch dazu.
SCHMIDT:
Das müssen die anderen beurteilen.
SAGER:
Haben Sie schon einmal erlebt, daß ein Mann gefragt worden ist oder einem Mann gesagt worden ist, er sei zu kühl? Also, das würde ich auch mal fragen, ob Sie das nicht, diesen Vorwurf zu sagen, die ist kühl, und das als politisches Argument, ob Sie nicht auch ein bißchen den Eindruck haben, daß hier an Frauen ganz andere Maßstäbe angelegt werden als an Männer und daß plötzlich die Frauen in einer Art und Weise für Emotionalität verantwortbar gemacht werden, wo man beim Mann gar nicht auf die Idee kommt zu sagen, der muß jetzt für Atmosphäre sorgen und so.
KREJCI:
Ich bin immer für Emotion. Schon der heilige Thomas hat gesagt, es ist ein Unterschied, ob wir etwas Cum oder Ex emotione machen. Ist das richtig? Cum emotione ist besser als Ex emotione.
KRENN:
Das ist Ihrer Klugheit überlassen.
KREJCI:
Thomas von Aquino, den darf ich doch zitieren?
KRENN:
Ich habe über ihn promoviert, aber ich denke mir meinen Teil.
KREJCI:
Sie sehen, ich habe ihn genau gelesen. Auch mancher Heide ließt!
KRENN:
Darf ich der Frau Doktor, weil es ja zu Ende geht -, Sie haben vorher von der Familie gesagt, das steht drin. Wäre es möglich, daß Sie mir zeigen wo?
SCHMIDT:
Gerne!
KRENN:
Die Familie spielt keine Rolle.
SCHMIDT:
Sie haben vorher gesagt, sie kommt nicht vor und jetzt sagen sie, sie spielt keine Rolle.
KRENN:
Sie kommt nicht vor. Ich habe alles durchgelesen.
SCHMIDT:
Es geht um die Definition der Familie. Und genau das meine ich.
KRENN:
Es geht natürlich auch darum, daß es bei ihnen im Grunde die Familie definitorisch oder auch politisch nicht gibt.
SCHMIDT:
Selbstverständlich!
KRENN:
Nein!
SCHMIDT:
Sonst könnte ich doch gar nicht eintreten für Lebensgemeinschaften außerhalb der Ehe. Denn das sind auch Familien.
KRENN:
Ich bitte um Aufklärung irgendwo. ... Ich freue mich ja, 5 % für die Familie gewonnen zu haben.
SCHMIDT:
Wissen Sie, was Familie für mich heißt?
CZÖPPAN:
Sind Sie einverstanden, daß wir das nachher klären? Weil unsere Zuschauer wollen uns ...
KRENN:
Aber die Zuschauer wollen wissen, ob die wirklich nichts mit der Familie zu tun haben.
CZÖPPAN:
Aber sie wollen nicht zuschauen, wenn die Frau Dr. Schmidt da drin etwas sucht.
KRENN:
Nein, wollen wir nicht.
SCHMIDT:
Ich kann Ihnen sagen, was für uns Familie heißt. Familie heißt für uns eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Das ist beim Familienbegriff.
KRENN:
Mann und Frau, Kind
SCHMIDT:
Nein, das können auch gleichgeschlechtliche selbstverständlich sein.
KRENN:
Na, eben! Das ist ja genau Ihr Problem.
SCHMIDT:
Das ist nicht mein Problem, sondern Ihres. Denn das ist genau jene Situation ...
KRENN:
Wir sind schon viel länger auf der Welt als das Liberale Forum. Und verstehen uns mit der ganzen Menschheit. Denn die sagt ja anders. Denn die Schöpfung ist ja eine Botschaft an die Menschen, auch eine moralische. Und wenn es Mann und Frau gibt, und wenn die zueinander gehören, dann können Sie nicht sagen, das ist alles freie Entscheidung, Verantwortung usw. Das geht nicht. Das wollte ich nur sagen. Aber ich wollte wirklich wissen, weil Sie so fest gesagt haben: Familie. Das Wort kommt kaum vor. Zweimal habe ich ... Immer negativ. Gegen Ehe und Familie.
SCHMIDT:
Das genügt mir. Dann geben Sie zu, daß Sie vorher etwas Unwahres gesagt haben.
KRENN:
Frau Doktor, jetzt wird's hart. Ich habe auch nicht gesagt, daß Sie
...
CZÖPPAN:
Jetzt haben wir nicht mehr viel Zeit, und ich darf noch ein Thema bitte abschließen.
KRENN:
Aber doch! So leicht können Sie sich es nicht machen. Sie haben die Hälfte Redezeit, wir nicht. Ich bin auch nicht gekommen wie ein Schüler, um Sie abzufragen ...
SCHMIDT:
Selten haben sie sich so klar überführt vor einer Kamera.
KREJCI:
Das ist ja auch nicht der Sinn der Sache, daß der Kandidat einer Partei redet.
KRENN:
Sondern ich wollte Ihnen Dinge vortragen und wenn Sie sagen, daß das da drinnen ist, dann sagen sie die Unwahrheit.
SCHMIDT:
Sie haben gerade vorher gesagt ...
CZÖPPAN:
Bitte lassen wir das jetzt stehen.
KRENN:
Wollen wir denn ein Wort, das irgendwo genannt wird, als politisches Thema sehen? Nein, das kommt nur einmal vor, bei Vergehen gegen Ehe und Familie. Und da sind sie dagegen, daß man diese Bestrafung aufrecht erhält.
SCHMIDT:
Damit ist die Sache geklärt. Es kommt vor.
CZÖPPAN:
Wir schließen bitte dieses Thema ab.
KRENN:
Frau Doktor, sie sind Sophist. Mehr kann ich nicht sagen.
SCHMIDT:
Wenn, dann würde es Sophistin heißen. Aber mit diesem Unterschied tun Sie sich schwer.
KRENN:
Nein, ich sage Sophist, das reicht.
CZÖPPAN:
Wir kommen jetzt bitte noch einmal zu ...
KREJCI:
Drei Minuten haben wir noch.
CZÖPPAN:
... ja, danke! Kommen wir noch einmal ganz kurz, viel Zeit haben wir wie gesagt nicht mehr, zum Thema angeblich kühle Frau Dr. Schmidt. Ich frage es jetzt anders herum. Also, daß was Sie aufgenommen haben. Muß man als Frau in der Politik vielleicht ganz besonders darauf achten, daß man nur nicht zu emotional wirkt? Und daran anschließend gleich die Frage, die ich auch dem Herrn Chorherr gestellt habe vor eine Woche: Wenn sie zurückblicken auf ihre Zeit als Berufspolitikerin -hat sie das verändert, sind sie ein anderer Mensch unter dem Eindruck des politischen Alltags geworden?
SCHMIDT:
Ich glaube nicht, daß ich ein anderer Mensch geworden bin. Aber, es hat sich mein Leben massiv verändert, und damit hat es einen auch verändert. Natürlich! Ich glaube schon, daß jeder Beruf prägt. Das ist, glaube ich, eine Binsenweisheit. Vor allem dann, wenn man einen Beruf so intensiv lebt. Und Spitzenpolitikerin zu sein, ist eine Intensität, die meiner Meinung nach natürlich auch prägen muß. Die Frage ist halt nur, in welche Richtung. Und das möchte ich jetzt nicht selber beurteilen, weil ich zwar anfangs gesagt habe, ich bin kein anderer Mensch geworden und bei dem bleibe ich auch. Aber ein wenig verändert werde ich mich wohl haben, d. h. erstens einmal habe ich mit Sicherheit eine andere Sensibilität gewonnen. Das, glaube ich, passiert einfach in der politischen Tätigkeit. Ich habe z. B., Ihnen gesagt, meine Sensibilität für Frauenpolitik in der Politik erst entwickelt. Wenn Sie vor der Politik dazu gefragt hätten, hätte ich gesagt, brauch ich nicht, Frau ist selbständig, ist eh klar. Kommt auf einen selber an. Also, das ist etwas, was ich gewonnen habe, sage ich jetzt einmal. Ich habe auch meine Bedürfnisse mich zurückzuziehen in einer Weise ausgeprägt, wie ich sie früher nicht hatte. Offenbar als eine Gegenreaktion. Und ich erlebe eben auch, daß man die Dinge nicht mehr so selbstverständlich artikulieren und sagen kann, wie ich das vorher getan habe. Und ich ärgere mich dann, wenn ich sehe, daß ich in der Sprache versuche, mich zu disziplinieren. Weil eine Sorge hätte ich, daß ich in die typische Politikersprache hinein schlittere. Weil das ist genau jene, die die Leute zu Recht nicht vertragen, weil sie letzlich nichts aussagt.
CZÖPPAN:
Sie sind nicht drinnen schon?
SCHMIDT:
Ich hoffe, ich bin es noch nicht weit. Aber daß ist das, was ich gemeint habe. Ein Stückchen bin ich reingerutscht. Daw kann man kaum verhindern.
KREJCI:
Was die Frau Dr. Czöppan angesprochen hat, ist ja eine Grundfrage. In den Führungsetagen wird es einfach immer kälter. Die Leute, die oben sind, sind einsam. Sie müssen cool sein, das wird heute von ihnen verlangt. Sie sollen keine Emotionen zeigen. Und das besteht, glaube ich, nur jemand, der einen inneren Ausgleich hat. Für den es auch noch eine Welt jenseits der Politik, des Managements usw. gibt. Der sich auch irgendwann einmal entspannen kann. Wie das einmal ein Engländer gesagt hat: Sometimes I sit and think; sometimes I think, and sometimes I just sit. Das ist eigentlich ein sehr weises Leben.
SCHMIDT:
Das ist ein gescheiter Satz, das ist wahr. Aber ...
CZÖPPAN:
Es war ein so schöner Schluß. Ein abschließender Satz vielleicht und dann würde ich doch sagen ...
SCHMIDT:
Jetzt macht er es mir wirklich schwer. Aber, wahr ist, daß man sich nicht reduzieren darf und daß man sich daher auch seine Sphäre behalten muß. Und das ist übrigens mit ein Grund, warum ich mich in den Jahren, in denen ich in der Politik bin, immer standhaft geweigert habe, irgendwelche Homestories oder ähnliches zu machen. Weil ich einfach glaube, daß jemand etwas braucht, das nur ihm gehört. Es ist eh schon alles öffentlich geworden. Und ich denke, daß diese Privasphäre etwas ist, die ein Mensch braucht. D.h. die auch der Politiker und die Politikerin braucht, um hier ausschöpfen zu können und man selber sein zu können.
KREJCI:
Regenerieren!
SCHMIDT:
Ohne das, glaube ich, geht überhaupt kein Spitzenjob.
CZÖPPAN:
Gut! Ich bedanke mich bei allen sehr. Herr Bischof, sie sagen jetzt noch ...
KRENN:
Das Schlußwort. Ich wollte nur sagen: Ein andermal werde ich nicht kommen zu einer Sendung, die zuviel Weihrauch streut, das ist meine negative Einstellung. ... Ich wünsche der Frau Doktor wirklich alles Gute. Sie wissen auch, daß wir ehrlich und lang schon miteinander streiten.
SCHMIDT:
Das weiß ich nicht, Herr Bischof.
KRENN:
Sagen Sie es, wie Sie wollen. Und dann wünsche ich Ihnen eins, daß Sie irgendwann sich bekehren, wenn ihre politische Karriere vorbei ist, zum Gültigen, zum Letztgültigen und zum Wesentlichen!
CZÖPPAN:
Und ich sage jetzt gute Nacht!