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Dem Jahr 2000 entgegen
Beitrag zum Jahr des Heiligen Geistes
für das Jahrbuch des Priesterseminars
der Diözese St. Pölten 1998, 3-5
Für die Vorbereitung des Jubeljahres 2000 hat unser Heiliger Vater das Jahr 1998 zum Jahr des Heiligen Geistes erklärt.
Der Heilige Geist ist göttliche Person der heiligsten Dreifaltigkeit; er ist Gott wie der Vater und der Sohn; der Heilige Geist ist gemäß den Worten unseres Glaubensbekenntnisses der Herr und Lebensspender, der vom Vater und vom Sohn ausgeht, er wird zugleich mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht.
Wir Menschen sind Geschöpfe, wir sind daher nicht Gott; dennoch sind wir in der Ordnung der Gnade dazu erwählt, aus Gott geborene Kinder zu sein. Nur durch die göttliche und übernatürliche Offenbarung gelangt unser Glaube zur Gewißheit, daß der eine Gott in seinem Innersten ein dreifaltiger Gott in drei Personen ist. In unserem Beten und liturgischen Feiern berufen wir uns immer wieder auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist; immer wieder bekennen wir den dreifaltigen Gott als gegenwärtig im Werk der Erlösung und des Heils für den Menschen.
Niemand von uns sieht Gott den Vater. Der Prolog des Johannesevangeliums sagt, daß niemand je Gott gesehen hat; aber gleichzeitig sagt der Prolog, daß der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, uns Kunde gebracht hat. Jesus Christus ist der für uns sichtbare Sohn Gottes; das sagt Jesus selbst: Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen (Joh 14,9). Nicht sichtbar in menschlicher Gestalt ist der Heilige Geist; bei der Taufe Jesu im Jordan zeigt sich der Heilige Geist in der Gestalt einer Taube; der Heilige Geist wird in Verbindung gebracht mit dem Brausen des Windes, mit Feuerzungen über den Jüngern am Pfingstfest, mit der Sprachenfähigkeit der Urkirche, mit den vielfachen Charismen der Glaubenden, mit dem Missionswerk der Apostel. Vielfach ist der Heilige Geist im Menschen und in der Heilgeschichte gegenwärtig, dennoch entzieht sich der Heilige Geist jedem Bild und jeder streng beschreibbaren Erfahrung. Wie Gott als der Schöpfer überall in seiner Schöpfung gegenwärtig ist, so ist der Heilige Geist überall gegenwärtig und konkret in jenen Menschen, die Christus erlöst.
Wo heiligmachende Gnade geschieht, dort wirkt der Heilige Geist, den wir ahnen, spüren und glauben, dessen Brausen wir hören, wenngleich wir nicht festhalten können, woher er kommt und wohin er geht (vgl. Joh 3,8).
"Komm Schöpfer Geist" ist das gemeinsame Leit- und Gebetswort, das über allen Stationen des Papstbesuches im Juni dieses Jahres steht.
Der Apostel Paulus schreibt, daß wir den Geist empfangen haben, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist (vgl. 1 Kor 2,12). In unserer Zeit pochen viele nur auf ihre eigenen Verdienste, Leistungen und Rechte; es ist der irdisch gesinnte Mensch, der sich nicht auf das einläßt, was vom Geist Gottes kommt. Der irdisch gesinnte Mensch will weder vom Geist ergriffen sein noch will er Gott danksagen; für ihn ist Gottes Gnade nur Torheit.
Die Gnade Gottes jedoch ist es, die uns zu geisterfüllten Menschen beruft. So steht der Mensch ständig vor der Entscheidung, ein irdischer und hochmütiger oder aber ein geisterfüllter zu sein, der den Geist Christi in sich hat. Der irdische Mensch steht gegen Gott und versteht nicht die Weisheit und Kraft Gottes, denn die Klugheit dieser Welt ist Torheit vor Gott. Der irdische Mensch macht sich wichtig, als hätte er nichts empfangen; dem geisterfüllten Menschen jedoch ist alles geschenkt: Welt, Gegenwart und Zukunft; alles gehört ihm, er aber gehört Christus und Christus gehört Gott. Jesus sagt, daß der Geist, den er uns als Beistand sendet, ihn verherrlichen wird; denn er wird von dem, was Christi ist, nehmen und es uns verkünden (vgl. Joh 16, 14 f.).
Wenn wir nach Gott fragen, wenn wir das Geheimnis des Menschen begreifen wollen, wenn wir des Erlösungswerkes Gottes kundig sein wollen, wenn wir in der Liebe und Gnade Gottes stehen möchten, erinnert uns der Heilige Geist daran, daß Christus in aller Kundgabe Gottes das Licht, die Tür und das Fundament ist. Es ist der Geist Gottes, der Christus verherrlicht, wenn wir in Jesus Christus die letztgültige Antwort auf alle Fragen und Mühen erwarten. Der neue und endgültige Bund in Christus ist in seiner Heilsordnung unüberholbar, sodaß keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten ist vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit (vgl. DV 4). Geisterfüllt dürfen wir in Jesus Christus verkünden, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Denn uns hat es Gott enthüllt durch den Geist (vgl. 1 Kor 2,9 f).
Wenn wir als Christen über Kirche und Glauben reden, dürfen wir nicht so tun, als hätten wir nicht den Geist empfangen, der uns erkennen macht, was uns von Gott geschenkt worden ist. Bei aller Diskussion über die Kirche und ihr Erscheinungsbild sind wir dem Geist verpflichtet, der unverlierbar der Kirche als Geist der Wahrheit geschenkt ist. Der Geist ist gleichsam die Seele der Kirche, welche als der geheimnisvolle Leib Christi das Irdische und das Himmlische, das Sichtbare und das Unsichtbare, das Menschliche und das Göttliche darstellt (vgl. LG 7 u. 8).
Es ist sehr schwierig, selbst bei aller Hilfe durch Glauben und Offenbarung über den Heiligen Geist so zu schreiben, daß den Menschen dabei eine sagbare Erkenntnis vermittelt wird. Für uns Menschen ist es hilfreich, wenn wir den Heiligen Geist als "gegenwärtig", als dem Menschen und der Kirche gegenwärtig darstellen: "Wißt ihr nicht, daß ihr Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt?", fragt Paulus seine Christen in Korinth (1 Kor 3,16). Selbst Jesus läßt von sich gelten, was der Prophet Jesaja über ihn vorausverkündet: Der Geist des Herrn ruht auf mir: denn der Herr hat mich gesalbt (Lk 4,18). Was also könnte es sein, was der Geist wirkt? Was wirkt der Geist, über den wir viele Worte des Glaubens haben, der aber immer wieder neu in einem Bild oder Wort ausdrückbar ist, wie z.B. Wasser, Salbung, Feuer, Wolke und Licht, Siegel, Stab, Finger, Taube (KKK 696-701)?
Der Heilige Geist ist Gott wie der Vater und der Sohn. In Gott wiederum ist nichts zufällig, nichts bedingt, nichts begrenzt, nichts veränderlich, nichts unausgedrückt; alles liegt vor Gott ausgebreitet; alles ist Gott zur Gänze; alles was Gott ist, ist Gott selbst und nur Gott selbst. Das heißt, daß alles in Gott "wesentlich" ist, nichts in Gott verzichtbar ist; Gott ist Gott, indem alles sein Wesen ist, was Gott auch sein oder tun mag. Das Wesentliche ist die Kraft Gottes, seine Herrlichkeit, seine wunderbare Größe, die alles kennt und alle Geister durchdringt (vgl. Weish 7,22-30), kein Schatten fällt auf den Geist, der im Wesen Gottes ruht.
Das Wirken des Heiligen Geistes im Menschen ist nicht bloße gnadenhafte Zugabe, nicht einfach eine Art Verschönerung oder Verbesserung des Menschlichen. Da der Heilige Geist wahrer Gott ist, ist auch sein Wirken ein anderes: Der Geist ist nicht neben dem Menschen; er ist im Menschen, wenn er betend für uns eintritt; er wirkt im Menschen in den Sakramenten der Kirche; er wohnt im Menschen als die heiligmachende Gabe Gottes. Es gibt keinen Teil des Menschen, der nicht vom Heiligen Geist bedeckt wäre (vgl. Gregor von Nyssa, Spi. 16). Der Heilige Geist ist im erlösten Menschen die "Wesentlichkeit" Gottes, die alles im Menschen zur göttlichen Hauptsache macht und nichts von der göttlichen Gnade ausnimmt, so daß alles im Menschen zur Wesentlichkeit erhoben ist. Nichts ist mehr unwichtig oder zufällig im Menschen, denn es bezeugt der Geist unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind (Röm 8,16). Wir sind nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da der Geist Gottes in uns wohnt (vgl. Röm 8,9). Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist; der Geist tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein (vgl. Röm 8,27).
Zuweilen erfahren wir das Wirken des Heiligen Geistes als "Begeisterung". Es gibt die heilige Begeisterung, die viel mehr ist als eine augenblickliche Stimmung, als eine vergängliche treibende Emotion. Die vom Heiligen Geist begeisterten Menschen wissen sich im "Ganzen" dessen, was uns der Heilige Geist bezeugt, daß wir Kinder Gottes sind. Damit ist jeder unserer Gedanken und Wünsche, ist jede Entscheidung, ist alles Leid und Glück, ist unser Leben und Sterben eingefügt in das, was uns wesentlich sein läßt, weil der Heilige Geist in uns wohnt. Der Geist Gottes ist es, der wesentlich und lebendig macht; so nimmt Christus in uns Gestalt an und wir dürfen wahrhaftig bekennen: "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2,20).
Das Wesentliche Gottes ist Gottes Einfachheit: Gott ist
Gott; Gott ist einfach Gott, er ist Gott selbst und nichts als Gott selbst.
Die Einfachheit, die immer schon das Ganze ist, ist die ewige Geltung Gottes,
die Wahrheit und Liebe ist, immer schon vollkommen, ohne Anfang und Ende. Wer
vom Geist Gottes ergriffen ist, darf kein Zögern und Zaudern, keine Bedingungen
und Vorbehalte kennen; er kann im Geist nur sagen: Herr, da bin ich; Herr, sende
mich.