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 Spirituelles u. Theologisches

Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten


Predigt von Christoph Kardinal Schönborn beim Requiem
für den verstorbenen Wiener Alterzbischof Franz Kardinal König
beim Requiem am Samstag, 27. März 2004, im Dom zu St. Stephan in Wien
 

Gelobt sei Jesus Christus! Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Am 17. Juni 1956 sagte der neue Wiener Erzbischof Franz König am Ende seiner ersten Predigt in St. Stephan: "Der festliche Glanz des ersten Einzuges hat mich nicht gehindert, mir gleichzeitig auch meinen letzten Auszug als Toten vorzustellen, wenn ich dann den Rechenschaftsbericht abzulegen habe über meine Verwaltung."

Fast fünfzig Jahre, bis zuletzt reich an Arbeit, sind seither vergangen. Heute geben wir dem, was an ihm sterblich war, das letzte Geleit zur Beisetzung in der Bischofsgruft des Domes. Heute, wie schon in den vergangenen Tagen seit dem 13. März, beten wir für den Verstorbenen, dass Gott seinen letzten Rechenschaftsbericht gütig annehmen und ihm das ewige Leben in der Heimat des Himmels schenken möge.

Es hat in den letzten zwei Wochen zahlreiche Nachrufe auf Kardinal König gegeben, viele bewegende, ganz persönliche Zeugnisse, von Menschen aus allen Kreisen unseres Landes, aus der ganzen Welt. Ich will heute diesen Nachrufen nicht noch einen hinzufügen. In dieser Stunde ist es vielmehr angebracht, nach vorne zu schauen. Ich glaube, dass das ganz im Sinne von Kardinal König ist.

Ich bin keinem hochbetagten Menschen begegnet, der so sehr wie Kardinal König im Heute, im Jetzt lebte. Er hätte wahrhaft viel aus seiner langen Lebensgeschichte erzählen können, und er tat es, wenn er über die Vergangenheit befragt wurde, ohne sich allzu lange dabei aufzuhalten. Sein Interesse galt dem Heute und dem Morgen.

Bis in den letzten Stunden seines irdischen Lebens war Kardinal König voll wacher Aufmerksamkeit für die Gegenwart, für Menschen, um die er sich sorgte, nach denen er fragte, für die Ereignisse in Kirche und Welt.

Deshalb richte ich mein Augenmerk heute auf das, was sein Erbe als Auftrag für uns bedeutet. In diesen Tagen wurde viel vom Brückenbauer gesprochen. Weit gespannte Brücken brauchen im Strom fest verankerte Pfeiler. Die Offenheit von Kardinal König, seine gewagten Brückenschläge, waren von soliden Pfeilern getragen. Er glich dem Mann im Evangelium, von dem Jesus sagt, er habe sein Haus auf Fels gebaut. Kein Sturm, keine Flut konnte es erschüttern (Mt 7,24-25).

Im Angesicht des Todes kommen die tragenden Fundamente des Lebens zum Vorschein. Kardinal König hat seine Frömmigkeit nie zur Schau gestellt. Sie war schlicht und tief. Annemarie Fenzl, der ich hier für ihre selbstlose und hingebungsvolle Betreuung von Kardinal König durch viele Jahre und bis zur letzten Stunde von Herzen Dank sage, schreibt: "Als die Tage mühsamer wurden, wurde es immer deutlicher, woher der Kardinal seine Kraft holte - nach einer Messfeier [die ein junger Priester in seinem Zimmer hielt] sagte er: Daraus lebe ich!'"

Die Weite seines Herzens, die Offenheit seines Geistes, das lebhafte Interesse für alles, was die Menschen bewegt, kam aus seiner tiefen, geraden Gottverbundenheit.

Das erste und wichtigste Erbe von Kardinal König, das uns Auftrag ist, sehe ich in der Pflege des soliden Glaubensfundaments. Der große Brückenbauer-Kardinal hat uns vor Augen geführt, dass ein in Jesus Christus verankerter Glaube Herz und Geist weit und offen macht. "Für mich ist es wichtig, sich für die Wahrheit, für Gottes Wort, einzusetzen, aber verbunden mit der Kraft und Stärke der Liebe zu den Menschen", sagt Kardinal König in Auslegung seines bischöflichen Wahlspruchs "Veritatem facientes in caritate", "Die Wahrheit in Liebe tun".

So sei auf drei Brückenschläge besonders hingewiesen, die ich als Erbe und Auftrag sehe, vom festen Pfeiler des Glaubens aus.

1. Das erste Erbe ist der Brückenschlag der Ökumene. Die heute hier anwesenden zahlreichen Vertreter der anderen christlichen Kirchen bezeugen, wie tragfähig die von Kardinal König gebauten Brücken sind. Schwierigkeiten haben ihn nie entmutigt. Wir werden diesen Weg weitergehen, getreu dem Motto von Kardinal König. Seine Offenheit für die anderen Christen und die anderen Religionen war stets getragen von seiner unbeirrbaren treuen Liebe zur Kirche, die auch in schweren Stunden nicht ins Wanken geriet.

2. Das zweite Erbe ist der gesellschaftliche Brückenschlag. Er, der die leidvolle Zwischenkriegszeit erlebt hatte, wusste, wie kostbar die Brücken zwischen den gesellschaftlichen Kräften in unserem Land sind. Der Auftrag, den sein Erbe uns hinterlässt, ist nicht einfach nur ein "Vertragt euch!", sondern der schwierige, aber notwendige Anspruch, das Verbindende über das Trennende zu stellen, das Gemeinwohl über die Einzelinteressen. Kardinal König hat das nicht nur für den gesellschaftlichen Dialog in Österreich, sondern auch auf europäischer Ebene vorgelebt. Die vielen Mitfeiernden und Mittrauernden aus unseren Nachbarländern bezeugen dies.

3. Das dritte Erbe, das uns Auftrag ist, hat ihn bis in die letzten Tage intensiv beschäftigt: der umfassende Schutz des menschlichen Lebens. Sein letztes großes gesellschaftspolitisches Engagement galt der humanen Sterbebegleitung in Österreich. Noch am 16. Jänner dieses Jahres schrieb er dem Präsidenten des Österreichischen Verfassungskonventes einen bewegenden Brief:

"Ich bin als Bürger dieses Landes stolz darauf, dass es in Österreich einen breiten politischen Konsens - über alle Parteigrenzen hinweg - gibt: Menschen sollen an der Hand eines anderen Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Menschen." Und ich zitiere weiter aus diesem Brief: "In diesem Zusammenhang steht für mich die Hospiz-Idee. Sie rückt den Menschen, jenseits der Grenzen der Medizin, wieder ganz in den Vordergrund." Deshalb bittet Kardinal König den Verfassungskonvent: "Sterbehilfe, also Euthanasie, soll in Österreich künftig auch verfassungsrechtlich untersagt werden - als Wegweiser und Bekenntnis zu einer 'Kultur des Lebens' und als Signal für Europa."

Diese Worte mögen für unser Land Vermächtnis und Auftrag sein. Mögen es auch jene Worte sein, die Kardinal König vor über 30 Jahren in der Auseinandersetzung um den Schutz des ungeborenen Lebens vor dem Bundesvorstand des Österreichischen Gewerkschaftsbundes gesagt hat:

"Ich bitte Sie zu bedenken, wenn einmal der Grundsatz fällt, dass kein Mensch das Recht hat, über das Leben eines anderen Menschen zu verfügen, wie dieses Leben auch aussieht, dann schützt uns nichts mehr vor der totalen Verfügbarkeit ... des Menschen ... Dann kann man mit uns alles machen."

Auch das ist ein Auftrag an uns, die wir heute um diesen Freund des Lebens trauern und für ihn beten.

Mein letzter Blick geht zur Muttergottes nach Mariazell, die Kardinal König so sehr geliebt hat. Im Blick auf die große "Wallfahrt der Völker", den Abschluss des Mitteleuropäischen Katholikentages am 22. Mai, schrieb Kardinal König Anfang des Jahres: "So Gott will, werde ich im kommenden Mai mit großer Freude und Dankbarkeit in Mariazell mit dabei sein; dabei sein im Bewusstsein meiner Mitverantwortung als ehemaliger Erzbischof von Wien, der noch die Tragik eines durch Krieg und Hass zerstörten Europa miterlebt hat. Ich bin auch fest überzeugt, dass Mariazell alle anstehenden organisatorischen Probleme lösen wird. Die Freude über eine solche ganz neue und hoffnungsvolle Art der Begegnung, über die noch vor kurzem unüberwindlich scheinenden Grenzen hinweg, wird alle Schwierigkeiten überwinden."

Lieber Kardinal König! Gott wollte es anders. Du wirst in Mariazell nicht mehr dabei sein können. Nein, du wirst dabei sein. Wer bei Gott ist, ist auch bei den Menschen. Du bist über die schmale Brücke des Todes zu Gott heimgekehrt. Ich vertraue, dass du auch jetzt noch Brückenbauer bist und dass du uns von "drüben" mit Gott ein guter Helfer sein wirst. Und wenn für uns die letzte Stunde kommt, hilf uns, dass mit Gottes Hilfe auch uns der wichtigste Brückenschlag gelingt, der über den Tod hinweg ans Ufer des ewigen Lebens führt. Amen.

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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 27.03.2004.

 

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