Der
Wahrheit die Ehre?
Rezension zu:
Reinhard Dörner (Hg.), Der Wahrheit die Ehre! Der Skandal von St. Pölten, Verlag
Kardinal-von-Galen-Kreis e.V., Norderstedt 2008, ISBN 978-3-9809748-9-9, EUR
15,50
Das
von Reinhard Dörner im Namen des Kardinal-von-Galen-Kreises herausgegebene Buch
„Der Wahrheit die Ehre“ enthält nach einem Vorwort des Herausgebers
(7-10) den Hauptbeitrag von Gabriele Waste: „Die Kirche als Gefangene der
Medien und ihrer eigenen Hierarchie“ (11-116). Außerdem sind enthalten
der Beitrag von Wolfgang Waldstein: „Urteile nach den
'moralisch-politischen Anschauungen' der Gerichte“ (117-128) sowie eine
„Fachliche Stellungnahme zur Homosexualität“ von Michael Dieterich
(129 f) und ein „Photogrammetrisches Gutachten“ von Peter Waldhäusl
(131-135). Eine ausführliche Zeittafel (137-170) und ein Dokumentenanhang
(173-191) ergänzen das dargebotene Material und die von Herausgeber und Autoren
in ihren Beiträgen dargebotene Interpretation, wonach es sich bei den
Vorgängen, die zum Rücktritt des St. Pöltner Bischofs Kurt Krenn führten (sog.
„Sex-Skandal im Priesterseminar“), im wesentlichen um eine medial
aufgebauschte, von Gegnern des St. Pöltner Bischofs inszenierte Kampagne
gehandelt hat.
Das
Hauptziel des Buches ist es, einerseits den Altbischof von St. Pölten, Kurt
Krenn, zu rehabilitieren, andererseits und gemäß dem Verständnis von
Herausgeber und Autoren aufs engste damit zusammenhängend, die ehemaligen
Vorsteher des Priesterseminars Ulrich Küchl und Wolfgang Rothe zu
rechtfertigen. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe der Duldung von Homosexualität
im Priesterseminar St. Pölten oder gar ihre eigene aktive Verwicklung darin
entbehrten jeder Grundlage. Der ehemalige Apostolische Visitator und jetzige
Diözesanbischof Klaus Küng wird beschuldigt, schon von Anfang an auf die
Absetzung Kurt Krenns abgezielt zu haben und die Wahrheit nicht gründlich genug
gesucht zu haben: „Wenn das Ziel der Visitation die Absetzung von Bischof
Krenn war, mussten alle realen Sachverhalte im Sinne dieses Zieles verkehrt
werden.“ (106) Auch österreichische Bischöfe und Teile der römischen
Kurie hätten in einem üblen Spiel mitgewirkt; schließlich wird sogar der
jetzige Papst Benedikt XVI. noch dafür verantwortlich gemacht, dass er die
Entscheidungen von Bischof Küng in der Causa Rothe/Küchl durch ein am 5. Mai
2008 ausgefertigtes, in „forma specifica“ approbiertes Dekret der Kongregation
für den Klerus gutgeheißen habe und damit - so wörtlich der von Gabriele Waste
formulierte Vorwurf - „'Un'-Recht im Zeichen nominalistischer
Willkür“ gesetzt habe (101 ff).
Herausgeber
Reinhard Dörner, immerhin Vorsitzender eines „Zusammenschlusses
papsttreuer Vereinigungen e.V.“, versteht dieses Dekret als
„den Gipfel an Skandal“ (10) und unterstellt in seinen
Schlussbemerkungen, dass der Papst das von ihm ausdrücklich approbierte Dekret
gar nicht wirklich persönlich zur Kenntnis genommen habe (191). Dies wäre
insofern verwunderlich, als der unmittelbare Sekretär des Papstes, Georg
Gänswein, als Kirchenrechtsprofessor die Dissertation von Wolfgang Rothe
„Ad plenam Communionem. Zur ekklesiologischen und verfassungsrechtlichen
Positionsbestimmung des Ökumenismus“ betreut und im Jahr 2002 approbiert
hat und sicher dem Heiligen Vater auch in kirchenrechtlichen Fragen beratend
zur Seite steht. Man kann davon ausgehen, dass gerade die schließlich durch das
päpstliche Dekret entschiedene Streitsache besonders sorgfältig geprüft wurde
und selbst Gänswein der Auffassung war, Bischof Küng habe hier richtig
entschieden.
Methodisch
versteht Gabriele Waste ihren Hauptbeitrag als angewandte Medienanalyse und
bemüht dafür das Instrumentarium der Sprachkritik und der Literaturanalyse
(51-101). So spricht sie von Konstruktions- und Dekonstruktionsmechanismen und
greift auf eine Wortfeld- und Diskursanalyse zurück. Sie macht einen
„Rahmendiskurs“ aus, als dessen Inhalt sie den Wunsch nach der
Absetzung von Bischof Krenn anführt; dabei gebe es drei Diskursschichten: als
oberste den Kardinal von Wien, Erzbischof Schönborn, als unterste die
niederösterreichischen Äbte und als integrierende Diskursschicht den päpstlich
bestellten Visitator Bischof Küng. Als „Bindediskurs“ diene die
Berufung auf eine angeblich „homosexuelle Atmosphäre“, und als
„Unterdiskurs“ ein vorgeblicher „Sex-Skandal“ mit
verschiedenen Konstruktionsmechanismen. Im Sinn einer
Medienwirksamkeitsforschung wird auf die Rezeption dieser medial vermittelten
Inhalte eingegangen.
Abgesehen
von der kirchenpolitischen Absicht des Buches, welche als solche schon eine
gewisse Einseitigkeit der Perspektive bedingt, finden sich im Buch zahlreiche
Unrichtigkeiten. Unter anderem wird behauptet, der frühere Bischof von St.
Pölten Kurt Krenn sei bis zum Zeitpunkt der Visitation voll leistungsfähig
gewesen; erst sein erzwungener Rücktritt und die damit verbundene Isolation
habe zum gesundheitlichen Einbruch geführt (99). In Wirklichkeit war Bischof
Krenn schon länger gesundheitlich angeschlagen. Das hauptsächliche Kriterium
bei der Eignungsprüfung der verbliebenen Seminaristen nach der vorübergehenden
Schließung des St. Pöltner Priesterseminars sei es gewesen, ob sie zu Bischof
Krenn halten würden oder nicht: Es ging „nicht um ein gründliches
Auswahlverfahren, sondern nur darum, alle Bewerber, die zu Bischof Krenn
stehen, nach Möglichkeit auszusondern“ (32) – auch dies ist
nachweislich falsch. Nicht am 28. Juni 2007 vollendete Altbischof Krenn das 70.
Lebensjahr, wie irrtümlich behauptet wird (169), sondern bereits am 28. Juni
2006; am 28. April 2007 feierte er hingegen das 20-Jahr-Jubiläum seiner
Bischofsweihe, was im Buch gar nicht erwähnt wird.
Außerdem
wird im Buch „Der Wahrheit die Ehre“ durchgehend übersehen, dass
gerade die Detailergebnisse der Apostolischen Visitation aus Gründen der
Diskretion und des Persönlichkeitsschutzes nicht öffentlich-medial präsentiert
werden konnten, sondern nur dem Heiligen Stuhl als Auftraggeber zur Kenntnis
gebracht wurden, und insofern der im Buch vermittelte Eindruck auch trügen
kann, als ob der damalige Visitator und jetzige Diözesanbischof Klaus Küng in
der Sache falsch und ungerecht entschieden habe.
Leider
ist es wahr, dass maßgebliche Kreise auch in der Kirche Österreichs die schlussendliche
Abberufung des St. Pöltner Bischofs durch Papst Johannes Paul II. als einen
„Sieg“ in ihrer Sache gefeiert haben. Die Darstellung des Buches
ist dennoch zu klischeehaft und undifferenziert und setzt voraus, dass es keine
Missstände vor allem im Priesterseminar der Diözese St. Pölten gegeben hätte,
aufgrund derer eine päpstliche Visitation gerechtfertigt gewesen wäre.
Der
St. Pöltner Altbischof Kurt Krenn hat sich unbestreitbare Verdienste für die
Kirche Österreichs und der Diözese St. Pölten erworben und verdient auch
weiterhin Wertschätzung, Gebet und Unterstützung. Nicht jedoch kann man dem
Altbischof von St. Pölten helfen, wenn man seinen Nachfolger Bischof Küng
angreift und auch den Heiligen Vater, wie dies im Buch geschieht. Denn darin offenbart sich letztlich eine
schismatische Grundhaltung.
Die
Frage bezüglich dieses Werkes ist daher sowohl den mitwirkenden Autoren als
auch dem Herausgeber zu stellen: „Cui bono?“
Dr. theol. habil. Josef Spindelböck
Weiterführende
Links:
Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net
mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: Josef
Spindelböck und
Jutta Kern. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde aktualisiert am 30.09.2008.