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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

 

Hirtenbrief zur Fastenzeit 1999

Liebe Gläubige!

1. Wir gehen auf das Osterfest zu. Der auferstandene Erlöser Jesus Christus will, daß wir ihm gleichgestaltet werden als Menschen, die Tod und Sünde überwinden. Auf den Tag der Auferstehung bereiten wir uns gemäß der Ordnung der Kirche in einer vierzigtägigen Fastenzeit vor. Bekehrung zu Gott und Abkehr von unseren Sünden, Entsagung und Opferbereitschaft, Werke der Nächstenliebe und Streben nach Heiligkeit gehören zum Gelingen der heiligen Fastenzeit, die wir in persönlicher Freiheit und in Liebe zu Gott gestalten dürfen. Die Gnade Gottes, die alles übersteigt, was wir aus uns selbst zu leisten vermögen, sei allen Gläubigen unserer Diözese geschenkt.

2. Ich grüße unsere Familien, in denen Gott seine Gnadengaben schenkt; in der festen Treue und Liebe von Mann und Frau, im Wachsen unserer Kinder in Gottesfurcht und im wahren Menschsein geschieht Gottes Wille. Gesegnet sind jene Mütter und Väter, die das Kind als größtes Gottesgeschenk annehmen, denen das ungeborene Leben ein heiliger Auftrag Gottes ist. Gott selbst schafft die Seele und das Leben des Menschen; niemand darf einen unschuldigen Menschen töten, weder einen ungeborenen noch einen alten Menschen oder behinderten Menschen. Auch keine demokratische Institution hat das Recht auf Tötung eines unschuldigen Menschen, denn jeder hat ein unverlierbares Menschenrecht auf Leben. Wer das Menschenrecht auf Leben in Frage stellt, der erhebt sich in seinem Anspruch über Gott; denn Gott allein ist der Herr und Geber des Lebens. Unverändert und unbedingt verbietet Gott den Mord. Auch hier gilt das Wort Jesu beim Gericht, das er denen sagt, die sich nicht um die Menschen angenommen haben: "Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch für mich nicht getan" (Mt 25,45).

3. Unsere geringsten Brüder und Schwestern sind die ungeborenen Kinder; dies möge jeder in Staat und Kirche bedenken, der scheinbar erlaubte Wege zur Beseitigung der Ungeborenen sucht oder rechtfertigt. Christus selbst erleidet in den Ungeborenen jenen Mangel an Liebe, der Tod bedeutet. Wir appellieren an das gebildete Gewissen aller Menschen, das heute in vielen Unrechtssystemen als der einzige Schutz für unsere wehrlosesten Menschenkinder verblieben ist. Wir müssen immer wieder die Wahrheit über den Menschen bedenken und uns dabei zur Wahrheit Gottes bekehren. In dieser Frage gibt es kein Ausweichen und Täuschen. Es sind die Christen mit Gewissen und Gottesfurcht, die ihre Stimme erheben müssen. Schweigt nicht und handelt, bildet in dieser Frage auch euer politisches Urteil, das mit der Lehre der Kirche übereinstimmt.

Abtreibung des ungeborenen Kindes, wie und wann dies auch geschieht, ist Tötung eines unschuldigen Menschen; die Kirche bestraft dieses Vergehen mit der Tatstrafe der Exkommunikation (vgl. CIC Can. 1398). Das II. Vatikanische Konzil nennt Abtreibung und Tötung des Kindes verabscheuungswürdige Verbrechen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 51), dies zu tun ist schwere Sünde, die mit schwerer Schuld belädt. Wenn der Schuldige jedoch bereut und seine Sünde in der Beichte mit dem aufrichtigen Vorsatz der Besserung bekennt, kann auch er Barmherzigkeit und Vergebung bei Gott finden. Auch diese Sünde gegen das Leben kann vergeben werden, wenn der schuldig gewordene Mensch sich bekehrt, die Größe seiner Schuld einsieht und er die Liebe Gottes erbittet, die größer als alle Schuld des Menschen ist. Den Menschen, die solche Last der Schuld tragen, wollen wir sagen: "Wenn das Herz uns auch verurteilt, Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles" (1 Joh 3,20).

Es gibt heute viel Verwahrlosung im sittlichen Verhalten des Menschen; der größten Verwahrlosung begegnen wir in unserem Volk in der Frage des Lebensschutzes. Obwohl man ständig von Lebensqualität, von Datenschutz, von Tierliebe und anderem spricht, werden gleichzeitig die ungeborenen Kinder jedweder Rechte beraubt. Wo bleibt heute das konsequente humane Handeln, wenn ein angesehener Arzt feststellt, daß der Mensch von seiner Empfängnis an voll Mensch ist und im selben Augenblick er ohne Skrupel Auskünfte über die Möglichkeiten der Abtreibung gibt?

4. Wenn es um die Würde und um das Lebensrecht des Menschen geht, kann niemand der Kirche die Kompetenz und die Pflicht zur Verteidigung des Menschenlebens absprechen. Denn die Kirche begeht keine unstatthafte Einmischung in die Ordnung des Staates, wenn sie gegen ein Unrecht am Menschen protestiert und zum Handeln aufruft. Mit den Spielregeln der Demokratie läßt sich das Lebensrecht der Ungeborenen nicht außer Kraft setzen; für jeden Menschen und für alle Zeiten gilt das göttliche Gebot: Du sollst nicht töten.

5. In dieser Zeit der Verwirrung gibt es auch Zeichen der Hoffnung: Es mehren sich die Initiativen zur Verteidigung des ungeborenen Lebens in den Familienorganisationen, in der Ökumene und bei der Jugend, die die Zeichen der Zeit besser als viele andere versteht und sich begeistert und großmütig für die gute Sache einsetzt. Wir müssen auch festhalten, daß die gegenwärtige Diskussion eine notwendige Reaktion der Bischöfe auf eine veränderte und verschlechterte Situation des ungeborenen Kindes herausgefordert hatte. Jedes Ungeborene, wie es auch immer von einer Mutter empfangen wurde, hat ein absolutes Lebensrecht; jede Frau, die ein Kind erwartet, soll Hilfe, Verständnis und Ehrfurcht vonseiten der Christen haben.

Der gottgewollte und beste Platz des Kindes ist die Familie, die nach Christi Willen in der sakramentalen Ehegemeinschaft von Mann und Frau gegründet ist. So ist die Sorge für die Familie ein Dienst am Leben. So ist die Not unserer Zeit ein hörbarer Ruf zur Besinnung auf die Ordnung des Schöpfers und auf das Wohl und Heil des Menschen.

In allem, was uns widerfährt, geht es nicht allein um uns; es geht vielmehr um Gott und uns. Wenn sich der Mensch in der Selbsterlösung versucht und Gott in seinem Leben nicht gelten läßt, wird ihm die Liebe fehlen: die Liebe zu Gott, die Liebe zum Nächsten und die Liebe zu dem, worin er sich auf Gott bezieht.

6. Öffnet in dieser Fastenzeit die Tore eures Menschseins dem Erlöser; verschließt euch nicht der Wahrheit Christi durch Stolz, Ungehorsam und Egoismus. Gott hat uns zuerst geliebt; wir sind liebenswert, weil wir von Gott zuerst geliebt sind.

7. Ich darf mit großer Hoffnung auf Ihr Wohlwollen an die Fastenaktion in unserer Diözese erinnern. In den vergangenen Jahren hatten wir immer wieder für vieles Gute und Hilfreiche unseren Gläubigen zu danken. Mit großer Hoffnung danke ich auch diesmal allen hochherzigen Gebern und allen, die in den Pfarren und in der Diözese zum guten Gelingen der Fastenaktion beitragen.

Die Priester und die Mitarbeiter in Seelsorge und Religionsunterricht, die Verantwortungsträger in Pfarrkirchen- und Pfarrgemeinderat, die betenden und strebenden Menschen bitte ich um besonderen Einsatz in der heiligen Fastenzeit. Wenn wir uns eine besondere Gnade für das Jahr 2000 als dem Jahr der Versöhnung erhoffen, wird der Dienst der Versöhnung, den unsere Priester im Beichtdienst leisten, ganz entscheidend dafür sein, wie weit wir unser Dasein und Tun dem Erlöser öffnen.

Danket allen, denen wir Dank schulden. Unser höchstes und heiligstes Tun vor Gott ist die Feier der sonntäglichen Eucharistie, die Danksagung an Gott unseren Vater durch seinen Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist. Wir können mit dem Eifer für die Sonntagsmesse in unserer Diözese noch nicht zufrieden sein. Die große pastorale Anstrengung für das nächste Jahrtausend soll der regelmäßigen Mitfeier aller Gläubigen an der heiligen Messe des Sonntags und der gebotenen Feiertage gelten. Erinnert auch an die Pflicht der Osterbeichte und Osterkommunion; ihr könnt neue Menschen in Christus werden, wenn ihr die Sakramente der Kirche zum Lebensvollzug empfangt.

8. Das Jahr 1999 ist nach den Weisungen des Papstes das Jahr Gottes des Vaters. Vom göttlichen Vater geht alles aus und zu ihm kehrt alles wieder zurück. Wer die Heimkehr zum Vater durch Christus erstrebt, der ist auf dem wahren Weg der Bekehrung zu Gott und zu seinem Heil. Einst dürfen wir Gott schauen; dies wird am Ende unseres irdischen Lebens Heil und Rettung für uns sein.

"Herr, zeig uns den Vater und es genügt uns", bat ein Jünger unseren Heiland. Jesus antwortet ihm und auch uns: "Wer mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen" (Joh 14,8. 9).

Wer Jesus sieht, der sieht den Vater; wer Jesus sieht, der sieht auch die Gottesmutter Maria. In Jesus schauen wir den Vater, in Jesus schauen wir aber auch die Mutter, die uns voranleuchtet als Vorbild des Glaubens und der Heiligkeit bis zum ewigen Osterfest unseres Lebens.

Ich segne euch alle, liebe Gläubige, und wünsche aus ganzem Herzen ein gesegnetes Osterfest.  

 

+ Kurt Krenn


Diözesanbischof

St.Pölten, 17. 2. 1999
Aschermittwoch


Dieser Fastenhirtenbrief ist am 1. Fastensonntag, 21. 2. 1999, bei allen Gottesdiensten zu verlesen.
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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 18.02.1998.

 

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